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Silvio Berlusconi sieht sich als milden Helfer in der Not, nicht als Straftäter. Im Prozess gegen ihn ist der ehemalige Regierungschef bisher nur einmal persönlich erschienen.

© REUTERS

Update

Urteil gegen Silvio Berlusconi am Nachmittag erwartet: Gericht zieht sich zu Beratungen im „Ruby“-Prozess zurück

Im Strafprozess gegen Italiens Ex-Regierungschef Berlusconi wegen Sex mit minderjährigen Prostituierten haben zahlreiche Zeuginnen ihre Aussagen zurückgezogen. Sechs Jahre Haft fordert die Staatsanwältin. Heute wird das Urteil erwartet.

Im spektakulären „Ruby“-Prozess gegen Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi hat sich das Gericht in Mailand zur Beratung zurückgezogen. Ein Urteil in dem Verfahren um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch wird für den Montagnachmittag erwartet. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft und ein Verbot öffentlicher Ämter für den 76-jährigen Berlusconi gefordert, die Verteidigung plädierte auf Freispruch.

Ausschweifende Partys mit jungen Frauen, die sich leicht bekleidet vor dem „Presidente“ räkeln, Oralverkehr simulieren oder sich nackt mit ihm im Schwimmbad tummeln: So beschreiben einige der jungen Frauen und ein Polizeifunktionär, was sich in Silvio Berlusconis Mailänder Privatvilla abgespielt hat. So haben sie es jedenfalls beschrieben, in privaten Telefongesprächen und in den ersten Vernehmungen bei der Polizei.

Das war im Sommer 2010, als die Partys strafrechtlich relevant zu werden begannen. Denn unter den 33 jungen Frauen, die im Haus des damaligen Regierungschefs eine bezahlte sexuelle Tätigkeit ausübten – diesem Anfangsverdacht jedenfalls gingen die Ermittler nach –, befand sich in mindestens 13 Nächten auch eine Minderjährige: Die 17-jährige Marokkanerin Karima El-Mahroug, die in den einschlägigen Mailänder Kreisen schon damals als „Ruby, die Herzensbrecherin“ verkehrte, und die in ihren Verhören jenen Begriff einführte, der seither weltweite Berühmtheit erlangt hat: „Bunga Bunga“.

Urteil gegen Berlusconi am heutigen Montag erwartet

Der Strafprozess begann am 6. April 2011. Am heutigen Montag wird das Urteil erwartet. Die Verurteilung des Angeklagten Silvio Berlusconi, genauer gesagt. Denn nicht einmal er selbst rechnet damit, dass er freikommen wird. Sechs Jahre Haft hat die klassische Berlusconi-Anklägerin gefordert, Staatsanwältin Ilda Boccassini, dazu den lebenslangen Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern. Und im Parallelprozess – es musste ja jemanden gegeben haben, der die jungen Frauen ausgesucht und herbeigeschafft hat – verlangt die Anklage jeweils sieben Jahre für den 82-jährigen Emilio Fede und den 58-jährigen Lele Mora. Das sind zwei Männer aus dem Fernseh-Imperium des „Presidente“, die zugegriffen haben bei Schönheitswettbewerben landesweit und in jenen Bewerbungsmappen, mit denen sich aufstrebende, junge Italienerinnen bei Berlusconis Sendern für einen gut bezahlten Platz in leicht bekleideten Shows empfahlen. „Wenn du was werden willst in dieser Szene, dann musst du einen Preis zahlen“, soll der das Business beherrschende „Talent-Scout“ Lele Mora einer gebürtigen Nordafrikanerin empfohlen haben, „dann musst du deinen Körper verkaufen. Du musst ins Bett mit Berlusconi.“

Frühere Aussagen wie diese sind im Bunga-Bunga-Prozess reihenweise zurückgezogen worden. Mit ihnen ist das „System der Prostitution“ zusammengebrochen, das Berlusconi laut Anklage um sich herum aufgebaut hat. So jedenfalls sieht es Chefverteidiger Nicolò Ghedini: Nur sechs Zeuginnen hätten von Sex-Szenen erzählt; alle anderen hätten bestätigt, was Berlusconi immer schon gesagt hatte: Die „Partys“ seien nichts weiter gewesen als „elegante, unbeschwerte, immer korrekte Abendessen“. „Schickt eure Töchter zum Bunga Bunga“, riet Berlusconi den Italienern einmal per Fernsehen: „Da lacht man, da scherzt man, da passiert nichts Böses.“ Als man Ruby im Fernsehen fragte, ob sie ihre Tochter zum Bunga Bunga schicken würde, sagte sie: „Niemals.“

Berlusconi erkauft sich das Schweigen der Zeuginnen

Aber warum wollten so viele der Frauen von ihren ursprünglichen, belastenden Aussagen nichts mehr wissen? Beim Prozess kam heraus, dass Berlusconi sie nach wie vor bezahlt. „Er überhäuft mich mit Geld, er bietet alles, damit ich schweige“, hatte Ruby einem Freund vor drei Jahren anvertraut und von Zuwendungen im Wert von 4,5 Millionen Euro gesprochen. „Wir bekommen bis heute jeden Monat 2500 Euro von Berlusconi“, bestätigten andere Zeuginnen – und eine zeigte dem Gericht das glitzernde Collier, das sie für den Prozesstermin auch noch eigens angelegt hatte.

Einige arbeiten in Berlusconis Fernsehsendern oder beziehen dort zumindest ein Gehalt; andere wohnen kostenlos in Appartements aus seinem Besitz, und immer, wenn „das Benzin ausging“, wussten sie, an wen sie sich wenden konnten: an den einen Buchhalter des „Presidente“, der schon 2009 und 2010 knapp 20 Millionen Euro an Bargeld für die Partyabende besorgt hatte. Es gehört zu den Rätseln des Mailänder Prozesses, warum die Staatsanwaltschaft nie den Verdacht der Zeugenbestechung offiziell gemacht hat.

„Alles absolut lächerlich“, entgegnet Berlusconi per Fernsehansprache – beim Bunga-Bunga-Prozess selbst ist er nur einmal aufgetreten; ins Verhör nehmen lassen wollte er sich sowieso nicht. „Nie in meinem Leben habe ich eine Frau für Sex bezahlt.“ Und die Zuwendungen an seine Party-Gespielinnen? „Die haben mit Sex nichts zu tun. Sie entspringen allein meinem großen Herzen.“ (mit dpa)

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