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Künast als gebürtige „Ruhrpott-Frau“ und Ex-Verbraucherschutzministerin kommt offenbar bei den „normalen Mitgliedern“ gut an.

© dpa

Urwahl bei den Grünen: Trittin und die Frauenfrage

Die Grünen suchen die weibliche Besetzung für das Spitzenduo. Eine Favoritin gibt es noch nicht.

Von Sabine Beikler

Werner Winkler hat inzwischen Kultstatus. Beim Grünen-Urwahlforum am Mittwoch in Hamburg rissen sich ein halbes Dutzend junge Grüne um ein gemeinsames Foto mit dem 48-jährigen Schwaben. „Das ist mir schon fast unangenehm“, sagt der Kalligraf, Autor und Coach. Der Waiblinger Ortsverbandsvorsitzende hatte mit seiner Kandidatur erzwungen, dass die 59 300 Grünen-Mitglieder per Urwahl das Spitzenduo für den Bundestagswahlkampf 2013 wählen sollen. Unter den 15 Kandidaten treten auch die Politprofis Jürgen Trittin, Renate Künast, Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt an. Die Urwahl läuft bis Ende Oktober. Und wer macht das Rennen ?

Fraktionschef Trittin gilt überall als gesetzt. Bei den Kandidatinnen ist die Tendenz nicht eindeutig. „Gefühlt“, sagen viele, wird es wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Fraktionschefin Künast und der Parteivorsitzenden Roth geben. Aber auch Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt hat während der Urwahl durchaus Sympathien gewinnen können. Nur kann niemand eine Rechnung mit der großen Unbekannten machen.

Die heißt in allen Landesverbänden „unsere Basis“. Vom Norden bis zum Süden vermag kein einziger Parteifunktionär bis auf ein klares Votum für Trittin eine Aussage über den weiblichen Part im künftigen Spitzenduo treffen.

12 000 Mitglieder hat der größte Grünen-Landesverband in Nordrhein-Westfalen mit einem starken linken Flügel. Ein Spitzenpolitiker, seit fast 30 Jahren Mitglied, hält Göring-Eckardt für eine „kluge Frau“, die neben dem „alten Haudegen“ Trittin als 46-jährige jüngere Politikerin eine gute Figur machen könnte. Parteichefin Roth sei charismatisch, authentisch, „aber man muss sie mögen“. Künast als gebürtige „Ruhrpott-Frau“ und Ex-Verbraucherschutzministerin wiederum kommt offenbar bei den „normalen Mitgliedern“ gut an. Nur die grüne Politriege in Düsseldorf hat ihr den zunächst unkritischen Umgang mit der Wahlschlappe in Berlin nicht ganz verziehen.

Parteichefin Roth sei charismatisch, authentisch, „aber man muss sie mögen“.
Parteichefin Roth sei charismatisch, authentisch, „aber man muss sie mögen“.

© dapd

In Hamburg mit 1600 Grünen-Mitgliedern gibt es ebenfalls Sympathien für die Ex-Fraktionschefin Göring-Eckardt, die eine „neue Generation“ verkörpere. Im 2100 Mitglieder starken schleswig-holsteinischen Landesverband, der mit den Hamburgern das Urwahlforum in dieser Woche organisiert hatte, wagt man keine Prognose, wer von den Frauen vorn liegt. Das gilt auch für Hessen mit 5300 Mitgliedern. Aus Niedersachsen, 6330 Mitglieder, heißt es, Trittin sei als Niedersachse „zu 100 Prozent“ gesetzt, und die Frauen seien „alle drei maximal geeignet“.

Deutlichere Töne sind dagegen aus Bayern mit 8000 Grünen-Mitgliedern zu vernehmen. Man habe „von keinem gehört hat, der Künast wählt“, hört man nicht nur aus dem Kreisverband München. Die Augsburgerin Roth „als eine von uns“ habe Chancen, aber auch Göring-Eckardt. Die sei halt „nicht so schrill“ wie die anderen beiden. „Mei, wie des ausgeht, des is eben offen“, orakelt ein Spitzenmann.

Nach einer Umfrage von „Spiegel online“ sprechen sich 25 Prozent der Grünen-Wähler für ein Duo Trittin/Künast aus, 23 für Trittin/Roth, 18 wollen ein Duo Roth/Künast und elf Prozent Trittin/Göring-Eckardt. Das sagt noch nichts über die Stimmung der Mitglieder aus. Im 5300 Mitglieder starken Berliner Landesverband zum Beispiel hat man Künast die Wahlschlappe zwar verziehen, aber der Verband tickt mehrheitlich links. Roth hat viele Sympathien, aber wie die Basis tickt, ist völlig unklar. Hinzu kommt, dass die Landesverbände durch die Urwahl einen Mitgliederschub verzeichnen. Wie wiederum diese „Parteineulinge“ ihre Stimmen verteilen, vermag niemand zu prognostizieren.

Göring-Eckardt könnte neben dem „alten Haudegen“ Trittin als 46-jährige jüngere Politikerin eine gute Figur machen.
Göring-Eckardt könnte neben dem „alten Haudegen“ Trittin als 46-jährige jüngere Politikerin eine gute Figur machen.

© dapd

Werner Winkler sitzt am gestrigen Freitag im Zug auf dem Weg nach Ludwigshafen. Am Abend ist das vorletzte Urwahlforum der Landesverbände Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geplant. Die Entscheidung im 8000 Mitglieder starken, reformerorientierten baden-württembergischen Verband wird wohl zwischen Roth oder Künast fallen, auch wenn sich führende Realos für Göring-Eckardt starkmachen. Im Südwesten kann Künast mit Verbraucherschutz und Agrarpolitik punkten, Roth ist vielen durch ihre Präsenz in Wahlkampfzeiten bekannt. „Alle drei Frauen haben ihre Qualitäten“, heißt es wiederum aus Rheinland-Pfalz.

Werner Winkler zumindest weiß, wem er seine Stimme gibt. „Der Renate“, sagt der Schwabe. Die sei ihm von ihrem Werdegang als Sozialarbeiterin und Juristin sympathisch. „Sie hat die Ebenen durch und ist doch menschlich geblieben.“ Die Kombination Winkler/Künast wäre ideal, ulkt Winkler. Er würde sich freuen, „wenn ich mehr als fünf Prozent bekäme“.

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