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Die erste Vorwahl in den USA steht an - der Iowa Caucus.

© Jim Young/REUTERS

US-Wahl 2016: Iowa ist der erste Test für Donald Trump und Bernie Sanders

In der Nacht auf Dienstag versammeln sich die drei Millionen Einwohner des Farmerstaates Iowa zum "Caucus". Ein Stimmungsbild.

In den Stunden, bevor die ersten US-Bürger bei der Vorwahl in Iowa über ihren Wunschkandidaten für das Weiße Haus abstimmen durften, bewegten zwei Fragen das öffentliche Gespräch: Kommt, erstens, der angekündigte Schneesturm vor Beginn der Wählerversammlungen um 19 Uhr Ortszeit (nach deutscher Zeit 2 Uhr morgens am Dienstag) oder erst danach? Davon hängt ab, wie viele Einwohner am "Caucus" teilnehmen, den Parteiversammlungen in den 1.681 Treffpunkten quer durch den Farmstaat im Mittleren Westen. Das kann den Ausgang entscheiden.

Und, zweitens, welche Kräfte sind in diesem außergewöhnlichen Wahljahr 2016 die stärkeren: die Energien, die ein unkonventioneller Kandidat wie Donald Trump mit seinen populistischen Parolen weckt, oder das inhaltliche Werben mit konkreten Zielen, gepaart mit systematischer Organisationsarbeit, um die eigenen Anhänger zum Caucus zu bringen, wie das Hillary Clinton verkörpert? Und bei den Republikanern Trumps Konkurrent Ted Cruz.

Der amerikanische Optimismus ist verflogen

Diese zweite Frage hat nicht nur für Iowa Bedeutung, sondern für alle folgenden Vorwahlen: in acht Tagen in New Hampshire, gefolgt von South Carolina, Nevada und dem "Super Tuesday" am 1. März mit Abstimmungen in einem Dutzend Staaten. Kommt in Iowa und dann in den nächsten Staaten das Sozialgeflecht in Bewegung? Welche Gruppen beteiligen sich an den Vorwahlen, welche nicht? Ist auf die Erfahrungswerte früherer Wahlen 2016 noch Verlass oder zählen sie nicht mehr? 

Ein verbreitetes Lebensgefühl unter durchschnittlichen Amerikanern ist nicht mehr der früher typisch amerikanische Optimismus. Sondern Frustration, dass es persönlich kaum noch aufwärts geht; an das Versprechen, dass die Kinder es besser haben werden als man selbst, glauben derzeit nur wenige. Der Aufschwung seit der Finanzkrise nutzt nach diesem Gefühl vor allem den Konzernen, den Banken, den Reichen, nicht aber Joe Avarage. Das ist in den Farmgemeinden und Kleinstädten der "Heartlands" intensiver zu spüren als in den großen Metropolen an den beiden Küsten.

In Sachen Wetter entspannte sich die Lage im Lauf des Montag zumindest ein bisschen. Das von Westen, von den Rocky Mountains nahende Wolkensystem sollte Iowa nicht vor 19 Uhr erreichen und Schneefall in der Hauptstadt Des Moines erst gegen 22 Uhr einsetzen. Das würde allenfalls Wähler im Südwesten und Westen des ersten Vorwahlstaats vom Caucus abhalten. Bürger in Zentral-Iowa und im Osten wären längst wieder im Schutz der eigenen vier Wände, ehe der Schnee kommt. Je mehr Leute kommen, desto besser nach allgemeiner Erwartung bei den Republikanern für Donald Trump und bei den Demokraten für den "Sozialisten" Bernie Sanders. Bleibt die Beteiligung so wie früher – je 120.000 Bürger in jedem Lager -, begünstigt das bei den Republikanern Ted Cruz, bei den Demokraten Hillary Clinton.

Donald Trump hält nichts von Political Correctness

Eine offene Wette blieb am Montag in Iowa hingegen, welche Kandidaten ihre Anhänger am besten motivieren würden, zum Caucus zu gehen. Die Gespräche mit Wählern bei den Schlusskundgebungen der Kandidaten, zum Beispiel von Donald Trump und HillaryClinton in Council Bluffs am Sonntag Nachmittag, liefern Hinweise. Aber sind sie übertragbar auf das ganze Land oder nur ein Zufallseindruck?

Council Bluffs ist eine Kleinstadt im agrarisch geprägten Westen Iowas, kurz vor der Grenze zu Nebraska. Die zweistündige Autofahrt von der Hauptstadt Des Moines führt durch hügeliges Ackerland mit vereinzelten rot gestrichenen Scheunen und metallenen Silotürmen, in denen sich die Wintersonne spiegelt. Mais, Hafer und Soya sind typische Früchte. Jetzt liegen die Felder unter Schneeresten.

Unser Quiz zur US-Wahl 2016:

Donald Trumps Anhänger strömen in die Sporthalle der Middle School, etwa 300 sind es, keineswegs nur ältere weiße Männer wie sonst häufig, sondern auch Familien mit Kindern. Die Titelmusik des Bond-Thrillers "Skyfall" dröhnt aus den Lautsprechern. Vorne auf der erhöhten Bühne warten zwei Sessel vor US-Flaggen im XL-Format.

