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US-Finanzminister: Diener vieler Herren

Obamas künftiger Wirtschaftschef und der designierte Finanzminister waren selbst Architekten der Krise.

Barack Obama war voll des Lobes, als er am Montag die Männer vorstellte, die künftig die beiden Spitzenposten für Wirtschaft und Finanzen in seiner Regierung besetzen sollen. Lawrence Summers, der als Direktor des nationalen Wirtschaftsrates im Weißen Haus die Wirtschaftspolitik koordinieren soll, sei „einer der großen ökonomischen Denker unserer Zeit“, lobte Obama den Harvard-Ökonomen, der einst schon Bill Clinton als Finanzminister gedient hatte. Und Timothy Geithner, der bisherige Chef der New Yorker Filiale der Notenbank Federal Reserve und künftige Finanzminister, sei wegen „seiner weitreichenden internationalen Erfahrung einzigartig geeignet“ bei der Bekämpfung der globalen Finanzkrise an vorderster Front zu arbeiten. Gemeinsam, so erklärte der designierte US-Präsident, stünden sie für „solide Einschätzungen und eine Fülle von großen neuen Ideen.“

Das klang gut. Doch vor ihrer Amtseinsetzung werden sich Summers und Geithner gewiss noch einer Menge kritischer Fragen bei der vorgeschriebenen Anhörung im US-Kongress stellen müssen. Denn sie waren an höchster Stelle an vielen Entscheidungen beteiligt, die überhaupt erst zum Beinahekollaps des Finanzsystems geführt haben.

So war Summers als Vizefinanzminister gemeinsam mit seinem damaligen Chef und heutigen Manager der Citibank Robert Rubin einer der eifrigsten Unterstützer jener Reform, mit der im Jahr 1999 die bis dahin geltende strikte Trennung zwischen normalen Geschäftsbanken und den auf das Wertpapiergeschäft spezialisierten Investmentbanken aufgehoben wurde. Erst seitdem durften auch gewöhnliche Banken in die Ausgabe und den Handel mit Wertpapieren und Kreditderivaten einsteigen, was zuletzt allein bei der Citigroup zu Verlusten von mehr als 60 Milliarden und dem bisher größten staatlichen Hilfspaket für eine einzelne Bank führte. Summers war es auch, der im selben Jahr die damalige Chefin der zuständigen Aufsichtsbehörde ausbremste, als diese forderte, dass der außerbörsliche Handel mit Kreditderivaten wegen „schwerer Gefahren für die gesamte Wirtschaft“ unter Aufsicht gestellt werden müsse.

Acht Jahre später waren es vor allem diese Kontrakte, mit denen das Risiko für den Ausfall von Schuldnern vom eigentlichen Kredit getrennt wurde, die maßgeblich zur Eskalation der Krise beigetragen haben. Gleichwohl verlor Summers bis heute über seine damaligen Fehlentscheidungen kein Wort. Obamas Chefökonom sei „ein Deregulierer, das ist nicht das, was die Banken jetzt brauchen“, kritisiert darum der Politikprofessor Steffen Schmidt von der Iowa State University, der über die Verflechtung von Politik und Finanzindustrie forscht.

Noch tiefer verstrickt ist der kommende Finanzminister Geithner, der als Summers Protegé gilt. Als Abteilungsdirektor beim Internationalen Währungsfonds (IWF) war er in den Jahren 2001 bis 2003 maßgeblich daran beteiligt, dass ausgerechnet die US-Finanzindustrie im Gegensatz zu jener in anderen Mitgliedstaaten nicht auf Schwachstellen untersucht werden durfte, berichten IWF-Insider. Mit der Ernennung zum Fed-Präsidenten in New York wurde Geithner sogar Amerikas oberster Bankenaufseher. Mehrfach beklagte er, dass die in der Branche gepriesenen „Finanzinnovationen“ wie die Kreditderivate im Krisenfall „möglicherweise das systemische Risiko verstärken könnten.“ Den Beweis dafür hätte er durch die Anordnung von Prüfungen auch leicht erbringen und Abhilfe erzwingen können. Doch weil eine schärfere Regulierung politisch nicht erwünscht war, beschränkte sich Geithner darauf, die Banken zu freiwilligen Maßnahmen der Risikobegrenzung zu drängen. Widerspruchslos stützte Geithner schließlich auch den Beschluss des amtierenden Ministers Henry Paulson, die Wall-Street-Bank Lehman Brothers pleitegehen zu lassen, was mittlerweile als die größte Fehlentscheidung im US-Krisenmanagement gilt.

Obamas künftiger Finanzminister sei lediglich „ein Karriere-Opportunist“, urteilt darum ein hochrangiger europäischer Bankenkontrolleur, der Geithner aus der Arbeit in den internationalen Gremien kennt. Geithner habe stets nur die Agenda der Mächtigen exekutiert.

Künftig müssen Summers und Geithner nun aus eigener Macht das Vertrauen in Amerikas Finanzbranche wiederherstellen, vor allem im Ausland. Denn die US-Ökonomie benötigt wegen ihrer hohen Verschuldung täglich bis zu zwei Milliarden Dollar Auslandskapital, vorrangig aus China und den Ölstaaten. Aber auch dabei tragen Obamas Krisenmanager eine schwere Hypothek. Während der asiatischen Finanzkrise waren sie 1998 im Finanzministerium gemeinsam für die internationale Politik zuständig. Und es geschah auf Druck der US-Regierung, dass der IWF die Krisenstaaten im Austausch für die benötigten Hilfskredite zwang, ihre Volkswirtschaften erst durch radikale Sparprogramme noch tiefer in die Krise zu treiben und dann alle Begrenzungen für ausländische Investoren aufzuheben – ein Vorgang, den viele asiatische Politiker bis heute als größte Demütigung empfinden und für den Summers als einer der wesentlichen Drahtzieher gilt. Um seinen schlechten Ruf loszuwerden, wird Obamas ökonomischer Vordenker mehr als ein paar gute Ideen benötigen.

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