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Untersuchungsausschuss zum Fall Edathy: Ungeklärte Fragen

Der Fall Edathy bekommt jetzt einen Untersuchungsausschuss. Welche Ergebnisse kann er bringen?

Die so genannte Edathy-Affäre hat die große Koalition gleich zum Amtsantritt im vergangenen Jahr mächtig ins Schlingern gebracht. Mit einem Untersuchungsausschuss will der Bundestag der Sache nun auf den Grund gehen. Am Mittwoch konstituierte sich das achtköpfige Gremium nach langer Vorbereitung, am Freitag tagt es zum ersten Mal.

Worum geht es?

Um Ermittlungspannen, die Weitergabe von Dienstgeheimnissen, politische Kumpelei – und das alles in Zusammenhang mit dem einstigen SPD-Politiker Sebastian Edathy, dem der Besitz kinderpornografischen Materials vorgeworfen wird. Im Kern wollen die Abgeordneten wissen, weshalb das Bundeskriminalamt (BKA) die Festplatte mit Bestellungen, auf der sich auch Edathys Name befand, zwei Jahre lang unbearbeitet ließ, wie es zu der offenbar unkontrollierten Weitergabe von Daten und Informationen auch in politische Kreise kam, ob und von wem der Beschuldigte gewarnt und wie mit einem früheren BKA-Beamten umgegangen wurde, dessen Name sich ebenfalls auf der Liste befand.

Mit welchem Kalkül gehen die Fraktionen in den Ausschuss?

Der Untersuchungsausschuss gilt als Schwert der Opposition. Grüne und Linkspartei haben die Initiative ergriffen, mit ihren Voten hat der Bundestag die Einsetzung beschlossen. Union und SPD versprachen zwar, aktiv mitzuarbeiten, enthielten sich aber der Stimme. Und die frisch gekürte Vorsitzende Eva Högl – als zweitgrößte Fraktion hatten die Sozialdemokraten das Zugriffsrecht auf den Chefposten – bekräftigte nochmals ihre Auffassung, dass es den Ausschuss „nicht gebraucht hätte“. Aus Sicht der SPD-Politikerin wurden die wesentlichen Fragen bereits im Innenausschuss geklärt. Die Union sieht das ähnlich, will den Ausschuss aber nutzen, um grundsätzliche Probleme in der Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden zu klären. Außerdem geht es ihr darum, „Verschwörungstheorien“ den Boden zu entziehen. Eine „Verunglimpfung“ des Bundeskriminalamtes werde es nicht geben, sagte ihr Obmann Armin Schuster.

Dass die SPD  den Ball flach zu halten versucht, ist nicht verwunderlich. Aus ihren Reihen kommt Edathy , ihr Spitzenpersonal war bei der Informationsweitergabe zuvorderst involviert, ihren Fraktionschef Thomas Oppermann hätte der Anruf bei BKA-Chef Jörg Ziercke politisch fast den Kopf gekostet. Und das Innenministerium in Hannover, wo die Staatsanwaltschaft gegen Edathy ermittelt, ist auch in SPD-Hand. Die Union wiederum sitzt über ihren einstigen Bundesinnenminister mit im Boot. Hans-Peter Friedrich (CSU) trifft der Vorwurf des Geheimnisverrats, er erzählte dem SPD- Chef Sigmar Gabriel von den Vorgängen und musste deshalb dann auch sein Folgeamt als Agrarminister aufgeben.

Doch auch die Opposition hat ihre Probleme. Ganz ohne politische Rücksichtnahme kann nur die Linkspartei in den Ausschuss gehen – worauf ihr Obmann Frank Tempel gerne verweist. Die Grünen dagegen sind daran interessiert, die Untersuchung nicht allzusehr ins Niedersächsische schwappen zu lassen. Dort nämlich stellen sie mit Antje Niewisch-Lennartz die Justizministerin – was spätestens bei Fragen nach dem korrekten Verhalten der dortigen Staatsanwaltschaft eine Rolle spielen könnte. Es könne „nicht Aufgabe des Bundestages sein, Verfahrensfragen in Niedersachsen zu klären“, stellte Grünen-Obfrau Irene Mihalic schon mal klar. Wobei sie nicht verhindern konnte, dass auf Drängen der Union im Untersuchungsauftrag nun ausdrücklich auch die Frage nach dem Umgang und Zusammenwirken des Bundeskriminalamts mit den niedersächsischen Landesbehörden auftaucht.

