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Politik: Unter Mördern

Pussy Riot verbüßen ihre Haft in einer Strafkolonie.

Moskau - Auf Nadeschda Tolokonnikowa und Marija Aljochina kommen harte Zeiten zu. Den Gefängnissen, in die beiden Mitglieder der feministischen Punk-Gruppe Pussy Riot am Sonntag in vergitterten Waggons geschafft wurden, eilt laut Tolokonnikowas Ehemann Pjotr Wersilow ein übler Ruf voraus.

Obwohl das Vollzugsgesetz die Verbüßung der Strafen in der Nähe des Wohnorts vorsieht, endete die Reise für Aljochina im Gebiet Perm hinter dem Ural, für Tolokonnikowa in der nationalen Teilrepublik Mordwinien. Das Gebiet beider Regionen besteht zum Großteil aus dichten undurchdringlichen Wäldern, wo eine Flucht für Großstadtmenschen auf den sicheren Tod hinausläuft. Die Ausbruchschancen sind ohnehin gering.

Klassische Gefängnisse – Gebäude mit dicken Mauern – sind in Russland eher selten und für Schwerstverbrecher vorgesehen, die dort lebenslang weggesperrt werden. Die Masse der Häftlinge verbüßt ihre Strafe in sogenannten Kolonien. Das klingt harmlos. Doch auch die Kolonien – Barackenlager – sind von Stacheldraht umzäunt und erinnern an die Straflager der kommunistischen Ära, die Gulags. Zwar musste Russland den Strafvollzug wegen des Beitritts zum Europarat 1996 reformieren und lockern. Im Zuge der Reform wurden ein paar Vorzeigelager, teilweise mit Geldern westlicher Hilfsorganisationen, gebaut, die europäischen Standards zumindest nahekommen. Doch die meisten Kolonien wurden schon zu Sowjetzeiten gebaut, auch die, in denen die Mitglieder von Pussy Riot ihre Strafe verbüßen. Die Haftbedingungen dort haben sich nur wenig geändert, die Vollzugsbeamten wollen die Insassen häufig immer noch nicht als Persönlichkeiten respektieren. Geblieben ist auch der militärische Drill.

Zum Essen marschieren die Häftlinge in Kolonne, bei Verstößen gibt es auch mal Schläge. Wann warme Kleidung angelegt werden darf, entscheidet die Anstaltsleitung. Warmes Wasser gibt es nur morgens und abends für jeweils eine Stunde. Die kritische Journalistin Soja Swetowa, die beide Gefängnisse kennt, berichtet, die weiblichen Insassen müssten Tarnkleidung für Vollzugsbeamte nähen. Und in den Anstalten in Mordwinien herrsche ein unerträgliches Klima: Heiße, mückenreiche Sommer, strenge Fröste im Winter.

Swetowa sitzt zusammen mit Vertretern nichtstaatlicher Organisationen im öffentlichen Beirat des Justizministeriums, dem der Vollzug nach der Reform unterstellt wurde. Zuvor war das Innenministerium zuständig. Der Beirat kämpft seit Jahren für einen humaneren Strafvollzug, erzielte bisher aber nur minimale Erfolge. Für die Frauen von Pussy Riot, sagt Swetowa, komme erschwerend hinzu, dass ihre Mithäftlinge größtenteils Kriminelle wie Drogendealerinnen und Mörderinnen seien. Diese hätten rabiate Umgangsformen und würden, um selbst in den Genuss von Vergünstigungen zu kommen, geringste Verstöße gegen die Hausordnung oder kritische Äußerungen der „Politischen“ nach oben melden. Die Chancen, wegen guter Führung nach verbüßten zwei Dritteln der Strafe freizukommen, stehen schlecht für die Inhaftierten von Pussy Riot. Elke Windisch

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