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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

© AFP

US-Geheimdienste: Merkel will mit Obama über Späh-Aktivitäten sprechen

In Deutschland wird der Ruf nach Aufklärung aufgrund der umstrittenen Späh-Aktivitäten des US-Geheimdienstes immer lauter. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich einschalten.

Die umstrittene Datensammlung der US-Geheimdienste wird zu einem Thema beim Besuch von US-Präsident Barack Obama kommende Woche in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte am Montag, dass die Bundeskanzlerin dieses Thema mit US-Präsident Barack Obama besprechen will. Es sei davon auszugehen, dass die Bundeskanzlerin das Thema anschneiden werde, wenn Obama kommende Woche in Berlin sei, sagte Seibert. Noch ist nicht klar, inwieweit deutsche Staatsbürger betroffen sind. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte am Montag, dass die Prüfung derzeit noch laufe und man in Gesprächen mit der US-Seite sei. Dabei gehe es auch um Bezüge nach Deutschland und die „mögliche Beeinträchtigung von Rechten deutscher Staatsangehöriger“. 

Die Ministerin selbst forderte eine umfassende Aufklärung der Späh-Aktivitäten. "Die Dimension der Überwachung von Internetnutzern ist besorgniserregend", sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dem Bayerischen Rundfunk. Das Vorgehen der US-Behörden sei nicht mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus zu rechtfertigen, weil dieser nicht den Einsatz jeden Mittels legitimiere. Laut der Bundesjustizministerin muss aufgeklärt werden, ob in Deutschland tätige Firmen über die Protokollierung von Verbindungsdaten informiert waren, ohne ihre Kunden in Kenntnis gesetzt zu haben.

US-Medienberichten zufolge hat der US-Geheimdienst NSA über ein Spähprogramm namens Prism auf die Server großer Internetfirmen wie Google und Yahoo zugegriffen, wodurch er Netznutzer in aller Welt überwachen kann. Nach einer am Wochenende vom britischen „Guardian“ veröffentlichten Karte der NSA gehörte Deutschland zu den Ländern, aus denen die meisten Daten gesammelt würden.

Die Grünen beantragten nach Angaben ihres Parlamentarischen Geschäftsführers, Volker Beck, zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde im Bundestag für diese Woche. "Die Bundesregierung muss die Hintergründe von Prism unverzüglich aufklären und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ihres Landes politisch und rechtlich verteidigen", sagte Beck. Die Totalüberwachung aller Bundesbürger durch NSA sei völlig unverhältnismäßig. Beck begrüßt zwar die parteiübergreifende Kritik an der geheimdienstlichen Überwachung durch die NSA, aber er nutzt die Debatte auch um auf die umstrittene und wahlkampftaugliche Vorratsdatenspeicherung anzuspielen. "Bürgerrechtsfeindliche Gruselstücke, wie die Vorratsdatenspeicherung oder die heimliche Online-Durchsuchung von Computern haben in einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft keinen Platz."

Unterdessen hofft der Ex-Geheimdienstmitarbeiter, der hinter den Enthüllungen über das US-Spähprogramm Prism steht, nach seiner Flucht nach Hongkong auf politisches Asyl. Edward Snowden sagte der „Washington Post“ vom Montag, er bemühe sich um Asyl „in jedem Land, das an die Meinungsfreiheit glaubt“. In den USA wurden erste Rufe nach einer Auslieferung des 29-Jährigen aus dem zu China gehörenden Gebiet laut. Snowden hatte sich am Sonntag selbst als Informant in der Überwachungsaffäre zu Erkennen gegeben. In der „Washington Post“ und im britischen „The Guardian“ offenbarte er sich als Quelle, die die Zeitungen über Prism informierte, mit der sich der US-Geheimdienst NSA weltweit Zugang zur Internetkommunikationen verschafft. Snowdens Motiv: die Öffentlichkeit über die „massive Überwachungsmaschine“ zu informieren, durch die das Privatleben „zerstört“ werde, wie er in einem Video-Interview sagte.
Mit dem Gang an die Öffentlichkeit trat Snowden die Flucht nach vorn an. „Ich habe keine Absicht, mich zu verstecken, weil ich weiß, dass ich nichts Falsches gemacht habe.“ Sein Ziel ist politisches Asyl. Im „Guardian“ nannte er Island als mögliches Land, dort sind Presse- und Meinungsfreiheit besonders geschützt.
Zunächst versteckt er sich in einem Hotelzimmer in Hongkong, wohin er vor drei Wochen aus seiner Heimat Hawaii geflüchtet war. Große Illusionen über seine Zukunft macht sich Snowden aber offenbar nicht: „Ich verstehe, dass die Offenlegung mein Ende bedeutet“, schrieb er an einen Reporter der „Washington Post“.

Die frühere britische Kronkolonie Hongkong gehört zu China, ist aber eine Sonderverwaltungszone und hat ein Auslieferungsabkommen mit den USA. In Washington wurden die ersten Stimmen laut, Snowdens Auslieferung zu beantragen. Der republikanische Kongressabgeordnete Peter King forderte ein Strafverfahren „im vollsten Ausmaß des Gesetzes“. Und in Hongkong rief die pro-chinesische Abgeordnete Regina Ip Snowden auf, nicht länger zu bleiben. „Es wäre in seinem besten Interesse, Hongkong zu verlassen.“

Das Weiße Haus gab zunächst keinen Kommentar. Das Büro des Nationalen Geheimdienstkoordinators James Clapper erklärte, dass das Justizministerium eingeschaltet worden sei. Die Geheimdienste würden derzeit den Schaden ermitteln, der durch die Enthüllungen entstanden sei. (ctr/AFP)

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