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US-Präsident und CNN: Faktenscheu, Faktenhass, Faktenvernichtung

Donald Trump verdrängt die Wahrheit wie ein kleines Kind. Doch diese kommt am Ende immer ans Licht - meist mit dreifacher Wucht. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Aus den Augen, aus dem Sinn. Was nicht sein soll, das ist nicht, war nicht, wenn ich es nur wegschaffe. Wie viel Verbrecherisches ist mit dieser Fantasie angestellt worden, wie viele Menschen sind eingesperrt, Dokumente beseitigt, Wahrheiten ausgeblendet worden. Grotesk, nahezu anrührend wirkt Donald Trumps jüngste Aktion auf diesem Gebiet, seine bisher infantilste.

Aus den Augen, aus dem Sinn haben will der fernsehende US-Präsident unbequeme Nachrichten, wie der Nachrichtensender CNN sie präsentiert. Am Sonntagmorgen schickte er ein Video über die Glasfaserkabel des Globus, das diesen Willen illustriert. Eine halbe Minute lang sieht man Trump, wie er einen Mann zu Boden schlägt, über dessen Kopf das Logo von CNN wackelt. Der 71-jährige Absender nutzte dafür einen zehn Jahre alten Clip von einer Ringkampf-Show, bei der er als Star des Reality-TV zum Spaß den Veranstalter überwältigte. Die Aussage ist so sonnenklar wie die Absicht: Ich mag Kritiker nicht, ich zwinge sie zu Boden, dann sind die weg und k. o., und ich bin da und okay. – Aus den Augen, aus dem Sinn? Ach, Unsinn.

Gerade das Verdrängte kehrt zurück

Das Strukturprinzip des Beseitigens erinnert an die Geste des Kleinkindes, das sich im omnipotenten Glauben findet, es werde unsichtbar, wenn es die Hände vor die Augen hält. Jetzt kann ich die anderen nicht sehen, dann sehen die mich auch nicht! Trump will nicht sehen, will nicht, dass andere sehen, welche Tatsachen CNN ans Licht bringt. Schalte ich die Tatsachen-Sender aus, will sein Kleinkunstwerk sagen, dann gibt es die Tatsachen nicht mehr. Ihm wird wohl klar sein, dass das rechtlich kaum machbar wäre, doch wenigstens bildlich ausagieren will er seine Fantasie.

Dass nicht sein soll, dass nicht gewesen sein soll, was ich nicht will, das ist ein alter Wunsch. Die Deutschen warfen die Hitlerporträts an den Wänden der Wohn- und Amtsstuben ins Feuer, als die Alliierten kamen. Stalin ließ frühere Weggefährten, die zu Gegnern geworden waren, von Fotografien fortretuschieren. Stasi-Beamte schredderten tausende Dokumente, als die Mauer fiel. Palästinensische Schulbücher enthalten Landkarten, auf denen es den Staat Israel gar nicht gibt. Diktatorische Regime verwenden das Verschwindenlassen von Dissidenten zur Einschüchterung, wider die Wahrheit.

Auch im Raum des Privaten sind ähnliche Wünsche am Werk. Etwa wenn nicht gesprochen wird über Missbrauch, Suizid oder Steuerbetrug eines Verwandten. Briefe, Dokumente, Fotografien aus unliebsamen Zeiten werden „weggetan“, verängstigte Vollstrecker lassen sie aus Familienarchiven verschwinden. Da wird vertuscht, verschwiegen, bemäntelt, bagatellisiert und verdreht, alternative Versionen privater Narrative werden erfunden. Nicht selten eskaliert der offizielle wie der private Wegschaffwunsch auf dem Weg über alternative Fakten zu Faktenscheu, Faktenhass, Faktenvernichtung – und am Ende sogar zur Vernichtung derer, die Fakten und Wahrheit schätzen, sammeln, präsentieren. Eines ahnen die Faktenfeinde jedoch alle, und die Faktenfreunde wissen es eh: Gerade das Verdrängte kehrt zurück. Es meldet sich wieder mit doppelter, mit dreifacher Wucht.

Die Aufklärung ist unaufhaltsam

Die Münchner Psychoanalytikerin Thea Bauriedl beschrieb den Mechanismus in „Die Wiederkehr des Verdrängten. Psychoanalyse, Politik und der Einzelne“. Mit seiner berühmten Formel von der „Wiederkehr des Verdrängten“ ging es Freud darum zu zeigen, dass erst das Aufheben von Verdrängung zu Integrität und seelischer Gesundung führt. Nein, die große Retusche nutzt nichts. Im Archiv der Wahrheit findet sich immer wieder eine Spur, die Aufklärung ist unaufhaltsam. Für jeden, der zum Schweigen gebracht wurde, gibt es andere, die weitersprechen. Vom Inhalt jedes gestohlenen Schriftstücks gibt es irgendwo Fragmente, die der Wahrheit ans Licht verhelfen.

Wer wie Donald Trump in seiner kleinen Video-Installation seine Ängste und Wünsche zum Ausdruck bringt, hätte im Grunde einen ersten Schritt getan, wie ein Kind in einer Spieltherapie. Nur fehlt hier zweierlei. Es fehlt der Analytiker, mit dem gemeinsam das Trumpkind klären dürfte, was es da tut. Und es fehlt der geschützte Raum, der den Rahmen sichern würde. Der Mann ist Präsident und beschädigt wird die Schutzfunktion sogar des öffentlichen Raumes. Hier bleibt der Öffentlichkeit keine Wahl als selber analytisch daran zu arbeiten wie an sich selber, auch an den eigenen Verdrängungen.

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