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US-Kongress: Wahlkampfthema Mindestlohn

In sechs Bundesstaaten befinden die Wähler am 7. November nicht nur über die Zusammensetzung des Kongresses, sondern auch über die Anhebung des Mindestlohns.

Washington - Derzeit haben Kleinstverdiener einen Anspruch auf 5,15 Dollar pro Stunde (gut vier Euro). Dafür bekommt man in einem Supermarkt eine Tiefkühlpizza oder anderthalb Pfund Tomaten. Im Einklang mit den Gewerkschaften argumentiert die Opposition, dass arbeitende Menschen durch solche Minilöhne auf Dauer in der Armutsfalle sitzen. Die Republikaner von Präsident George W. Bush lehnen eine Anhebung bislang ab - und speisen damit den Verdacht vieler Wähler, eine Partei der sozialen Kälte zu sein.

Die US-Konjunktur eilt seit Jahren in steten Schritten voran: 2005 legte sie um 3,5 Prozent zu, im Jahr davor waren es sogar 4,2 Prozent. Die Armen wurden dabei abgehängt. Der Mindestlohn wurde seit 1997 nicht mehr angehoben. Bushs Republikaner argumentieren, eine Erhöhung würde Arbeitsplätze vernichten. Prominente Ökonomen widersprechen. "Die Kaufkraft des heutigen Mindestlohns ist so niedrig wie seit 1951 nicht mehr", heißt es in einem Aufruf, den der Star-Ökonom Joseph Stiglitz und vier weitere Nobelpreisträger unterzeichnet haben. "Eine moderate Anhebung des Mindestlohns würde die Lage der Geringverdiener verbessern, ohne jene negativen Folgen zu haben, die die Kritiker vorhersagen."

Keine Unterschichtendebatte im US-Wahlkampf

Eine Unterschichtendebatte, wie sie jüngst Politiker in Deutschland betrieben hatten, gibt es im derzeitigen US-Wahlkampf nicht. Allerdings besteht sehr wohl das Bewusstsein über eine Schicht am unteren Rand der Gesellschaft. Der Volksmund benutzt für sie den bösen Begriff "Trailer Park Trash": "Trash" heißt "Müll", und Trailer Parks sind eine Art Dauer-Campingplatz, wo Leute, die sich keine feste Unterkunft leisten können, in Wohnwagen und fahrbaren Häusern leben. Solche Menschen sind es, die sich hinter den Zahlen des US-Statistikamts verbergen: Demnach lebt fast jeder achte Einwohner in Armut. In knapp vier Prozent der Haushalte ist die Lage so prekär, dass manchmal Hunger herrscht.

Die oppositionellen Demokraten sehen einen höheren Mindestlohn als ein Rezept gegen die Armut in dem reichen Land. "Der Präsident hat in Wirtschaftsfragen einen Scheuklappenblick: Weil es den Konzernbossen und dem obersten Prozent gut geht, glaubt er, allen Amerikanern geht es gut", sagt Parteisprecher Luis Miranda. Sollten die Demokraten am 7. November die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen, wollen sie bereits in den ersten 100 Stunden der neuen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Anhebung auf 7,25 Dollar einbringen. "Fairer Lohn für harte Arbeit", lautet der Wahlkampfslogan.

Schere zwischen arm und reich öffnet sich unaufhaltsam

Ökonomen verweisen darauf, dass sich die Schere zwischen arm und reich in den USA immer weiter öffnet: Inzwischen beträgt der Mindestlohn weniger als ein Drittel dessen, was ein durchschnittlicher Arbeitnehmers verdient. Seit dem Zweiten Weltkrieg war der Einkommenunterschied nicht mehr so groß. Sollte der Mindestlohn auf 7,25 Dollar angehoben werden, würden 14,9 Millionen Menschen mehr Gehalt bekommen, errechnete das linksgerichtete Economic Policy Institute in Washington.

In der Kampagnenstrategie der Demokraten für die Kongresswahl spielt das Thema eine wichtige Rolle: Sie hoffen, dass die parallelen Volksabstimmungen über das emotional besetzte Thema Mindestlohn in sechs Bundesstaaten jene Wähler mobilisiert, die sonst eher nicht zur Wahl gehen würden. Dies betrifft wichtige Staaten wie Ohio und Missouri, wo sich Demokraten und Republikaner traditionell Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. "Einige Leute werden extra wegen des Mindestlohns zur Wahl gehen", sagte der demokratische Senatskandidat Sherrod Brown aus Ohio der "Washington Post". "Und ich vermute, dass diese Wähler für die Demokraten stimmen." (tso/AFP)

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