Jerry Falwell, Sohn eines berühmten Baptistenpredigers, führt ein. Er wirkt etwas müde, unkonzentriert und umständlich, holt zu weit aus, ehe er zum Punkt kommt. Des tut der Stimmung aber keinen Abbruch. Erst gibt er sich leutselig. Vor dem Abflug daheim in Virginia habe er noch die Pferde füttern müssen, weil dort noch Schnee liege wie hier. Dann preist er Trump als den Anführer, auf den Amerika warte. Er sei nicht käuflich, er habe Firmen vor dem Bankrott gerettet und werde "auch unser Land wieder in Ordnung bringen". Und Trump halte sich nicht an das Diktat der Political Correctness.

Mexiko soll den Grenzzaun bezahlen

Nun kommt Trump, dunkelgrauer Anzug, blaue Krawatte. "Was für eine nette Begrüßung! Keiner macht das besser als Jerry, nicht wahr", fordert er Applaus. "Ich weiß auch nicht, warum die mir einen Sessel hingestellt haben", sagte er im Setzen. "Ja, bleib stehen, sonst können wir Dich nicht sehen", ruft es aus dem Publikum. Trump bleibt sitzen, als habe er nichts gehört. Auch er wirkt müde vom Marathon an Auftritten quer durch Iowa, spult seine Message aber routiniert herunter. Die letzte TV-Debatte habe er absagen müssen "nachdem Fox mich so schlecht behandelt hat". Manchmal müsse man den Verhandlungstisch eben verlassen, um sich durchzusetzen. Das hätte Obama bei den Iran-Gesprächen auch tun müssen. Applaus, manche johlen.

Aber das Beste an seiner Absage sei, dass sie zu Gutem geführt habe: Seinem Spendenaufruf für Veteranen parallel zur Debatte. Der habe sechs Millionen Dollar eingebracht – und so bittet er nun Rachel LaPrade von der Puppy Jake Foundation auf die Bühne, die Hunde für Blinde und Behinderte trainiert, und übergibt ihr einen überdimensionalen Scheck im Wert von 100.000 Dollar. "Ist das nicht toll?", mischt sich Jerry Falwell ein. "Ein Politiker, der Geld gibt, statt es zu nehmen!"

LaPrade darf wieder gehen, Trump hat es offenbar eilig, seine Mängelliste für Amerika durchzugehen: die "„crisis with ISIS", verstärkt durch die "völlig verrückte deutsche Politik", Flüchtlinge massenhaft ins Land zu lassen. "Da sind Terroristen darunter, Germany hat jede Kontrolle verloren. Die lassen Menschen ohne Papiere und ohne Backgroundchecks ins Land, das ist unverantwortlich."

Klar, "auch wir haben ein Herz. Leute dürfen weiter zu uns kommen, aber nur auf legalem Weg."  Er werde das Militär verstärken, "ich bin der militärischste von allen Kandidaten".  Und er baut eine Mauer an der Grenze zu Mexiko. "Wer wird die bezahlen?" Aus dem Raum kommt im Sprechchor die Antwort: "Mexiko!", gefolgt von Gejohle.

Trump: Nur ich kann Hillary Clinton besiegen

Noch ein paar Seitenhiebe auf Ted Cruz, den zweiten in den Umfragen; der sei völlig unglaubwürdig.  Und auf die Presse. "Die Journalisten da hinten, das sind die verlogensten Typen überhaupt", weist er auf die Medienleute hinten im Saal, die ihn seit Wochen begleiten und über seinen Wahlkampf berichten. Andere Kampagnen bemühen sich um ein entspanntes, freundliches Verhältnis zu den Medien. Dann kommt die Schlussfrage: "Wisst ihr alle, wo euer Caucus ist? Gut. Stimmt für mich. Ich mache ,America great again‘, das verspreche ich euch."

Nun bittet er erst Jerry Falwells Familie auf die Bühne, dann die eigene. Melania, ein Fotomodell aus Slowenien und seine dritte Ehefrau, gibt ihm einen Kuss und sagt mit unverkennbar slawischem Akzent: "Ich habe ihm immer gesagt: Wenn er antritt, wird er gewinnen. Er ist der beste Dealmaker der Welt." Dann tritt sie ab. Trump holt Tochter Ivanka auf die Bühne, hochschwanger: "Der Arzt hat gesagt, sie solle nicht reisen, aber sie wollt unbedingt. Und was wäre das für ein Ding, wenn das Baby hier in Iowa auf die Bühne kommt. Dann würde ich haushoch siegen." Auch Ivanka preist ihn devot. "Er kriegt Deals hin wie sonst keiner. Das braucht unser Land jetzt."

Trump verspricht, dass er als einziger von den Republikanern Hillary besiegen kann. "Mit mir holen wir Staaten, die sonst demokratisch stimmen, zum Beispiel New York. Alle lieben mich dort. Und ebenso Pennsylvania, Virginia, Ohio, Florida." Der Saal klatscht, vielen ist die Begeisterung anzusehen. Andere wirken nicht so gepackt. Und einige wenige sind bereits während der Rede gegangen.

