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Ursula von der Leyen

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Ursula von der Leyen muss sich festlegen: Braucht die Bundeswehr bewaffnungsfähige Kampfdrohnen?

Seit Jahren wird über die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr diskutiert. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die jetzt anstehende Entscheidung könnte für Ärger in der Koalition sorgen. Ein Pro & Contra.

Von Robert Birnbaum

Als die frisch ernannte Verteidigungsministerin den ersten Blitzbesuch bei der Truppe im Einsatz absolvierte, ging Ursula von der Leyen bestimmten Fotos aus dem Weg. Am schweren Maschinengewehr in der Ladeklappe einer Transportmaschine huschte Leyen in Masar-i-Sharif blitzschnell vorbei, und um die Drohne machte sie sogar einen großen Bogen. Dabei war der Motorsegler vom Typ Heron-1 mit seinen Kameras und Funksensoren das harmloseste Gerät in der ganzen Flugzeughalle.
Diese Woche muss sich Leyen festlegen, ob die Bundeswehr in die nächste Drohnen-Generation einsteigt – vom unbemannten Aufklärer hin zur bewaffnungsfähigen Kampfdrohne. Die Union ist dafür, die SPD zögert. Deshalb haben sich die Koalitionäre verständigt, dass der Verteidigungsausschuss am Montag erst einmal Experten hört. Doch die öffentliche Sitzung zeigt einmal mehr, dass Befürworter und Gegner bewaffneter Drohnen auf zwei völlig unterschiedlichen Ebenen diskutieren – die einen reden von der Gegenwart, die andern warnen vor der Zukunft.

Pro

Auf der Seite der Drohnen-Befürworter finden sich vor allem die Praktiker. Generalleutnant Hans-Werner Fritz gehört dazu, Chef des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, André Wüstner vom Bundeswehrverband, als parlamentarische Stimme der Soldaten der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus. Für sie ist eine mit Raketen bestückte Kampfdrohne nichts anderes als eine Kombination von zwei Fähigkeiten, die bisher nur getrennt zu haben waren: Nachhaltige Aufklärung einerseits, Luft- Nahunterstützung andererseits.

„Der Schutz ist für uns das zentrale Argument“

Schon seit langem beobachten in Afghanistan Aufklärungsdrohnen wie die Heron-1, was sich unten am Boden tut. Der Späher hoch oben in der Luft ist ständiger Begleiter der Bundeswehr-Patrouillen, die dadurch früher erkennen können, wo Gefahren lauern oder ihre Gegner in Gefechten sich verschanzen. Kommt eine Einheit in Bedrängnis, kann sie Kampfhubschrauber oder Kampfjets zu Hilfe rufen. Die brauchen allerdings Zeit, bis sie vor Ort sind. Eine Kampfdrohne könnte sofort eingreifen.

„Der Schutz ist für uns das zentrale Argument“, sagt denn auch Verbandschef Wüstner. Dass die Bundeswehr Kampfdrohnen als weltweite Killermaschinen nutzen könnte, wie es die USA tun, hält der Major mit Einsatzerfahrung im Kosovo und am Hindukusch für politisch ausgeschlossen. Königshaus ergänzt, er sehe weder bei Regierung und Parlament noch im deutschen Militär eine Tendenz, Drohnen leichtfertiger einzusetzen als andere Waffen, von extralegalen Tötungen ganz zu schweigen. Der FDP-Politiker wirbt ebenfalls mit dem Schutzargument: Ethische Bedenken etwa der Kirchen seien ehrenwert, aber es gebe keinen Grund, die eigenen Soldaten unnötig Gefahren durch „Fähigkeitslücken“ auszusetzen, die durch andere oder bessere Ausrüstung vermieden werden könnten. Zumindest was diese begrenzten Einsatz-Szenarien angeht, haben die geladenen Völkerrechtler ebenfalls keine prinzipiellen Einwände. Für Wolff Heintschel von Heinegg, Professor an der Frankfurter Viadrina, sind Kampfdrohnen nichts anderes als Kampfjets mit Pilotenkanzel am Boden. Der Gießener Völkerrechtler Thilo Marauhn kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass – alle sonstigen Kriegsregeln beachtet – gegen Drohnen in regulären bewaffneten Konflikten keine prinzipiellen Rechtsgründe sprechen. Sie könnten sogar helfen, zwischen Kämpfern und Zivilisten genauer zu unterscheiden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite das Contra zum Thema.

