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Schwerer Gang. Bradley Manning (rechts) wird in den Gerichtssaal im US-Bundesstaat Maryland geleitet.

© dpa

US-Militärgericht entscheidet: Wikileaks-Informant Manning verurteilt - keine Todesstrafe

Wikileaks-Informant Bradley Manning ist am Dienstag vor einem Militärgericht wegen Spionagevergehens schuldig gesprochen worden. Frei sprach ihn die Richterin jedoch vom schwersten Vorwurf, der „Unterstützung des Feindes“.

„Das ist ein Waffe, eine AK47“. „Sie tragen Waffen.“ „Knall sie alle ab“. „Haha“. Die Bild- und Tonaufnahmen aus einem US-Kampfhubschrauber beim Einsatz im Jahr 2007 in Bagdad, auf denen zu sehen ist, wie US-Soldaten Jagd auf eine Gruppe von Männern machen, unbewaffnete, wie sich später herausstellen wird, haben den US-Gefreiten Bradley Manning für seine Verteidiger zum humanistischen Helden gemacht. In einem kleinen Gerichtssaal auf dem US-Militärstützpunkt Fort Meade, eine Stunde nördlich von Washington, musste Militärrichterin Denise Lind am Dienstag allerdings entscheiden, ob dieser Held nicht eher ein Verräter ist. Ein Verräter, der mit der Weitergabe des Videos, von Kriegstagebüchern aus dem Irak und aus Afghanistan und von geheimen US-Botschaftsdepeschen an die Veröffentlichungsplattform Wikileaks dem Feind geholfen hat.

Eine Verurteilung von Manning wegen „Unterstützung des Feindes“ – die US-Regierung hatte massiv darauf gedrängt – wäre ein Präzedenzfall gewesen. Mit weitreichenden Folgen für andere, künftige Whistleblower und für den investigativen Journalismus. Lind aber hat sich entschieden, ganz knapp vor dieser roten Linie Halt zu machen. Zwar sprach sie Manning in zahlreichen Anklagepunkten nach Militärrecht und Spionageparagraphen schuldig. Ihm drohen auch so mehr als hundert Jahre Haft. Die „Unterstützung des Feindes“ jedoch ließ sie fallen.

Ganze zehn Minuten brauchte Lind am Dienstag, um ihren Spruch zu verkünden. Manning, der inzwischen 25-jährige Soldat, der noch immer aussieht, als ob er etwas zu jung in seine Paradeuniform geraten sei, nahm ihn unbewegt entgegen. Nur seinen Anwalt, Davis E. Coombs, konnte man erleichtert aufatmen hören, als Lind das „nicht schuldig“ im gravierendsten aller Anklagepunkte erklärte. Auf diese Anklage steht theoretisch immerhin die Todesstrafe, auch wenn die Anklage ihren Verzicht darauf erklärt hatte.

Dass Manning die geheimen Informationen von seinem US-Stützpunkt im Irak abgezogen und weitergeleitet hat, war in diesem Prozess gar nicht mehr die Frage gewesen. Er hatte das bereits gestanden und sich in einem Teil der 22 Anklagepunkte schuldig bekannt. Die zentrale Frage im Prozess, um die Anklage und Verteidigung bis zum Ende der vergangenen Woche erbittert gerungen hatten, war eben jene „Unterstützung des Feindes“. In seinem Abschlussplädoyer hatte Ankläger Ashden Fein diesen Punkt denn auch in den Mittelpunkt gestellt. Wikileaks sei für Manning nur eine Plattform gewesen, über die sichergestellt werden konnte, dass die gesamte Information der Welt zur Verfügung stehe, inklusive den Feinden der Vereinigten Staaten. Schließlich seien einige der Dateien, die Manning Wikileaks zugeleitet habe, beim Sturm auf den Unterschlupf von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden gefunden worden. Das sei etwas anderes, als die Informationen etablierten Medien zu geben – was immer noch ein Verbrechen gewesen wäre. Manning aber sei gar kein Whistleblower.

Mannings Verteidiger hatte seinen Klienten dagegen als jung, naiv, aber mit guten Intentionen porträtiert. Manning sei ein Humanist und Whistleblower, der nur jene Informationen veröffentlicht habe, bei denen er davon ausging, dass sie keinen Schaden anrichten würden. Um Mannings Beweggründe zu illustrieren, hatte Coombs am vergangenen Freitag das Bagdad-Video im Gerichtssaal zeigen lassen. Und um den Vorwurf der Unterstützung des Feindes zu entkräften, hatte der Verteidiger argumentiert, die Weitergabe an Wikileaks sei gleichzusetzen mit einer Weitergabe an andere Medien. Schließlich hätten auch die „New York Times“, der „Guardian“ und der „Spiegel“ die Informationen veröffentlicht.

Die Frage, ob Richterin Lind die Vorwürfe im Sinne der Anklage werten würde, war in Zeiten der Debatte um den US-Geheimdienst NSA und den Whistleblower Edward Snowden sowie angesichts der zunehmenden Bedeutung von Internetmedien auch in den USA als wegweisend betrachtet worden. In Fort Meade, wo am Dienstag der Schuldspruch gefällt wurde – das konkrete Strafmaß folgt frühestens im August nach weiteren, am Mittwoch beginnenden Verhandlungen –, hat auch der US-Geheimdienst NSA seine Zentrale.

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