Nur gut zwanzig Minuten hat der Auftritt gedauert. Von der Organisationskraft, auf dies es nach den alten Regeln in Iowa ankommt, ist wenig zu sehen. Keine Helfer sprechen die Bürger an, um Namen, Telefonnummern, Emails aufzuschreiben – mit dem Ziel, sich am Montag zu vergewissern, dass die Anhänger auch wirklich zum Caucus gehen.

Hillary Clinton punktet mit Erfahrung

Eine Stunde später, drei Meilen entfernt in der Abraham-Lincoln-High-School, wo Hillary ihre Kundgebung hat. Eine lange Schlange wartet auf Einlass. Insgesamt sind es zwar auch nicht deutlich mehr als bei Trump, aber das Schulfoyer, wo alle hin wollen, ist kleiner als Trumps Sporthalle. Der Frauenanteil ist höher. Und nach dem ersten äußeren Eindruck gilt das auch für die Identifizierung mit der Kandidatin. Viele tragen Hillary T-Shirts oder Hillary-Plakate. Warum sie hier sind? "Weil Hillary eine Frau ist", sagt die zwölfjährige Kelly. "Nein, das ist nicht der Hauptgrund", korrigiert ihre Mutter. "Weil sie die meiste Erfahrung hat."

Drinnen erinnert eine 66-jährige lokale Parteigröße unter Tränen an ihre Mutter, die jetzt 103 Jahre alt wäre und noch Zeiten kannte, als Frauen nicht mal wählen durften. "Hillary ist eine Kämpferin! Sie glaubt auch daran, dass jeder Mensch die Person heiraten darf, die sie oder er liebt." Ein Videofilm zeigt Hillarys politische Lebensstationen: den ersten, damals noch vergeblichen Kampf um die allgemeine Krankenversicherung als First Lady. Der Angriff an 9/11 auf New York, als Hillary Senatorin war und sich später für die Versorgung der gesundheitlich geschädigten Feuerwehrleute einsetzte. Ihre Auftritt als First Lady und als Außenministerin in China: "Frauenrechte sind Menschenrechte. Menschenrechte sind Frauenrechte."

Die Energie und die Entschlossenheit hier im Raum wirken ungleich größer als bei Trump. Frenetischer Jubel, als Chelsea Clinton ans Mikrofon tritt. "Ich bin stolz, die Tochter meiner Mutter zu sein. Dies ist die erste Wahl, an der sich selbst als Mutter teilnehme. Meine Tochter Charlotte ist 16 Monate und ich trage ihr Geschwisterchen im Bauch. Da will ich eine Präsidentin haben, die für Kinderrechte eintritt, die den Klimawandel nicht leugnet und vernünftige Waffengesetze fordert."

Auftritt Hillary. "Thank you, Council Bluffs! Wo sind meine Precinct Captains? Ich will euch sehen, um euch zu danken, dass ihr beim Caucus für mich werben und meine Anhänger organisieren werdet."

Iowa ist der erste große Test

Rund 40 Minuten geht sie konzentriert durch ihr politisches Programm: Wirtschaft, Jobs, Klimawandel. Drei Länder haben das Zeug dazu, World Champion bei erneuerbaren Energien zu werden: "Deutschland, China – und wir. Ich möchte, dass wir es sind." Sie erklärt an praktischen Beispielen, was ihre Ansätze von denen der Republikaner unterscheidet. Ihren parteiinternen Konkurrenten Bernie Sanders nennt sie nicht beim Namen. Zur Distanzierung sagt sie nur: "Ich möchte lieber zu wenig versprechen und es dann über-erfüllen als umgekehrt."

Woher das Geld kommen soll? "Von denen, die es haben." Auch Milliardär Warren Buffett habe gefordert, dass von jeder Million Einkommen trotz Abschreibungen mindestens 30 Prozent Steuern zu zahlen sind. "Die Mittelklasse muss wieder spüren, dass das System fair ist." Zum Schluss wird sie energischer, lauter, drängender. "Setzt auf mich, setzt auf die Erfahrung!" Jubel im Saal, die Hillary-Plakate fliegen in die Höhe, Tränen fließen. Noch geht sie aber nicht. Es folgt der nächste Teil des Iowa-typischen Wahlkampfs; die "Rope Line". Absperrungen trennen den Rednerbereich vom Publikum. Hillary geht hin, schüttelt Hände, schreibt Autogramme, macht Selfies mit ihren Anhängerinnen. Währenddessen vergewissern sich Helfer, ob auch alle, die gekommen sind, am Montagabend zum Caucus gehen, ob sie Hilfe brauchen, Fahrdienste, Babysitter. "Get the vote out", heißt diese Operation in Amerika.

Iowa ist der erste große Test, ob Trump nur in den Umfragen führt oder auch Abstimmungen gewinnen kann, weil er seine Anhänger zwar anders, aber ähnlich effektiv motiviert wie Cruz oder Clinton. Ganz Amerika will wissen, ob 2016 noch die gewohnten Wahlmechanismen gelten oder mit Trump neue Regeln Einzug halten.

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