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Hillary Clinton punktet bei Minderheiten und Frauen, verliert aber unter weißen Männern.

© John Sommers / REUTERS

US-Vorwahl in West Virginia: Clinton verliert - Wahlen, Boden und Zeit

Während Donald Trump sich auf die Hauptwahl konzentriert, drängt Bernie Sanders die demokratische Kandidatin in die Defensive. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Mai ist kein Wonnemonat für Hillary Clinton. Sie verliert eine Vorwahl nach der anderen: vor einer Woche in Indiana, nun in West Virginia und in einer Woche wohl ebenso in Kentucky und Oregon. Um die Siege ihres Rivalen Bernie Sanders in Grenzen zu halten, gibt sie programmatisch Boden preis und lässt sich von ihm weiter nach links drängen - auch das mutmaßlich kein Vorteil in der Hauptwahl; denn die wird im Kampf um die Mitte entschieden.

Sanders siegt, gewinnt aber wenig Delegierte

Und sie verliert Zeit. Ihr republikanischer Gegner Donald Trump arbeitet bereits daran, sein Lager nach einem kontroversen Vorwahl-Verlauf zu einen und Strategien für das Einwerben von Wahlkampspenden zu entwickeln. Sie bleibt im innerparteilichen Zweikampf mit Sanders gefangen, obwohl der Ausgang längst entschieden ist.

In der Delegiertenzählung für die Nominierung auf dem Parteitag führt sie mit fast 300 Delegierten - zählt man die Superdelegierten hinzu, beträgt der Vorsprung sogar 770 Delegierte. Sanders Siege in Indiana und West Virginia haben den Abstand nur um je fünf Delegiertenstimmen verringert. Das ändert nichts am Ausgang: Hillary Clinton wird die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Aber jede weitere dieser Niederlagen schmerzt politisch. Denn sie legen Clintons Schwachstellen bloß.

Sie hat ein erschreckend großes Defizit an Unterstützung unter weißen, männlichen Wählern in Staaten, die einst Industrieregionen waren oder von der Kohleförderung lebten, aber heute zum "Rust Belt" zählen wie Ohio, Pennsylvania, West Virginia und Kentucky. Früher gehörte die weiße Arbeiterschaft zu den verlässlichen Stützen der Demokraten, inzwischen geben viele weiße Arbeiter ihre Stimmen den Republikanern. Und: Soweit sie doch noch demokratisch wählen, sind sie eher bei Sanders als bei Clinton zu finden.

Clinton verärgert die Kohlekumpel

Wenn Hillary Clinton im Wahlkampf die Wende zu alternativen Energien propagiert und hinzufügt, "viele Kohleminen und Kohlekraftwerke werden sterben", weshalb man Hilfsprogramme für die betroffenen Arbeiter entwickeln müsse, munitioniert sie den politischen Gegner. Der verweist im Zweifel nur auf den ersten Teil ihrer Aussage: Viele Kohleminen und Kohlekraftwerke werden sterben. Die Kohlekumpel und ihre Verwandten folgen dann im Zweifel Trump, der den Klimawandel ein bösartiges Gerücht nennt.

In linksalternativen Staaten wie Oregon hat Clinton ebenfalls das Nachsehen gegen Sanders. Mit Blick auf diese Wählerschaft rückt sie in ihren Wahlkampfaussagen nach links, zum Beispiel in der Gesundheitspolitik. Sie verspricht zwar kein "Single Payer System" - wo ähnlich wie in Deutschland die ganze Familie kostenlos mitversichert ist, auch wenn nur ein Hauptverdiener seinen individuellen Beitrag einzahlt -, will aber den Zugang zum "Medicare"-Programm erweitern.

Sie führt unter Frauen und verliert die Männer

Wahlentscheidend sind Staaten wie Oregon allerdings nicht. Sie werden am 8. November, dem Wahltag, verlässlich demokratisch stimmen. Auch die Sanders-Anhänger dort werden ganz überwiegend Clinton ihre Stimmen geben. Sie wollen nicht zulassen, dass Trump Präsident wird und wählen Clinton als das kleinere Übel. Sorgen müssen sich die Demokraten um Schlüsselstaaten wie Ohio und Pennsylvania machen - und um den "gender gap": Clinton führt im Vergleich mit Trump zwar klar unter Frauen. Aber Trumps Vorsprung unter männlichen Wählern ist dort fast doppelt so groß wie ihre Führung unter weiblichen Wählern.

In diesem an Überraschungen reichen und schwer kalkulierbaren Wahljahr 2016 ist die traditionelle Wahlkarte der USA in Bewegung geraten. Trump gelingt es, Staaten ins Spiel zu bringen, die 2008 und 2012 für die Demokraten stimmten. Umgekehrt kann Clinton wegen ihres Vorsprungs unter Latino-Wählern auf Staaten hoffen, die zuvor republikanisch stimmten wie Arizona. Aber wie sich diese Veränderungen auf das Endergebnis auswirken, ist derzeit noch offen.

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