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Politik: Unter Niveau

SCHRÖDER UND DER IRAK

Von Christoph von Marschall

Läuft es nicht gut für Gerhard Schröder? Am Wochenende haben Zehntausende in Europa und Amerika gegen einen IrakKrieg demonstriert. Und für viele ist er der Kronzeuge. In Deutschland waren es zwar nur wenige Tausend. Aber wieso sollte die hiesige Friedensbewegung auch gegen einen Kanzler auf die Straße gehen, der den US-Aufmarsch am Golf als Abenteuer bezeichnet und unter keinen Umständen Soldaten schicken will? Nun hat Jacques Chirac betont, dass Frankreich bei einem Krieg ohne UN-Mandat nicht mitmacht. Hat Schröder nicht Recht behalten mit seinem harten Anti-Kriegs-Kurs? So stellt sich die Lage doch dar: George W. Bush will unbedingt Krieg führen, und nun darf er nicht. Das ist auch Schröders Frieden, er hat als Erster klar Front gemacht gegen Bush. Dieses Bild ist allenfalls in Deutschland verbreitet. Und dazu bedurfte es eines beträchtlichen Aufwands, denn entscheidende Fakten werden ausgeblendet.

Erstens: Bush als Kriegstreiber? Anderswo, auch in Frankreich, wird anerkannt, dass es ohne militärischen Druck nie zu den neuen Kontrollen gekommen wäre. Wenn es gelingt, Saddam ohne Krieg abzurüsten oder ins Exil zu treiben, dann dank Bush, nicht dank Schröder.

Irrtum Nummer zwei: Wenn die Inspekteure nicht überzeugendere Beweise für Massenvernichtungswaffen finden als leere Sprengköpfe und veraltete Unterlagen über ein Atomprogramm, dann sei Saddam nicht überführt, also kein Krieg. Chefinspekteur Blix sagt das Gegenteil: Die Beweislast liegt bei Saddam, er muss aktiv kooperieren und belegen, dass der Irak frei von verbotenen Waffen ist. Wenn nicht, bleibt es bei der Kriegsdrohung. Doch Blix findet in Deutschland offenbar nur Gehör, wenn er sagt, dass ein Krieg sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtfertigen lasse. Womit er Recht hat. Das aber kann sich ändern.

Irrtum Nummer drei: Eine Resolution, die militärische Gewalt autorisiert, finde im Sicherheitsrat keine Mehrheit. Paris und London halten sich alle Optionen offen, nur Berlin ist in jedem Fall dagegen. Sicher ist allein: Über eine zweite Resolution wird überhaupt nur abgestimmt, wenn klar ist, dass sie angenommen wird. Dann wäre Deutschland isoliert.

Irrtum Nummer vier: Bush bleibe nur noch die Wahl, im Alleingang einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen oder unverrichteter Dinge abzuziehen – eine öffentliche Niederlage. Dass ein Abzug ohne Krieg nur als Schlappe denkbar sei, ist deutsche Autosuggestion. Waffenzerstörung und Saddams Sturz, ohne das Leben amerikanischer GI’s zu riskieren, wären klare Erfolge für Bush. Und dass im Kriegsfall wirklich keiner mit ihm zieht, ist sehr unwahrscheinlich. Recht behält Schröder nur, wenn Saddam Abrüstung verweigert, an der Macht bleibt – und die UN Bush dennoch die Hände binden. Oder wenn Bush ohne Mandat Krieg führt und all die schlimmen Folgen eintreten, die der Kanzler an die Wand malt. Beides wäre aber kein Triumph, sondern ein böses Ende. Auch für Deutschland.

Schröders Problem ist, dass er sich den Weg verbaut hat, die Dialektik der amerikanischen Drohkulisse anzuerkennen. Sie kann zwar am Ende zum Krieg führen, ist aber kein ultimativer Beweis für Bushs Willen zum Krieg. Denn sie ist zugleich die unverzichtbare Bedingung für eine friedliche Abrüstung des Irak. Anders als Blair und Chirac hat Schröder sich geweigert, diesen Druck auf Saddam zu verstärken. Schlimmer, er hat ihn geschwächt, indem er diesen Ansatz als schießwütig brandmarkte. Und es versäumt, den verängstigten Bürgern den Zusammenhang von militärischem Druck und friedlichem Ausgang zu erklären. Er hat die öffentliche Debatte weit unter das Niveau gedrückt, das während der Konflikte um Kosovo und Afghanistan herrschte; auch dank dieses Kanzlers, der damals sagte, Deutschland sei bereit, Risiken mitzutragen und Verantwortung zu übernehmen.

Der Kanzler will den Deutschen einreden, er befinde sich in einer win-win-Situation: Er stehe gut da, wie immer es ausgeht. Tatsächlich hat er das Land in eine no-win-Situation gebracht. Hat Bush ohne Krieg Erfolg, dann nicht dank, sondern trotz Schröder. Gibt es eine zweite UN-Resolution, ist Berlin isoliert. Bleibt Saddam aufgerüstet an der Macht oder stürzt ein Krieg die arabische Welt ins Chaos – ein Trauerspiel. Vielleicht probiert Schröder es wieder mit Realpolitik?

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