Auch Edathy will aussagen

Wer wird befragt und wie viele Sitzungen wird der Ausschuss benötigen?

Grundsätzlich geeinigt haben sich die Beteiligten bisher nur auf ein chronologisches Vorgehen. Das bedeutet, dass zuerst diejenigen dran sind, die etwas zur Übergabe der Festplatte mit den Bestellungen kinderpornografischen Materials an das BKA sagen können – und dass die Plauderei zwischen Ermittlern und Politikern eher am Schluss stehen wird. Als Zeugen kämen vor allem diejenigen in Betracht, die bereits dem Innenausschuss Rede und Antwort gestanden haben, sagt Högl. Ziercke wird mit Sicherheit dabei sein, Friedrich und Oppermann ebenso, auch mit einer Ladung Sigmar Gabriels ist zu rechnen. Und auf eine spätere Einvernahme Edathys hoffen ohnehin alle – auch wenn sie nicht sicher sind, ob dabei viel herauskommt. Die Frage, ob und von wem er vorab Hinweise erhielt, müsse man ihm einfach stellen, sagt Mihalic – zumal sich Edathy schon bereit erklärt hat, vor dem Ausschuss aufzutreten. Kontakt zu dem Beschuldigten habe man derzeit aber nicht, berichtet die SPD-Politikerin Högl, die mit ihm im NSU-Untersuchungsausschuss eng zusammenarbeiten durfte. In der ersten Sitzung am Freitag sollen schon mal erste Beweisanträge formuliert werden – damit die Akten während der Sommerpause beschafft werden können. Richtig los geht es mit den Befragungen dann im September Die Sitzungen sind öffentlich, getagt wird voraussichtlich mittwochs. Und aus der Sicht von Grünen und Linken könnte die Sache mit sechs bis acht Sitzungen gegessen sein. Sie habe kein Interesse daran, die Sache „ausufern zu lassen“, versicherte Mihalic. Bei der SPD dagegen sind sie überzeugt, dass das nicht reichen wird. Die Arbeit werde schon ein Jahr in Anspruch nehmen, meint Högl. Ihr Ziel sei es, bis zur Sommerpause 2015 fertig zu sein.

Was ist inhaltlich zu erwarten?

In einem Untersuchungsausschuss können Abgeordnete ganz anders zur Sache gehen als bei den Befragungen im Innenausschuss. Sie können das Erscheinen von Zeugen erzwingen, Akten anfordern – und Falschaussagen sind, wie vor einem Gericht, mit Strafe bedroht. Allerdings rechnet selbst die Linke nicht damit, dass sich letztgültig klären lässt, wer welche Informationen wann und wem weitergegeben hat. Es gehe um Grundsätzliches , sagt Tempel. Die Frage etwa, ob ein Innenminister Ermittlerinformationen aus welchen Gründen auch immer weitergeben dürfe. Oder: Wo es „strukturelle Lecks“ gebe und wie man sie beseitigen könne? Womöglich erfahre die Politik ja auf diese Weise, wie das BKA mit sensiblen Informationen umgeht, wie lange sie liegen bleiben, warum die Weitergabe nicht schneller geht, wer Kenntnis davon erhält, welche Schutzmechanismen es gibt, wie sich die Zusammenarbeit mit den Länderbehörden verbessern lässt. Bloß nicht ins alte „Schwarze-Peter- Spiel“ zurückfallen, warnt der Linken-Obmann. Das klingt nicht nach übermäßigem Polit-Gerangel. Denn was die Union an Zielvorgaben nennt, klingt sehr ähnlich. Es gehe darum, Fehlerverkettungen und Pannen aufzudecken, um sie künftig zu vermeiden, sagt Schuster. Zudem biete der Ausschuss eine Möglichkeit, die unglaublichen Dimensionen von Kinderpornografie, den enormen Ermittleraufwand und die strafrechtliche Problematik medial deutlich zu machen. Was auch für den Fall, dass nichts Skandalträchtiges aufgedeckt würde, nicht wenig wäre.

Rainer Woratscka

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