Die Position der Gegner hat Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) schon früher auf die Forderung gebracht: „Vom Ende her denken!“ Schörnig, sein Forscherkollege Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und der Anti-Drohnen-Aktivist Christoph Marischka bezweifeln gar nicht, dass die Bundeswehr Kampfdrohnen als kombinierte Späh- und Kampfmaschine zum Schutz ihrer Soldaten brauchen könnte. Sie bezweifeln aber, dass es dabei bleibt. Schörnig glaubt sogar, dass die heutigen Drohnen nur Vorboten einer „militärischen Revolution“ sind, an deren Ende Kampfroboter stehen, die selbständig über Leben und Tod entscheiden. „Dieses Veränderungspotenzial bewusst oder unbewusst klein zu reden und zu verkennen ist eine der größten Gefahren der aktuellen Debatte“, warnt der Friedensforscher.
Der Frankfurter Wissenschaftler sieht eine Art technische Zwangsläufigkeit am Werk. Schon heute verfügten mehr als 80 Staaten über Drohnen oder versuchten sich welche zu verschaffen. Spätestens wenn Drohnen nicht mehr in Drittwelt-Konflikten zum Einsatz kämen, sondern in Kriegen zwischen hoch gerüsteten Staaten, würden Eigenschaften wie Geschwindigkeit und Radar-Tarnung entscheidend. Der Mensch am fernen Steuerbunker werde dann schon deshalb das „schwächste und langsamste Glied“ im System, weil selbst Satellitendatenverbindungen ein, zwei Sekunden brauchten. Die tödliche Entscheidung der Maschine selbst zu überlassen sei dann geradezu zwingend – zumal schon heute „Assistenzsysteme“ im Einsatz seien, die etwa durch Gesichtserkennung oder Handyortung Zielpersonen identifizierten.

„So würde der Drohneneinsatz letztlich seine Ziele selbst erschaffen – zusätzliche Gegner“

Auch SWP-Experte Dickow hält den „Pfad in die Autonomie“ für technisch unaufhaltbar. Der Forscher sieht freilich schon beim heutigen Drohnen-Einsatz Gefahren, die die Vorteile zumindest teilweise aufwiegen könnten. Untersuchungungen von Menschenrechtsorganisationen legten die Vermutung nahe, dass die hör- und sichtbaren Drohnen auf die Bevölkerung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet als unberechenbare Drohung wirkten und sie gegen die fremden Soldaten aufbrächten: „So würde der Drohneneinsatz letztlich seine Ziele selbst erschaffen – zusätzliche Gegner“.
Marischka von der linken „Informationsstelle Militarisierung“ hält das in gewisser Weise sogar für Absicht: Der US-„Krieg gegen den Terror“ stehe für eine „interventionistische Strategie“ entgrenzter Konflikte, für die Kampfdrohnen wie geschaffen seien – umgekehrt schaffe sich das Mittel Drohne weltweite Gefechtsfelder sozusagen selbst.
So weit gehen Schörnig und Dickow nicht. Der HSKF-Forscher plädiert nicht direkt gegen die Aufrüstung der Bundeswehr, rät aber dringend dazu, mit gutem Beispiel voran zu gehen. So sollten Staaten sich verpflichten, bewaffnete Drohnen nur zum Eigenschutz einzusetzen; denkbar wären auch gezielte Beschränkungen in Reichweite oder Zuladung. Deutschland, fordert Schörnig, sollte seinen guten Ruf in Abrüstungsfragen nutzen, um die Rüstungskontrolle hier frühzeitig auch international voran zu bringen. Sein Forscherkollege Dickow ist skeptischer, was die Chancen der politischen Einhegung des technischen Fortschritts angeht: Er warnt vor einem „Anpassungsdruck“, dem die Bundeswehr allein schon durch ihre Nato-Partner ausgesetzt sein werde. Da sei es besser, gar nicht erst in Systeme einzusteigen, „die einen vorgezeichneten Pfad in Richtung Autonomie aufweisen“.

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