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© AFP

US-Präsidentschaftswahl: Yes, he could - but he don't: Obamas Umgang mit ausländischen Medien

Barack Obama fährt in den Nahen Osten und nach Europa. Der US-Präsidentschaftskandidat will sein Image im Ausland aufpolieren - doch ohne die von dort stammanden Journalisten. Christoph von Marschall, unser Korrespondent in Washington, mit einem Gastbeitrag in der "Washington Post" über den Umgang Obamas mit ausländischen Medien.

Barack Obama ist auf dem Weg nach Europa. Dort erwartet ihn ein Publikum, das ihn verehrt. Aber ich frage mich, ob der Empfang genauso enthusiastisch wäre, wenn seine Fans auf der anderen Seite des Atlantiks von einem kleinen schmutzigen Geheimnis seiner bemerkenswerten Präsidentschaftskampagne wüssten: Obwohl Obama sich selbst als der Kandidat präsentiert, der die übrige Welt zu gemeinsamen Aktionen bringen und Amerikas Ansehen im Ausland wiederherstellen kann, und obwohl viele Amerikaner ihn genau deshalb unterstützen, hat er sich bisher fast durchweg geweigert, Fragen ausländischer Journalisten zu beantworten. Wenn das Flugzeug mit der Begleitpresse für diese Reise heute Abend abhebt, wird nach meiner Kenntnis kein einziger ausländischer Medienvertreter mit an Bord sein. Obamas Wahlkampfteam hat zahlreiche Anfragen internationaler Reporter abgelehnt, die den Kandidaten begleiten wollten.

Als deutscher Korrespondent in Washington bin ich daran gewöhnt, dass amerikanische Politiker nur einen kleinen Teil ihrer knappen Zeit für ausländische Reporter opfern. Das ist verständlich: Unsere Leser, Zuschauer und Zuhörer haben keine Stimme bei US-Wahlen zu vergeben. Trotzdem haben Obamas Konkurrenten sich zumindest ein wenig Zeit für internationale Journalisten genommen. John McCain hat einige Interviews gegeben, Hillary Clinton wenige. Präsident Bush gibt vor einer Reise regelmäßig Interviews am runden Tisch für eine Gruppe ausländischer Medien aus den Ländern, die er besucht. Nur Obama ignoriert uns so konsequent.

Diesen Frühling ließ Obama mindestens eine ausländische Reporterin mitreisen nach Ohio und Texas. Aber je weiter der Wahlkampf fortschreitet, desto schwieriger wird der Zugang für ausländische Korrespondenten. E-Mail-Anfragen bleiben unbeantwortet, Telefon-Anrufe werden nicht erwidert. Meine Kollegen und ich wissen: In der Hackordnung stehen wir ganz am Ende. Wir haben keine Bedeutung. Im September 2007 hielt ich in Iowa Vorträge über "Die USA in der Welt: Wie sie uns sehen". Das Publikum fragte nach den Arbeitsbedingungen ausländischer Journalisten und war erstaunt zu hören, wie wenig Zugang Obama uns gibt. Mehrere Bürger Iowas schrieben an sein Wahlkampfteam, um zu protestieren. Im Gegensatz zu mir bekamen sie eine Antwort: In einem Brief vom 24. November versicherte der Wahlkampfstab einer dieser Bürgerinnen, wie sehr Obama die ausländische Presse schätzt und dass er den Zugang für sie weiter öffnen möchte. Der Brief enthielt die Zusage, dass meine Kontaktdaten an die Kommunikationsabteilung der Kampagne weitergeleitet werden. Seither habe ich nichts mehr gehört.

Obama weiß um die Gefahren der ausländischen Presse

Da ich Obama schon seit der frühen Phase des Wahlkampfs begleitet und eine empathische (und viel gelesene) Biographie über den Senator von Illinois veröffentlicht habe, habe ich vermutlich einen besseren Zugang als die meisten anderen. Ich kenne seine politischen Berater in den Think Tanks und ähnliche Leute; manchmal kann ich ein paar flüchtige Worte mit den Pressesprechern des Senators auf Wahlkampfveranstaltungen wechseln. Aber von einem Interview mit dem Kandidaten kann ich nur träumen. Soweit ich weiß, hat noch kein einziger ausländischer Journalist eines bekommen. Ein angebliches Interview für die französische Zeitschrift "Politique Internationale" im letzten Sommer stellte sich als Fälschung heraus. Im Februar antwortete Obama schriftlich auf eingereichte Fragen der israelischen Zeitung "Yediot Ahronot" zu seinen Ansichten über Israel und den Nahen Osten.

Vielleicht betrachtet Obama die Korrespondenten der ausländischen Medien mehr als Risiko denn als Chance. Sein Wahlkampfteam musste schmerzhaft lernen, welche Rückwirkungen Kommentare gegenüber Nicht-Amerikanern zuhause haben können - man erinnere sich an Bemerkungen des Wirtschaftsberaters Austan Goolsbee gegenüber einem kanadischen Diplomaten, Obamas Kritik an der (nordamerikanischen Freihandelszone) NAFTA sei nur Wahlkampfrhetorik. Oder die Bemerkung der ehemaligen Außenpolitikberaterin Samantha Power, die Hillary Clinton in "The Scotsman" ein "Monster" genannt hatte. Vielleicht erleben wir aber auch die Arroganz, die sich mit der Nähe zur Macht einstellt. Einer seiner Berater sagte mir kürzlich: "Warum sollen wir uns Zeit für die ausländische Presse nehmen, wenn doch bereits Obamania rund um die Welt herrscht?" Obama ist gewiss beliebt in meinem Land und anderswo in Europa. Doch Europäer stellen dieselben Fragen nach seiner Erfahrung und seinem Charakter, wie Amerikaner das tun. Im Gegensatz zu US-Bürgern stimmen wir nicht mit ab, obwohl der Wahlausgang auch unser Leben beeinflussen wird - so wie es das Leben der Amerikaner beeinflusst. Sicherlich sollte ein Mann, der bereit ist, mit Amerikas Feinden wie dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad zu reden, wenigstens ein paar Augenblicke für Journalisten aus freundlicheren Staaten erübrigen können.

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