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Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann muss vor dem Edathy-Untersuchungsausschuss am Donnerstag erneut aussagen.

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Update

Untersuchungsausschuss: SPD gerät im Fall Sebastian Edathy unter Druck

Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann muss heute vor dem Untersuchungsausschuss zum Fall Edathy des Bundestages erneut aussagen. Aber er ist nicht der einzige, der in Bedrängnis gerät.

Die Mitglieder hören den Namen nur ungern: Edathy-Untersuchungsausschuss. Das klingt, als wolle der Ausschuss klären, ob der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy sich wirklich im Zusammenhang mit Kinderpornografie strafbar verhalten hat. Das aber klären Gerichte. Tatsächlich geht es um die Frage: Wer wusste wann was? Wer hat Edathy möglicherweise über bevorstehende Ermittlungen gegen ihn informiert? Diese Fragen werden auch in der Sitzung am Donnerstag wieder im Mittelpunkt stehen. Und die Antworten könnten für den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann aber auch die gesamte SPD-Spitze zum Problem werden.

Wie ist die Ausgangslage?

Sie ist vor allem kompliziert. Und selbst die, die sich intensiv mit dem Fall beschäftigen, sagen: Man weiß nicht, wem man glauben soll. Kurzer Rückblick: Im Oktober 2013 erfuhr der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Klaus-Dieter Fritsche vom Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, davon, dass Sebastian Edathy auf einer Kundenliste eines kanadischen Kinderpornoversands steht. Fritsche setzte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in Kenntnis, der wiederum informierte SPD-Chef Sigmar Gabriel, der seinerseits Frank-Walter Steinmeier und den heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann informierte. Oppermann versuchte sich telefonisch bei Ziercke zu erkundigen. Soweit bekannt und bestätigt. Aber wie ging es weiter?

Sebastian Edathy am 15. Januar vor dem Untersuchungsausschuss.
Sebastian Edathy am 15. Januar vor dem Untersuchungsausschuss.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Knackpunkt ist der SPD-Parteitag in Leipzig am 15. November 2013. Sebastian Edathy erklärte vor dem Untersuchungsausschuss, er sei an diesem Abend in der Raucherlounge von Michael Hartmann über den Verdacht gegen ihn informiert worden. In der Folgezeit habe Hartmann ihn über den Stand der Dinge und den Gang der Akte Edathy fortlaufend informiert. Dabei habe Hartmann Ziercke als seine Quelle genannt. Hartmann dementierte das. Er habe nur aus dem Fernsehen von den kanadischen Ermittlungen erfahren. Er selbst habe keine Informationen zu den Verdächtigungen gegen Edathy gehabt. Oppermann wiederum habe sich zwar an ihn gewandt, allerdings nur mit der Bitte, sich um Edathy wegen dessen schlechten gesundheitlichen Zustands zu kümmern. Auch Oppermann beteuert, der Verdacht gegen Edathy habe in dem Gespräch mit Hartmann keine Rolle gespielt.

Wie eng wird es für Hartmann?

Hartmann, der am Donnerstag zum zweiten Mal befragt wird, steht vor etlichen Problemen. Da sind die Zeugen der Anhörung vergangene Woche. Zwei ehemalige Büroleiter von Sebastian Edathy haben dessen Version in Teilen bestätigt. So habe Edathy ihnen gesagt, dass Hartmann ihn über den Verdacht in Kenntnis gesetzt habe. Schwerwiegend für Hartmann ist die Aussage von Jens Jenssen. Der war Mitarbeiter von Hartmann und später Vertrauter Edathys. Er gab an, dass Hartmann ihn auf dem SPD-Bundesparteitag am 15. November in Leipzig ebenfalls über den Verdacht gegen Edathy informiert habe – und zwar bevor Hartmann Edathy in der Raucherlounge getroffen habe.

Für Hartmann ist das problematisch. Entweder lügt der Zeuge oder Hartmann hat bei seiner ersten Anhörung doch die Unwahrheit gesagt, was strafrechtlich relevant wäre. Außerdem bestätigte der Präsident des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz, Wolfgang Hertinger, dass Hartmann mehrfach versucht habe, sich telefonisch über die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem kanadischen Kinderpornoversand zu infomieren.

