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Bodo Ramelow und Gregor Gysi

© Benjamin König

Unterwegs für Rot-Rot-Grün im Bund: Der Heimspieler: Wie Gregor Gysi die Linke retten will

Gregor Gysi, Chef der Linksfraktion im Bundestag, macht sich unentbehrlich als Kämpfer für Rot-Rot-Grün. Die denkbare Wahl eines linken Regierungschefs in Thüringen ist dafür ein Zwischenziel.

Von Matthias Meisner

Gregor Gysi muss gar nicht so tief in den Westen reisen, um mit einer schwächelnden Linkspartei konfrontiert zu sein. Nach Langen zum Beispiel, eine Stadt auf halbem Weg zwischen Frankfurt und Darmstadt. Engagierte Schüler und Lehrer haben den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag für die Reihe „Politischer Salon“ am dortigen Gymnasium gewonnen. Ein örtlicher Linken-Aktivist wartet mit einem Blumensträußchen aus seinem Garten auf Gysi, den Star der Partei aus Berlin. Im Stadtparlament aber ist die Linke nicht mehr vertreten, ihr einziger Stadtverordnete ist vor ein paar Wochen nach Streit mit seinen Genossen zu den Grünen gewechselt.

Was nun nicht heißt, dass Gysi in Hessen, wo es die Linke im vergangenen Herbst wieder knapp in den Landtag geschafft hat, nicht willkommen ist. In Langen scheint er sogar sehr willkommen zu sein. Ein blauer Teppich ist ausgerollt, das Stadtfernsehen überträgt live, die Schülerinnen haben sich schick gemacht und fast alle Jungs tragen weiße Hemden. In der ersten Reihe im Publikum sitzen der Bürgermeister, ein SPD-Mann, auch der Erste Stadtrat, ein Grüner, ist da. Das Thema des Gesprächs: „Wie viel ,links’ braucht und verträgt die Republik?“

Würde die Frage etwas anders lauten und direkt bezogen sein auf Gysi, wäre die Antwort eindeutig. Den verträgt die Republik sehr gut, wie sich nicht nur bei seinem Auftritt an der Dreieichschule zeigt. Und ob er gebraucht wird? Zumindest unternimmt Gysi selbst eine Menge, um auf absehbare Zeit unentbehrlich zu bleiben. Unter den Politikern seiner Partei kann er Säle füllen wie sonst nur Sahra Wagenknecht, Heimspiel-Atmosphäre schaffen, egal, ob er nun im Westen oder im Osten der Republik auftritt.

Gysi will möglich machen, was einige in seiner Partei unmöglich machen wollen: Rot-Rot-Grün 2017 im Bund. Die Chance treibt ihn an. Deshalb wird womöglich auch die nach der Bundestagswahl zwischen den Spitzenpolitikern der Linken getroffene Verabredung revidiert, nach der die Fraktionsführung im Herbst 2015 an das Duo Sahra Wagenknecht/Dietmar Bartsch wechselt und Gysi sich aus der ersten Reihe zurückzieht.

"Das reizt mich ungemein", sagt Gregor Gysi über seinen Einsatz für Bodo Ramelow
"Das reizt mich ungemein", sagt Gregor Gysi über seinen Einsatz für Bodo Ramelow

© Peter Lahn/Linksfraktion Thüringen

Das wichtigste Zwischenziel auf dem Weg zur Regierungsbeteiligung im Bund wäre die Wahl eines linken Ministerpräsidenten, im Herbst in Thüringen scheint das möglich. Den Gymnasiasten in Langen erklärt Gysi, dass sich die Linke dafür mit Bodo Ramelow „einen aus dem Westen geholt“ habe, „schlau wie wir sind“. Er lobt die Detailkenntnis des Spitzenkandidaten und liefert den thüringischen Sozialdemokraten Argumente, warum sie sich als Juniorpartner der Linken besser fühlen würden als in der Regierung mit der CDU. „Bei uns wäre die SPD die besonnene Kraft, die immer verhindert, dass die Linken zu weit gehen.“

Ramelow soll sich auch mit SPD-Chef Gabriel getroffen haben

Tags darauf reist Gysi gut 200 Kilometer zurück nach Osten, Jahresempfang der thüringischen Landtagsfraktion. Der Saal am Innenhof des Erfurter Landtages und dem angrenzenden Saal ist rappelvoll. „Erstaunlich viele Leute“, sagt Gysi, und führt das gar nicht auf sich selbst als Gastredner zurück – sondern darauf, dass es jetzt „besonders spannend“ in Thüringen werde. Demgemäß kamen nicht nur, wie in den Vorjahren, Vertreter der Gewerkschaften, der Sozialverbände und aus der zweiten Reihe der Politik zu den Linken. Sondern zum Beispiel der CDU-Innenminister, die Grünen-Fraktionsvorsitzende und die Spitzenkandidatin der SPD, Sozialministerin Heike Taubert. Die will sich vor der Wahl nicht auf eine Koalition festlegen, schließt aber auch ausdrücklich nichts aus.

Bartsch: Die Wahl eines linken Ministerpräsidenten wäre "ein Segen"

Längst halten die Spitzenpolitiker aus SPD, Linkspartei und Grünen in Thüringen Gesprächskontakt. Versichert hat die Linkspartei dabei etwa, dass sie die stasibelasteten Landtagsabgeordnete Ina Leukefeld und Frank Kuschel auf keinen Fall in die Regierung berufen würde. Ramelow soll sich inzwischen auch mit SPD-Parteichef Sigmar Gabriel getroffen haben, um ihm den Reiz des „Erfurter Modells“ zu verdeutlichen. In Berlin sagt Fraktionsvize Bartsch: „Es wäre ein Segen, für die Linke, wenn wir einen Ministerpräsidenten stellen würden.“ Für die SPD wäre das „ein Sprung“, die Linke aber würde es „heftigst verändern, und das zum Positiven“.

Gysi sagt es auf dem Empfang in Erfurt so: Hätte er 1990 einen Gedanken an einen PDS-Ministerpräsidenten verschwendet, wäre er in die Psychiatrie eingewiesen worden. Große Koalitionen gebe es überall. „Seid etwas Besonderes in Thüringen – macht Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten.“

Von Samstag an macht Gysi Urlaub auf Sardinien, gleich danach will er sich persönlich voll in das Thüringen-Projekt reinhängen. Unbedingt möchte er auch ins Eichsfeld, wo 1990 Demonstranten in Worbis mit Kuhglocken versuchten, ihn an einer Rede zu hindern. Es ist eine linke Diaspora wie fast der ganze Westen, für Gysi nun aber eine „fantastische katholische Gegend“. Dann ruft er in den Saal: „Ach, das reizt mich ungemein. Und ihr tut mir damit auch ’nen Gefallen.“

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