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Die stellvertretende CDU- Bundesvorsitzende streitet energisch für eine gesetzliche Frauenquote, obwohl das in der Bundesregierung viele ablehnen.

© Mike Wolff

Ursula von der Leyen: „Die Frauenquote trägt dazu bei, unseren Wohlstand zu sichern“

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen spricht im Tagesspiegel-Interview über die Zukunft deutscher Unternehmen und unterschiedliche Auffassungen der Koalition zur Euro-Rettung und zum Mindestlohn.

Von
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Frau Ministerin, ausgerechnet in der Euro-Krise sendet die Koalition uneinheitliche Signale. Hat die Bundesregierung überhaupt noch einen gemeinsamen Kurs?

Natürlich. Wir sind fest entschlossen, in der Euro-Krise Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist die wichtigste Aufgabe. Wir müssen das Vertrauen stärken, dass die Euro-Zone zusammenhält, dass wir die notwendigen Reformen umsetzen und eine solide Haushaltspolitik betreiben. Das ist eine Herkulesaufgabe, aber wir stellen uns dieser Aufgabe.

Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) scheint Ihr Ziel nicht so wichtig zu sein. Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone schreckt ihn nicht.

Für Deutschland ist ganz klar, dass ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone dramatische Folgen hätte. Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, dann geht das nur in einem gemeinsamen Europa.

Bricht die Euro-Zone auseinander, wenn Griechenland austritt?

Griechenland ist weder Ursache noch Lösung der Euro-Krise. Es umfasst nur zwei Prozent des europäischen Bruttosozialproduktes. Es hat aber einen hohen Symbolwert. Verlieren wir Griechenland, dann würde sofort die Frage aufgeworfen, wer der Nächste ist. Und niemand sollte sich auch der Illusion hingeben, ein ausgeschiedenes Griechenland wäre für uns kein Problem mehr. Das Land würde so dramatisch verarmen, dass wir Europäer nicht tatenlos zusehen könnten.

Viele Deutsche beschleicht das Gefühl, sie müssten für einen Traum von Europa zahlen. Wo ist die Grenze erreicht?

Wir zahlen nicht für einen Traum von Europa. Wir zahlen im Augenblick für die Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Es war ein Fehler, eine gemeinsame Währung einzuführen, ihr aber keine politische Union an die Seite zu stellen, also verbindliche Vereinbarungen für eine gemeinsame Haushalts- und Finanzpolitik. Entscheidend ist jetzt, dass die Euro-Zone als Ganzes erhalten bleibt. Nur so werden wir im globalen Wettbewerb eine Chance haben. Es stimmt: Die Krise kommt uns teuer zu stehen. Aber viel teurer wäre ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone.

Die Deutschen werden aus dem Ausland gedrängt, noch mehr zu tun für die Rettung des Euro. Zu Recht?

Wenn ich im Ausland unterwegs bin, werde ich ständig gefragt, ob Deutschland zu Europa steht. Es irritiert unsere europäischen Partner und die Märkte, wenn in der Euro-Krise aus der deutschen Politik unterschiedliche Signale kommen. Deshalb halte ich es für existenziell wichtig, zu betonen, dass wir wissen, dass es uns immer gut gegangen ist, wenn es Europa gut ging, wenn es Spanien, Italien und den anderen Partnern gut geht und wir unverbrüchlich in Europa zusammenstehen.

Warum Neckermann, Quelle, Schlecker und Co. nicht der Auftakt zu einer neuen Krise sind

Die stellvertretende CDU- Bundesvorsitzende streitet energisch für eine gesetzliche Frauenquote, obwohl das in der Bundesregierung viele ablehnen.
Die stellvertretende CDU- Bundesvorsitzende streitet energisch für eine gesetzliche Frauenquote, obwohl das in der Bundesregierung viele ablehnen.

© Mike Wolff

Sie plädieren dafür, die Integration Europas voranzutreiben. Sind die Deutschen bereit, Souveränität an Europa abzugeben?