In der SPD rücken sie nun immer weiter von Hartmann ab. Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) sagte, es gebe viele Fragen. Auch in seinem Landesverband fordern sie Aufklärung von Hartmann. Einen offenen Mandatsverzicht, wie ihn die CSU von Hartmann fordert, verlangt in der SPD offen noch keiner. Aber hinter vorgehaltener Hand sagen die meisten: Er ist am Ende. Die mit dem Fall eng vertraut sind, haben sich eine Kontaktsperre mit Hartmann vor dessen Befragung auferlegt. Er steht ohnehin in der SPD-Fraktion unter strenger Beobachtung, nachdem er vor einigen Monaten zugegeben hatte, im Herbst 2013 die Droge Chrystal Meth konsumiert zu haben. Seine innenpolitischen Ämter hatte er damals niedergelegt.

Dementiert Hartmann das Gespräch mit Jenssen, bleibt es dabei, dass Aussage gegen Aussage steht. Gibt er das Gespräch zu und korrigiert seine erste Aussage, umgeht er zwar, wegen Falschaussage vor dem Ausschuss belangt zu werden, aber dann könnte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Strafvereitelung dennoch aktiv werden.

Ist Edathy aus dem Schneider?

Nein. Zwar stützen mehrere Zeugen Teile seiner Aussagen. In einigen Punkten aber auch nicht. So konnten beispielsweise seine ehemaligen Büroleiter die Darstellung Edathys, dass Hartmann ihn fortlaufend informiert habe und dass Ziercke Hartmanns Quelle sei, nicht bestätigen. Für Edathy selbst ist aber ohnehin dass Strafverfahren relevanter. Es beginnt am Landgericht Verden Ende Februar.

Was ist mit Ziercke?

Der hat bei seiner Befragung einen sehr souveränen und weitestgehend widerspruchsfreien Auftritt hingelegt. Dass er wirklich die Topquelle für Hartmann gewesen sei, ist unwahrscheinlich. Allerdings könnten möglicherweise doch Informationen aus dem BKA über Umwege bei Edathy gelandet sein.

Wie agiert die Ausschussvorsitzende Högl?

Für sie ist der Ausschuss eine schwierige Angelegenheit. Immer wieder wird, logischerweise, die Nähe zu Hartmann und Edathy deutlich. Schließlich arbeitete sie als Innenpolitikerin eng mit beiden zusammen. Zudem ist sie Teil der Fraktionsspitze der SPD. In der Vernehmung Edathys war sie allerdings sehr kritisch und hart. Auch bei Hartmann. Nur in der anschließenden Bewertung hat sie sich früh – möglicherweise zu früh – auf die Seite Hartmanns gestellt. Unter anderem das hat ihr den Vorwurf eingebracht, befangen zu sein und die SPD schützen zu wollen. Nach der Anhörung am vergangenen Donnerstag kam sie auch nicht umhin, zurückzurudern und Zweifel an Hartmann laut werden zu lassen. Diese wiederholte sie auch im ZDF-Morgenmagazin. "Michael Hartmann hat bei seiner letzten Vernehmung offensichtlich nicht alles erzählt", sagte sie. Die SPD-Politikerin betonte: "Vor dem Untersuchungsausschuss gilt die Wahrheitspflicht."

Gerät die SPD-Spitze nun in Probleme?

Im Prinzip hat sie die schon. Denn der Ausschuss wird immer mehr zu einem Fall SPD. Der Versuch führender Sozialdemokraten, zunächst Edathy und nun auch Hartmann als wirre Einzelpersonen darzustellen, mit deren Handeln die Spitze nichts zu tun habe, gerät ins Wanken. Aus den Befragungen wird jedes Mal klar, wie viele Leute von den möglichen Ermittlungen gegen Edathy gewusst haben. Nach jeder Untersuchungsausschuss-Sitzung kamen weitere hinzu. So wurde auch Johannes Kahrs vergangenen Donnerstag vernommen. Und der SPD-Abgeordnete sprach selbst von „Gerüchteküche“. Allerdings offenbarte Kahrs an den entscheidenden Stellen immer wieder fragwürdige Erinnerungslücken.

Sollte Hartmann tatsächlich zugeben, von dem Verdacht gegen Edathy gewusst zu haben, stellt sich die Frage: woher? Und warum informierte er zunächst andere als Edathy? Warum bohrte er mehrfach beim LKA Rheinland-Pfalz nach? Hatte er vielleicht doch einen Auftrag von Oppermann, der über die Sorge um das gesundheitliche Befinden Edathys hinausging? In der SPD weist man das als absurd zurück. Am Ende steht nur die Frage: Wer lügt mehr – und besser?

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