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US-Präsident Obama: Hype und Hypothek

Mit der Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten kehrt der amerikanische Traum zurück. Sein Sieg ist daher auch ein Sieg über Dutzende antiamerikanischer Vorurteile.

Wer nicht ergriffen ist, wenigstens ein bisschen, der hat kein Herz. Barack Hussein Obama, ein junger, schwarzer Senator aus Illinois – die Mutter weiß, der Vater afrikanischer Immigrant –, der bei seinen Großeltern aufwuchs, aus bescheidenen Verhältnissen kam und sich nach oben kämpfte, ist der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit einer Wahlbeteiligung, die zuletzt vor hundert Jahren so hoch war, und von einer Woge der Euphorie getragen wurde er zum mächtigsten Mann der Welt bestimmt. Ein Traum erfüllt sich. Es ist der Traum von der Gleichheit aller Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft, Hautfarbe und sozialen Stellung. Der Wandel, den Obama seinen Anhängern in den USA und der ganzen Welt versprach, er ist bereits da.

Dabei fällt es leicht, viel Wasser in den Champagner zu kippen. Obama, der Messias, ist für die Todesstrafe, will sie sogar verschärfen, er verteidigt das Recht auf Waffenbesitz, lehnt die Homo-Ehe aus religiösen Gründe ab, will den Krieg in Afghanistan intensivieren und bis nach Pakistan (einer Nuklearmacht!) tragen, unterstützt zum Ärger Moskaus und Berlins eine Nato-Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine, hat das Wort „Klimawandel“ in seiner Siegesrede kein einziges Mal erwähnt. Für große Taten wiederum fehlen ihm die Mittel. Er tritt das Amt inmitten einer tiefen Rezession an, erbt eine arge Finanz- und Wirtschaftskrise, plus ein historisches Haushaltsdefizit, er muss einen elenden Krieg im Irak beenden, ohne das Land als Trümmerfeld zu hinterlassen. Und zu schlechter Letzt basteln die Mullahs im Iran fleißig weiter an der Bombe, während der Nahostkonflikt immer unlösbarer wird.

Eine Diskrepanz tut sich auf: Die Hoffnungen, die sich mit Obama verbinden, borden über, sein Handlungs- und Gestaltungsspielraum indes ist winzig. Über Willy Brandt hieß es in der Rückschau einmal, er stand für Träume, die andere von ihm träumten. Entpuppt sich, analog dazu, der Hype um Obama bald als Hypothek? Folgt der Täuschung die Enttäuschung? Das Mandat, das ihm 60 Millionen US-Wähler erteilten, ist groß, zumal die Demokraten auch in beiden Häusern des Kongresses eine satte Mehrheit haben. Doch Mandat wofür? Höchst disparate Kräfte zerren an ihm: desillusionierte Neokonservative, Bürgerrechtler, Gewerkschafter, Latinos, Staatsverdrossene, Staatsverehrer, die Jugend, die Intellektuellen, die Spirituellen. Sie alle stellten sich hinter Obama. Eine Bewegung aber bilden sie nicht. Mit dem Sieg des Kandidaten hat sich das Ziel erfüllt. Mission accomplished – Mission erfüllt.

Dennoch ist da mehr. Zum einen hat Obama, je länger sich der strapaziöse Wahlkampf hinzog, desto beeindruckender an Statur gewonnen. Er, der aus dem Nichts kam, erlegte nacheinander zwei Titanen, die als unüberwindbar gegolten hatten – den Clinton-Klan und das konservative Imperium. Er umgab sich mit den besten Strategen, sammelte weit über eine halbe Milliarde Dollar an Spenden, meisterte jede Krise, mobilisierte eine Armee von freiwilligen Helfern, und dabei blieb er in jeder Sekunde ruhig, kontrolliert, seriös, kurzum: präsidial. Er kann reden und zuhören, und er sagt und hört das Richtige. Vertraut mir, ich habe ein ganz großes Ziel: Mit diesem Versprechen wird Obama am 20. Januar inauguriert. Will er sich nicht selbst entzaubern, muss er die Niederungen linker Parteipolitik meiden.

Zum anderen ist sein Lebensweg ein Signal. Schicksal, Herkunft und Hautfarbe adeln niemanden. Obama belegt: Jeder in Amerika kann Präsident werden. Das widerlegt all jene, die über den vermeintlich hartnäckigen Rassismus in den USA lästern, an die ewige Macht von Geld und Beziehungen glauben, die angeblich allgegenwärtige konservative Propaganda beklagen oder ähnlichen Unsinn verbreiten. Obamas Sieg ist daher auch ein Sieg über Dutzende antiamerikanischer Vorurteile. Dieses Land, in dem die Weißen in ein paar Jahrzehnten in der Minderheit sind, stellt sich der Realität. Wer den Erfolg des nächsten US-Präsidenten will, sollte seine Erwartungen zurückschrauben. Wunder vollbringt er nicht. Die Ergriffenheit aber über seine Wahl darf ruhig noch etwas anhalten.

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