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Politik: US-Armee bestreitet zweites Massaker

Irakische Zivilisten in Ischaki angeblich bei Feuergefecht getötet / Vorwurf der Vertuschung

Die Vorfälle in der irakischen Stadt Ischaki, die am Freitag als angeblich drittes Massaker von US-Soldaten an Zivilisten durch die Nachrichten gingen, sind umstritten. Die US-Armee bekräftigte, es habe sich um Kämpfe gehandelt, bei denen sich die Soldaten vorschriftsmäßig verhalten hätten. Iraks Regierung hat Zweifel daran und kündigte eine eigene Untersuchung an.

Die „New York Times“ korrigierte unterdessen ihren Bericht über die Kritik des irakischen Regierungschefs Nuri al Maliki am Verhalten der US-Streitkräfte. Es habe einen Übersetzungsfehler gegeben. Im Zuge der Untersuchungen über das mutmaßliche Massaker in Haditha an 24 Zivilisten durch US-Marines und mögliche Vertuschungsversuche erhob die „New York Times“ den Vorwurf, Offiziere der Einheit hätten bereits nach zwei Tagen gewusst, dass der Bericht ihrer Soldaten falsch war, wonach die Zivilisten Opfer von Aufständischen waren.

Die US-Armee untersucht derzeit drei Vorwürfe rechtswidriger Tötungen von Zivilisten durch US-Soldaten im „sunnitischen Dreieck“ nordwestlich von Bagdad, dem Zentrum des Widerstands: erstens Haditha, wo US-Marines am 19. November 2005 nach dem Bombenanschlag auf einen US-Konvoi offenbar 24 unbeteiligte Zivilisten in umliegenden Häusern und in einem sich nähernden Taxi erschossen. US-Abgeordnete sprechen von „kaltblütigem Mord“. Zweitens Hamandijah, wo ein einzelner Iraker im April von Marines erschossen wurde. Die Militäranwälte bereiten eine Mordanklage gegen sie vor. Drittens Ischaki, wo sieben Menschen am 15. März starben. Dieser letzte Fall war am Freitag durch ein vom britischen Sender BBC ausgestrahltes Video bekannt geworden. Die BBC hatte allerdings gewarnt, die Bilder seien ihr von Aufständischen zugespielt worden.

Nach Darstellung der US-Armee waren US-Truppen aus dem betreffenden Haus in Ischaki beschossen worden und hatten im Laufe des Feuergefechts Luftunterstützung angefordert. Nach der Bombardierung seien die sieben Toten gefunden worden, darunter eine alte Frau und mindestens ein Kind. Die Schussverletzungen könnten sich entweder aus dem Feuergefecht ergeben, möglicherweise hätten die Aufständischen die Leichen später für das Video präpariert. Aufständische trügen keine Uniformen und suchten oft Deckung zwischen Zivilisten. Die irakische Regierung nannte die Entlastung der US-Soldaten voreilig. Die Umstände seien „fragwürdig“, schon allein deshalb, weil unter den Toten Kinder seien.

Die Berichte hatten weltweit Empörung ausgelöst. Die „New York Times“ zitierte Iraks Regierungschef al Maliki mit dem Vorwurf, die Gewalt der US-Armee gegen Zivilisten sei „ein tägliches Phänomen“. In der Sonnabend-Ausgabe korrigierte sie sich. Al Maliki habe von „regular occurence“ („regelmäßiges Vorkommnis“) gesprochen, nicht von „daily phenomenon“. Laut Präsident Bushs Sprecher Tony Snow sagte al Maliki der US-Regierung, er sei auch an anderer Stelle falsch interpretiert worden. Seine Kritik beziehe sich nicht speziell auf die US-Armee, sondern auf alle Soldaten, inklusive der irakischen Streitkräfte. Er hatte gesagt: „Die Truppen in der von den USA geführten Koalition respektieren nicht die irakische Bevölkerung. Sie zerquetschen sie mit ihren Fahrzeugen und töten sie nur auf Verdacht hin. Dies ist vollkommen inakzeptabel.“ Die meisten zivilen Toten im Irak sind Opfer von Bombenanschlägen sowie der interethnischen Gewalt sunnitischer und schiitischer Milizen.

Im Bezug auf Haditha erneuerte die „New York Times“ den Vorwurf, Offiziere der Marines hätten nach zwei Tagen gewusst, dass ihre Untergebenen falsch berichtet haben. Erst hatte es geheißen, die Zivilisten seien Opfer des Bombenanschlags sowie eines anschließenden Feuergefechts mit Aufständischen. Die US-Medien machen unterschiedliche Angaben, was die Untersuchungen auslöste. Mal wird ein Bericht des Magazin „Time“ im März genannt. Mal heißt es, dem Marines-Kommandeur im Irak seien die Widersprüche aufgefallen und er habe im Januar die Überprüfung befohlen.

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