Wir können dadurch gewinnen. Schon jetzt sind wir die Profiteure Europas. Nehmen sie das Schengen-Abkommen. Wir haben Souveränität an die Außengrenzen der EU abgegeben und die Erfahrung hat uns gelehrt: Wir haben mehr Sicherheit gewonnen. Wenn wir in Zukunft eine starke Euro-Zone haben wollen, dann müssen wir gemeinsame Regeln der Haushaltsführung erarbeiten und Europas Wirtschaft widerstandsfähig machen.

Lässt das Grundgesetz die Souveränitätsübertragung, für die Sie plädieren, zu?

Das Grundgesetz hat eine wunderbare Präambel. Darin heißt es, das deutsche Volk sei von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. Das ist ein großer Gedanke. Unsere Gründungsväter und -mütter haben das weitsichtig angelegt. Der Spielraum des Grundgesetzes ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.

Deutsche Unternehmen spüren die ersten Krisenfolgen. Bereiten Sie sich auf die Möglichkeit vor, dass die Konjunktur deutlich eintrübt und wir mehr Arbeitslose bekommen?

Wir beobachten den Arbeitsmarkt sehr wachsam. Trotz der Risiken im Euro-Raum und dem unsicheren Umfeld, ist er nach wie vor in allen Daten robust und widerstandsfähig – aber die Dynamik lässt nach. Wir sind durch die Erfahrungen der letzten Krise gut gerüstet. Wir verfügen über bewährte Instrumente, die wir jederzeit abrufen können, etwa das Kurzarbeitergeld. Und noch etwas: Wir haben sehr genau geprüft, ob die Krisenmeldungen aus den Unternehmen Neckermann, Quelle, Schlecker Symptome für eine Trendwende sind. Die Tiefenanalyse hat gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist: Der Handel wächst. Die Probleme liegen in den Unternehmen selber.

Dissonanzen in der Koalition gibt es nicht nur im Hinblick auf das Schicksal Griechenlands. Ein weiteres Streitthema ist die Frauenquote für börsennotierte Unternehmen. Warum halten Sie an diesem Vorschlag so entschieden fest?

Trotz vieler freiwilliger Verpflichtungen in der Vergangenheit hat sich in der Konzernrealität fast nichts bewegt. Es ist eigentlich absurd, dass wir im Jahr 2012 bei einer so gut ausgebildeten weiblichen Bevölkerung, mit so brillanten Fachkräften am Arbeitsmarkt noch diskutieren müssen, ob ein Bruchteil der relevanten Führungspositionen in Vorstand und Aufsichtsrat mit Frauen besetzt wird.

Sie nennen die Realität absurd, aber die Koalition ist sich auch nicht einig …

Es geht nicht nur um die Politik. Ich verlange eine Erklärung dafür, warum die deutschen Unternehmen sich eigentlich so weit unter Wert aufstellen. Wir wissen aus internationalen Erfahrungen, dass divers zusammengesetzte Führungsebenen bessere Ergebnisse erzielen. Das liegt nicht daran, dass Frauen besser sind, sondern dass sie anders sind. Der vielfältige Blick auf Risiken und Entscheidungen führt zu besseren Ergebnissen – im Umsatz, bei den Arbeitsplätzen, aber auch im Börsenwert. Das ist eine Sprache, die die Wirtschaft eigentlich verstehen sollte. Ich finde, es ist an der Zeit, dass sich die Wirtschaft ganz oben in der Führung optimal aufstellt.

Warum von der Leyen für einen Mindestlohn kämpft

Die stellvertretende CDU- Bundesvorsitzende streitet energisch für eine gesetzliche Frauenquote, obwohl das in der Bundesregierung viele ablehnen.
Die stellvertretende CDU- Bundesvorsitzende streitet energisch für eine gesetzliche Frauenquote, obwohl das in der Bundesregierung viele ablehnen.

© Mike Wolff

Die FDP, Teile der Union und Ihre Nachfolgerin als Familien- und Frauenministerin, Kristina Schröder (CDU) stemmen sich gegen eine feste Quote.

