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US-Veteranninen: Das Leid der Soldatinnen

Fast ein Drittel der US-Veteraninnen gibt an, Kameraden hätten sie vergewaltigt – nur ein Bruchteil der Fälle kommt vor Gericht. Eine Abgeordnete bilanziert: US-Soldatinnen werden im Irak eher von Kameraden vergewaltigt als im Kampf getötet."

Zuerst wollte sie kaum glauben, was die Ärzte ihr beim Besuch eines Veteranen-Krankenhauses in ihrem Wahlbezirk in Los Angeles erzählten. 29 Prozent der dort behandelten Frauen, so erfuhr die demokratische Kongressabgeordnete Jane Harman, gaben an, während ihres Militärdienstes von Kameraden oder Vorgesetzten vergewaltigt worden zu sein. 41 Prozent sagten, sie seien während ihres Einsatzes im Irak und in Afghanistan sexuell belästigt worden.

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, hatte schon 2004 der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Task Force eingesetzt. Geändert hat sich seitdem jedoch wenig, wie die gerade veröffentlichten Statistiken belegen. 2006 meldeten US-Soldatinnen 2947 Fälle von sexueller Belästigung, 73 Prozent mehr als 2004. Im Folgejahr betrug die Zahl nach Angaben des Ministeriums für Veteranen-Angelegenheiten 2688. Ein leichter Rückgang, allerdings wurde der Erhebungszeitraum verändert und die Dunkelziffer ist extrem hoch – sowie die Aufklärungsquote gering.

Laut Angaben des Pentagons landeten 2006 von den gemeldeten mutmaßlichen Vergewaltigungsfällen nur 181 vor Gericht. Mehr als ein Drittel der Anzeigen verfolgten die Vorgesetzten gar nicht erst, „aus Mangel an Beweisen“, wie es heißt. Zum Vergleich: Im Bundesstaat Kalifornien führen 44 Prozent der Anzeigen wegen Vergewaltigung zu Festnahmen der mutmaßlichen Täter. Die Abgeordnete Harman kommt zu einem drastischen Schluss: „Die Wahrscheinlichkeit, von ihren Kameraden vergewaltigt zu werden, ist für Frauen, die in der US-Armee im Irak dienen, größer als die, im Kampf getötet zu werden.“

Staatliches Sozialsystem für Kriegsveteranen auf Männer ausgerichtet

Seit die Dimension des Problems bekannt ist, hat das Pentagon den Soldaten Aufklärung über korrekte Verhaltensweisen verordnet. In Kursen lernen sie, was sexuelle Belästigung und Vergewaltigung bedeuten. Eine 2005 eingerichtete Website soll für Aufklärung sorgen und den Frauen helfen, Übergriffe anzuzeigen. Das sei zu spät und zu wenig, sagt Helen Benedict, Professorin an der Columbia University in New York und Autorin des bald erscheinenden Buchs: „The Lonely Soldier: The Private War of Women Serving in Iraq“, auf Deutsch: (Die einsame Soldatin: Der private Krieg der Frauen, die im Irak dienen). Nach ihren Recherchen wurde knapp ein Drittel der fast 200 000 weiblichen US-Soldaten, die seit 2001 im Mittleren Osten dienen, von ihren Kameraden vergewaltigt. Mehr als 70 Prozent gaben an, sexuell belästigt worden zu ein.

Diese Erfahrungen können eine posttraumatische Belastungsstörung auslösen, unter dieser Störung leiden mitunter auch Soldaten, die aus Kampfzonen zurückkommen. Das staatliche Sozialsystem für Kriegsveteranen sei auf den Ansturm der Frauen jedoch ungenügend vorbereitet, schreibt Benedict in einem Beitrag für die „New York Times“. Es sei von Männern für Männer eingerichtet worden, warnt sie. „Frauen, die vergewaltigt oder sexuell belästigt worden sind, können oft nicht zu Therapiegruppen oder in medizinische Einrichtungen gehen, in denen die Männer dominieren.“

Zudem bilden die Frauen die am schnellsten wachsende Veteranen- Gruppe innerhalb der US-Armee. Wenn die Prognosen des Pentagons stimmen, werden sie bis 2020 rund 40 Prozent aller Kriegsheimkehrer unter 45 Jahren ausmachen. Ein weiterer Mosaikstein des schweren Erbes, das Präsident und Kriegsherr George W. Bush seinem Nachfolger hinterlässt, wenn er im Januar aus dem Amt scheidet.

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