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US-Strategie: Obama setzt weiter auf nukleare Abschreckung

Die US-Regierung will künftig auch dann mit Atomschlag drohen, wenn chemische oder biologische Waffen eingesetzt werden. Damit bleibt die neue Strategie hinter den Hoffnungen auf eine atomwaffenfreie Welt zurück, die Obama selbst geweckt hatte.

Präsident Barack Obama hat die Überarbeitung der Strategie zum Einsatz amerikanischer Atomwaffen nahezu abgeschlossen. Am späten Montagabend deutscher Zeit wollte Verteidigungsminister Robert Gates offene Fragen mit Obama im Weißen Haus diskutieren. Die neue Fassung der „Nuclear Posture Review“ bleibt hinter den Hoffnungen zurück, die Obama im April 2009 mit seiner Rede in Prag über eine atomwaffenfreie Welt geweckt hat. Das Arsenal soll verringert und modernisiert werden. Die nukleare Abschreckung bleibt zentraler Teil der Verteidigungspolitik. Der Abzug der Atomwaffen aus Europa ist derzeit nur eine vage Option.

Nach einem Bericht der „New York Times“ möchte Obama die Zahl der Sprengköpfe um mehrere tausend reduzieren. Er wird nicht auf die Option des Erstschlags verzichten. Die atomare Abschreckung wird ausgedehnt. Die USA drohen künftig nicht nur bei einem Nuklearangriff mit dem atomaren Gegenschlag, sondern auch bei einem Angriff mit biologischen oder chemischen Waffen.

Ein Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Europa, den Außenminister Guido Westerwelle sowie Norwegen und die Beneluxstaaten auf die Tagesordnung des Nato-Außenministertreffens am 22. und 23. April in Tallinn setzen wollen, steht für die USA in absehbarer Zukunft offenbar nicht zur Debatte. Die „New York Times“ schreibt, die US-Regierung habe einen möglichen Abzug in Hintergrundgesprächen mit Europäern „gestreift“. Das Blatt analysiert, diese Waffen dienten „mehr der politischen Rückversicherung der Europäer als der Verteidigung“ Amerikas. Die Wahrnehmung deutscher Experten ist umgekehrt. Sie sind an einem kompletten Abbau der russischen und der amerikanischen taktischen Atomwaffen in Europa interessiert, weil sie im Kriegsfall in Polen und Deutschland eingesetzt werden könnten. Ihnen genügt die Abschreckung mit Amerikas strategischen Atomwaffen. Sie befürchten, dass weder Russen noch Amerikaner auf taktische Nuklearwaffen in ihren Verteidigungskonzepten verzichten möchten.

Der Staatssekretär für internationale Beziehungen im Pentagon, Alexander Vershbow, sagte auf Frage des Tagesspiegels: „Wir verstehen die deutsche Position.“ Er betrachte die Zukunft dieser Waffen als „langfristiges Thema“. Es gebe genug Stoff, „wenn die Debatte über die neue Nukleardokrin abgeschlossen ist“. Präsident Obama wolle „die Vision einer atomwaffenfreien Welt“ mit „der Abschreckung in der heutigen Welt“ verbinden; die richte sich nicht mehr so sehr gegen Russland. Ähnliches sagten Experten aus Obamas Nationalem Sicherheitsrat und dem US- Außenministerium in Hintergrundgesprächen mit dem Tagesspiegel. Man solle mit der Debatte über die taktischen Waffen warten, bis die Start-Gespräche mit Russland zur Reduzierung strategischer Atomwaffen beendet sind. Der richtige Ort dafür sei dann „innerhalb des Bündnisses“.

Nach Informationen der „New York Times“ trifft Obama auf den Widerstand konservativer Verteidigungspolitiker, die das Fernziel einer atomwaffenfreien Welt für „naiv und gefährlich“ halten. Er gehe in kleinen Schritten vor. Zunächst wolle er die Definition, wann die USA Atomwaffen einsetzen, „verengen“ und auf die Entwicklung neuer Atomwaffen, wie sie George W. Bush geplant hatte, verzichten.

 Christoph von Marschall[Washington]

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