Wir haben da unterschiedliche Positionen. Das lässt mich aber nicht wanken in meiner Überzeugung, dass wir in Deutschland agieren müssen, um uns global besser aufzustellen. Auch internationale Beobachter stellen fest, dass wir in Deutschlands Wirtschaft eine sehr homogene Führungsspitze haben. Ein Amerikaner brachte das auf die Formel: „Corporate Germany is an old white man“ (Die deutsche Wirtschaft ist ein alter weißer Mann, Anmerkung der Red.). Das ist keine attraktive Visitenkarte für dieses Land. Wir sind aber angewiesen auf einen guten internationalen Ruf, wir sind angewiesen darauf, dass wir exzellente Fach- und Führungskräfte aus dem Ausland anziehen.

Verstehen wir Sie richtig, für Sie ist die Frauenquote auch ein Mittel der Konjunkturförderung in Deutschland?

Ja, die Frauenquote macht Deutschland nicht ärmer, sondern trägt dazu bei, unseren Wohlstand zu sichern.

Wird die CDU im Bundestagswahlkampf 2013 mit der Frauenquote werben?

Ich hoffe, dass wir das Thema vorher zu einer Lösung gebracht haben.

Auch über das Thema Mindestlohn ist die Koalition uneins. Thüringen hat eine großkoalitionäre Initiative im Bundesrat angekündigt, die die FDP scharf kritisiert hat.

Ich begrüße diese Initiative im Grundsatz. Weite Teile des thüringischen Vorschlags sind deckungsgleich mit dem Modell, auf das sich die Union geeinigt hat. Es gibt zwei Unterschiede: Es ist nicht tarifoffen, also die Lohnuntergrenze, die die Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaft festlegt, würde bestehende Tarifverträge brechen. Und es sind keinerlei Differenzierungen vorgesehen, zum Beispiel nach Branchen, Regionen oder für Jugendliche. Ich bin der Meinung, dass man der Kommission die Freiheit lassen sollte, solche Differenzierungen zu beschließen, wenn sie es für richtig hält. Aber gut ist, dass unser Kommissionsmodell Schule macht.

Sehen Sie bei der FDP denn Anzeichen, dass sie ihr striktes Nein aufweicht?

Wenn ich mit Liberalen über den Mindestlohn rede, so spüre ich Bewegung und Offenheit. Es steht nicht mehr das kategorische Nein im Raum. Das Nachdenken beginnt, nicht bei allen Liberalen, aber bei vielen. Auch die FDP sieht, dass die Tarifbindung in Deutschland sinkt, dass die Einkommen in Deutschland weiter auseinanderdriften und am unteren Ende immer weiter sinken. Wenn sich grundlegende Daten ändern, ist es doch ein Gebot der sozialen Marktwirtschaft, die Rahmenbedingungen anzupassen. Wer steht denn in der sozialen Marktwirtschaft für die Geringverdiener ein und handelt einen fairen Lohn aus? Das waren immer Gewerkschaften und Arbeitgeber. Und wenn sie das heute in ganzen Gebieten nicht mehr können, dann sollten wir ihnen in einer Kommission wieder den Rahmen dafür geben.

Europäerin

Ursula von der Leyen wurde 1958 in Brüssel geboren, wo sie mehr als zehn Jahre lebte. Ihr Vater Ernst Albrecht, der spätere niedersächsische Ministerpräsident, war hoher Beamter in den Vorgängerorganisationen der EU.

Ministerin

Die Mutter von sieben Kindern kam erst vor sechs Jahren in die Bundespolitik. Nach vier Jahren an der Spitze des Familienministeriums wurde sie 2009 Arbeitsministerin.

Kämpferin

Die stellvertretende CDU- Bundesvorsitzende streitet energisch für eine gesetzliche Frauenquote, obwohl das in der Bundesregierung viele ablehnen. Ihre Verbündete ist die Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion im Bundestag. In den unionsinternen Streit um das Betreuungsgeld, das sie entschieden ablehnt, mischt sich die frühere Familienministerin aber nicht mehr ein.

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