zum Hauptinhalt
Der Deutsche Bundestag muss Unterlagen zur Plagiatsaffäre um den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) herausgeben. Die Bundestagsverwaltung müsse Zugang zu den Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste gewähren, urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag. Das Bild zeigt zu Guttenberg im März bei einer Konferenz in München.

© picture alliance/SZ

Urteil gegen Bundestagsverwaltung: Auskunftsrechte sind ein hoher Wert für alle

Ausgerechnet die Bundestagsverwaltung wehrte bislang an Journalistenanfragen ab, was irgendwie ging. Nun hat ein Gericht entschieden: Unterlagen zu Guttenbergs Plagiatsaffäre müssen herausgegeben werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die Wissenschaftlichen Dienste (WD) kennt kaum einer außerhalb des Parlamentarierzirkels, dennoch sind sie ein wichtiger Dienstleister der Volksvertreter. Dort erhalten sie unabhängige, parteipolitisch neutrale und insbesondere von Wirtschafts- und sonstigen Interessengruppen ungefärbte Informationen, die sie als Grundlage ihrer politischen Entscheidungen verwenden können.

Warum sollen die Abgeordneten mehr wissen als die, die sie vertreten?

Der hohe Wert, der damit für die Abgeordneten beschrieben ist, beschreibt auch den für die Öffentlichkeit: Warum sollen Volksvertreter mehr wissen als die, die sie vertreten? Darauf gibt es eigentlich nur eine Antwort: weil es schon immer so war. Es ist ein Monopol, das irgendwann fallen musste. Seit Jahren drückt sich die Exekutive darum herum, den Transparenzansprüchen aus dem Informationsfreiheitsgesetz (wie aus den presserechtlichen Auskunftsansprüchen) die nötige Geltung zu verschaffen. So meinte die Regierung bis zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, ausgerechnet ihr amtliches Handeln sei vor der Öffentlichkeit geschützt. Ein Irrtum. Auch die Parlamentsverwaltung macht da keine Ausnahme, im Gegenteil. Abgesehen von der Unsitte, aktuelle journalistische Anfragen erst nach mehreren Tagen oder Wochen zu beantworten, wehrt sie grundsätzlich alles ab, was Bürger oder Journalisten über ihre Volksvertreter so wissen wollen: etwa, welche Lobbyisten sie in ihren Büros besuchen, welche Diskussionen sie in den Ausschüssen führen, mit welchen Strafverfahren die Abgeordneten belastet sind, was sie mit ihren Arbeitsmittelpauschalen anstellen und dergleichen. Für alles soll man vor Gericht ziehen müssen (hier geht es zur aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Herausgabe von Unterlagen des Wissenschaftlichen Dienstes, die in der Guttenberg-Affäre relevant sind).

Auch die Bundestagsverwaltung wehrt alles ab, was Journalisten wissen wollen

Es ist ein eigenartiges Verständnis des Abgeordnetendaseins. Gewiss muss der einzelne Mandatsträger vor Ausforschung geschützt, die Freiheit garantiert sein, sich politisch zu betätigen, es zu unterlassen oder auch eins von beidem zu verheimlichen. Aber darum geht es nicht. Es geht um Informationen, die, wie bei den Gutachten, losgelöst sind von der Einzelperson. Der Parlamentarier ist schützenswert, nicht das Parlament an sich. Der parlamentarische Öffentlichkeitsgrundsatz muss weiter reichen als nur bis in Plenardebatten, sonst ist er nichts wert.

Die Angst ist groß unter den Abgeordneten, dass sie nun nicht mehr unbefangen fragen können, dass sie nun unter Beobachtung stehen. Doch Öffentlichkeit und Diskussion sollten das Letzte sein, was ein Parlamentarier scheut. Außerdem: Information ist die einzige Ressource, die sich vermehrt, wenn man sie teilt. Je klüger die Fragen der Abgeordneten, je besser die Gutachten, desto größer der wissenschaftliche Dienst am Gemeinwohl. Welcher Politiker will dagegen sein?

Zur Startseite