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Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Auskunftsanspruch von Journalisten ist ein Grundrecht

Wenn Medien den Behörden kritische Fragen stellen, erhalten sie oft keine Antwort. Das Bundesverwaltungsgericht hatte über einen solchen Fall zu entscheiden. Die Richter haben den Auskunftsanspruch eines Journalisten abgelehnt. Und die Pressefreiheit trotzdem gestärkt. Wie geht das?

Vor dem Bundesverwaltungsgericht stand am Mittwoch erstmals die Frage zur Debatte, ob Journalisten ein Auskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden haben. Ein Reporter der „Bild“-Zeitung hatte vom Bundesnachrichtendienst (BND) Antwort auf seine Fragen verlangt. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben. Denn bisher waren die Gerichte davon ausgegangen, dass Pressevertretern ein solcher Informationsanspruch nach den Landes-Pressegesetzen zusteht.

Warum wies das Gericht die Klage im konkreten Fall ab?

Unabhängig vom generellen verfassungsrechtlichen Informationsrecht, das allerdings nur einen „Mindeststandard“ gewähre, habe es sich nicht um den Wunsch nach einer Auskunft, sondern eher um einen Untersuchungsauftrag gehandelt, sagte der Vorsitzende Richter Werner Neumann. Die Behörde sei jedoch nicht verpflichtet, Informationen zu beschaffen, über die sie aktuell nicht verfüge. Die erbetene Auskunft müsste zudem mit „erheblichem Aufwand“ in den alten Personalakten des beklagten Nachrichtendienstes recherchiert werden.

Warum haben Journalisten bei Bundesbehörden kein Presserecht auf Auskunft?

Die Leipziger Richter betonten, den Ländern fehle es an der Gesetzgebungskompetenz, um Behörden des Bundes zu verpflichten und Auskunftsansprüche verbindlich zu regeln. Für den BND habe der Bund die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis. Nur er könne das Informationshandeln der Behörde gesetzlich festschreiben. Gegenüber Journalisten habe der Bund von dieser Befugnis aber keinen Gebrauch gemacht. „Diese Lücke musste geschlossen werden“, sagte der Vorsitzende Richter. Sie werde nun durch das grundgesetzliche Auskunftsrecht gefüllt.

Ist das Urteil gut für die Pressefreiheit?

Ob die Pressefreiheit eher gestärkt oder geschwächt sei, ließ ein Gerichtssprecher nach Verkündung des Urteils offen. Der Anwalt des Klägers, Christoph Partsch, sprach dagegen von einem „großen Erfolg für die Pressefreiheit“, weil der Auskunftsanspruch unmittelbar aus der Verfassung nun anerkannt sei. „Die Bundesbehörden bleiben zur Auskunft verpflichtet“, sagte Partsch. Trotzdem kündigte er an, für seinen Mandanten voraussichtlich eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erheben zu wollen. Er sei überrascht, dass die Anfrage seines Mandanten nicht als journalistischer Auskunftsanspruch behandelt worden sei. Die erbetenen Informationen lägen in der Behörde vor, sie müssten nur zusammengeführt werden.

Kam das Urteil überraschend?

In der bisherigen Rechtsprechung der Gerichte war ein landesgesetzlicher Auskunftsanspruch auch gegenüber den Bundesbehörden stets anerkannt. Aus dem Haus von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war allerdings überraschend der Vorstoß gekommen, diese Praxis vor dem Bundesverwaltungsgericht infrage zu stellen. Friedrichs Ministerium hatte sich auch dagegen gesperrt, einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Informationen anzuerkennen. Deshalb war er mit seiner Intervention nur teilweise erfolgreich. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hatte den Vorstoß des Innenministeriums als unverständlich kritisiert.

Wie es zu dem Rechtsstreit kam

Wie kam es zu dem Rechtsstreit?

2010 trat der „Bild“-Journalist Hans-Wilhelm Saure an den BND heran. Ihn interessierte, wie viele NS-belastete Mitarbeiter der Geheimdienst zwischen 1950 und 1980 beschäftigte, sowohl im hauptamtlichen Dienst wie als inoffiziell Tätige. Die Behörde sollte dafür die alten Personalakten auswerten und nach Hinweisen auf SS, Gestapo und NSDAP suchen.

