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US-Truppen in Japan: Schicksalsfrage Okinawa

Japans Premier Yukio Hatoyama bricht sein Wahlversprechen: Entgegen seiner Ankündigung, dass die Tage der US-Truppen auf Okinawa gezählt seien, ist von einem völligen Abzug nun nicht mehr die Rede.

Das Versprechen verhalf ihm zum Wahlsieg im vorigen Herbst – nun musste er es brechen: Japans Premier Yukio Hatoyama kündigte damals eine Partnerschaft unter Gleichen mit Amerika an. Die Tage von US-Truppen auf Okinawa seien gezählt. Jetzt gab er massivem Druck Washingtons nach. An einem 2006 unterzeichneten Abkommen über einen Teilabzug von US-Truppen werde zwar nicht gerüttelt, sagt Hatoyama. Aber von völligem Abzug ist nicht mehr die Rede.

Die oppositionellen Liberaldemokraten (LDP) wittern ihre Chance bei den baldigen Oberhauswahlen. Nach Jahrzehnten der „einseitigen“ Beziehungen mit der alten Schutzmacht versprach Hatoyama, Japan ein neues Selbstverständnis zu geben. Dazu wollte er die umstrittene US-Luftwaffenbasis Futenma auf Okinawa schließen, obwohl die LDP-Vorgängerregierung mit Washington das Teilabzugsabkommen ausgehandelt hatte. Japan sollte den Teilabzug mit über sechs Milliarden US-Dollar mitfinanzieren. Hatoyama rechnete nicht mit einer unnachgiebigen US-Haltung. Sowohl Präsident Barack Obama als auch Außenministerin Hillary Clinton blieben hart.

Am Dienstag reiste Hatoyama zu seinem ersten Besuch seit Amtsantritt nach Okinawa, wo er einer enttäuschten Bevölkerung sagte, Futenma zu verlegen sei schwierig: „Ehrlich gesagt, es ist unmöglich.“ Im April hatten auf Okinawa fast 100 000 Menschen gegen die US-Truppen demonstriert. Zwar ist die riesige Luftwaffenbasis ein großer Arbeitgeber, doch von US-Soldaten begangene Sexualverbrechen, Unfälle sowie Fluglärm und Umweltbelastung machen die US-Präsenz höchst unpopulär. Nun forderte Hatoyamo vom Volk „Bereitschaft, die Last mitzutragen, weil die Stützpunkte nötig sind für nationale Sicherheit“. Doch meinen 59 Prozent der Japaner, Hatoyama solle zurücktreten, wenn er zu Futenma nicht Wort halten kann. Zwei Drittel der Bevölkerung sind enttäuscht über Hatoyamas Amtsführung, hauptsächlich wegen dessen Okinawa-Zaudern.

Hatoyama enttäuscht mit seinem Rückzieher die Mehrheit der Japaner

Offenbar sind ihm die strategischen Interessen Amerikas doch wichtiger als seine Wählerschaft – und dies nur drei Monate vor Schlüsselwahlen. Für Ende Mai hatte er eine Lösung der Okinawafrage versprochen. Freilich sind Japans Streitkräfte – weil an die pazifistische Nachkriegsverfassung gebunden – eine reine Defensivarmee. Und in der Region bleibt nicht nur das nahe Nordkorea ein unberechenbarer Faktor. Auch Chinas leiser Expansionismus hält nicht zuletzt Amerikas Militärstrategen auf Trab. Bislang hat sich Chinas Kriegsmarine auf Operationen entlang der eigenen Küste und um das abtrünnige Taiwan beschränkt. Im März legten zwei chinesische Zerstörer erstmals im Nahen Osten in Abu Dhabi an.

Die aufstrebende Wirtschaftsmacht breitet ihr Einflussgebiet über das östliche Asien in neue Regionen aus – eine Herausforderung für die Amerikaner. Die Chinesen geben zu verstehen, Sicherheitsaufgaben bis in den Persischen Golf wahrzunehmen, so auch für den Begleitschutz von chinesischen Handelsschiffen. Dabei erwägt Japan neue, bessere Beziehungen zu diesem China. Jüngere Spitzentreffen zwischen den früheren Erzfeinden sprachen schon von einer Ostasiengemeinschaft. Indem nun die Amerikaner Kompromisslosigkeit zu Okinawa demonstrieren, riskieren sie, dass sich Japan noch stärker vom alten Sicherheitsbündnis abzunabeln wünscht. Mit Okinawa „erlauben wir einem zweitrangigen Problem, unsere langfristige Strategie in Ostasien zu gefährden“, kommentierte der Harvard-Politologe Joseph Nye in der „New York Times“.

Daniel Kestenholz[Bangkok]

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