Der BND reagierte, wie es bei ihm nicht unüblich ist: durch Schweigen. Ansonsten wurde erklärt, die Recherche sei zu aufwendig. Außerdem forsche bereits eine eigens eingesetzte Historikerkommission zum Thema. Damit würde den Informationspflichten der Öffentlichkeit Genüge getan. 2011 hatte der Reporter das Warten satt und erhob eine sogenannte Untätigkeitsklage, für die in erster und letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist.

Welche Position bezog die Bundesregierung in dem Streit?

Durch die Einmischung des Innenministeriums wurde der Prozess zu einem ungewöhnlichen Fall. Der sogenannte Vertreter der Bundesinteressen beim höchsten Verwaltungsgericht, der im Innenministerium angesiedelt ist, reichte eine unerwartete Stellungnahme ein: Die Landespressegesetze könnten den Bund und seine Behörden zu nichts verpflichten. Bundeskriminalamt, Bundesrechnungshof, Kanzleramt, Präsidialamt, die Ministerien – sie alle wären von den in den Landesgesetzen statuierten Informationspflichten befreit. Zugleich könnten sich die Journalisten auch nicht auf die Pressefreiheit berufen. Sie sei ein klassisches Abwehrrecht, etwa wenn die Exekutive Einfluss auf Berichterstattung nehmen will, gewähre aber keine Leistungsansprüche.

Die Stellungnahme des Bundesinteressen-Vertreters beruht auf einem sieben Jahre alten wissenschaftlichen Aufsatz des Juristen Jan Hecker, der zu dieser Zeit seinen Dienst als Ministerialrat im Innenministerium versah. Es ist auch kein Geheimnis, dass die vor Gericht abgegebene Stellungnahme eins zu eins das ist, was von Minister Friedrichs Verfassungsabteilung für diesen Rechtsstreit vorgegeben worden war. Man kann sich schwer vorstellen, dass die Position nicht zuvor mit dem Minister abgestimmt worden war.

Wie auskunftsfreudig waren die Bundesbehörden bisher?

Das richtete sich nach ihrer Zuständigkeit. Ein Bundeskriminalamt oder ein Bundesamt für Verfassungsschutz müssen qua Aufgabe Wert auf Geheimschutz legen. Auch in allen Behörden, die mit Finanzen oder Finanzkontrolle zu tun haben, ist man traditionell zugeknöpft. Deutlich mehr Praxis haben natürlich die Ministerien. Auskunftswünsche der Presse werden dort üblicherweise erfüllt, ohne dass auf die Rechtslage hingewiesen werden müsste. Knifflig wird es, wenn man nach Fakten fragt, die der Leitung aus politischen oder sachlichen Gründen unangenehm erscheinen. So kann es dann zu Klagen vor den Gerichten kommen, wenn Angaben verweigert werden.

Wie haben sich die Gerichte bisher verhalten?

Im Großen und Ganzen transparenzfreundlich. Zuletzt wurde das deutlich, als ein Journalist das Bundesfinanzministerium auf Auskünfte über Geldflüsse an eine Anwaltskanzlei befragte, bei der der frühere Minister und heutige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) später als Redner auftrat. Umstandslos gab das Berliner Verwaltungsgericht dem Ersuchen statt. 1995 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg klargestellt, dass das hiesige Landespressegesetz die Bundesbehörden mitumfasst – schließlich spreche es ganz allgemein von „Behörden“, die nach dem Gesetz zur Auskunft verpflichtet seien.

Unterhalb der Verfassungsrechte gibt es neben den Pressegesetzen der Länder noch die Informationsfreiheitsgesetze. Seit 2006 gilt eines für den Bund, auch die meisten Länder haben welche erlassen. Die Informationsfreiheitsgesetze gelten nicht nur für Journalisten, sondern jeder Bürger hat mit ihnen Zugang zu amtlichen Informationen.

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