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US-Wahl: Deutschland atmet auf

Finanzkrise, Klimawandel, Konfliktherde – in Berlin sind die Erwartungen an den neuen US-Präsidenten Barack Obama groß. Manche Politiker warnen vor unangemessener Euphorie.

Von Hans Monath

Berlin - Als „Sternstunde der Demokratie“ pries FDP-Chef Guido Westerwelle den Machtwechsel in den USA – und fand damit eine Formulierung, hinter der sich alle anderen Bundestagsparteien versammeln konnten. Deutsche Politiker lieferten sich am Dienstag denn auch fast ein Wettrennen, um zuerst die Glückwünsche über den Atlantik zu schicken. Doch deutlicher als in der Bevölkerung sieht man in Regierung und Parlament in Berlin, dass mit Barack Obama auch neue Herausforderungen auf die deutsche Außenpolitik zukommen.

Viele Außenpolitiker bemühten sich deshalb am Dienstag darum, allzu große Euphorie zu dämpfen. „Obama ist amerikanischer Präsident, nicht europäischer Präsident“, warnte etwa SPD-Experte Hans-Ulrich Klose vor überschießenden Erwartungen: „Er wird amerikanische Interessen verfolgen.“

Die meisten Experten rechnen zudem damit, dass die von Obama versprochene Rückkehr zur Einbindung der Partner unbequeme Seiten hat: Der neue US-Präsident werde zwar die Hand ausstrecken. Doch wer dann zugreife und mitreden wolle, müsse sich auf Forderungen nach größeren deutschen Leistungen zur Bewältigung gemeinsamer Aufgaben einstellen. Schließlich hatte Obama bei seinem Besuch in Berlin vor wenigen Monaten nicht nur aus deutschem Blickwinkel wichtige Themen wie Abrüstung und Klimaschutz angesprochen, sondern sehr deutlich auch stärkere Beiträge der europäischen Partner eingefordert. Einem US-Fernsehsender sagte er damals sogar, eine Verstärkung des US-Militärs durch die Verbündeten werde den amerikanischen Steuerzahler entlasten. Lastenteilung heißt das Stichwort.

Vor allem die Chance zum Neuanfang in den deutsch-amerikanischen Beziehungen betonte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Der Hausherr im Auswärtigen Amt bemüht sich schon lange, die Bindung über den Atlantik durch Angebote zur gemeinsamen Arbeit an der Lösung globaler Herausforderungen wie etwa der Klimakrise zu stärken. Auch im Kanzleramt herrscht die Erwartung, dass mit Obama als Gegenüber zwar nicht alles anders, aber manches einfacher werden wird.

Als Kanzlerin Angela Merkel Obama vor den Kameras gratulierte, nannte sie als erste gemeinsame Herausforderung vor dem Kampf gegen den Terror und dem Klimaschutz die Finanzkrise. Aus deutscher Sicht ist noch völlig unklar, für welche Strategie sich der 44. US-Präsident in der Finanzkrise entscheiden wird. Nicht völlig ausgeschlossen wird in Regierungskreisen etwa eine neue US- Währungspolitik, mit der die Kosten des US-Rettungspakets ausgelagert und auf die Schwellenländer abgewälzt werden könnten. Erste Hinweise auf Obamas Vorstellungen erhofft man sich vom internationalen Krisengipfel Mitte November in Washington, zu dem Obama von Präsident Bush schon eingeladen wurde.

In der Handels- und Wirtschaftspolitik wird damit gerechnet, dass Obama zur Stärkung der heimischen Wirtschaft Entscheidungen zu Lasten der exportorientierten deutsche Wirtschaft treffen könnte. Schließlich hatte der damalige Kandidat eine treibende Rolle bei der Entscheidung zur Neuausschreibung des Milliarden-Auftrags für die Tankflotte der US-Air-Force gespielt, der zum Ärger des US-Konkurrenten Boeing zuvor an das europäische Konsortium Airbus gegangen war. „Leichte Tendenzen zum Protektionismus sehe ich bei Obama“, warnt etwa Klose: „Ich hoffe, er verfolgt diesen Weg nicht weiter.“

Volle Unterstützung findet Obama in Berlin mit seiner Ankündigung, die US- Kräfte möglichst schnell aus dem Irak abzuziehen, um das Kernproblem Afghanistan zu lösen. In der Frage, ob der neue Mann im Weißen Haus mehr deutsche Soldaten fordern oder gar einen Einsatz im gefährlichen Süden Afghanistans verlangen wird, hat sich die deutsche Einschätzung in den vergangenen Monaten verändert: Mittlerweile sind eher beruhigende Töne zu hören. So rechnet etwa der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden nicht damit, dass zu den ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten die Forderung nach mehr deutschen Truppen in Afghanistan gehören wird. Solche Befürchtungen seien „übertrieben und eher ein Zeichen mangelnden Selbstbewusstseins“, meint er. Auch Hans-Ulrich Klose sagt, Obamas Berater wüssten genau, „dass 2009 in Deutschland mehrere Wahlen anstehen“. Ähnliche Einschätzungen sind auch aus der Bundesregierung zu hören. Allerdings wird in Berlin durchgehend damit gerechnet, dass dann Forderungen nach einer massiven Ausweitung des zivilen Engagements auf Deutschland zukommen. Deutsche Außenpolitiker plädieren seit langem dafür, Pakistan bei der Stabilisierung Afghanistans stärker einzubinden.

Schließlich hoffen deutsche Experten, dass die von Obama in Aussicht gestellten direkten Gespräche mit der Führung in Teheran Bewegung in den Atomstreit mit dem Iran bringen könnten. In deutschem Interesse läge auch ein Neuanfang in den Beziehungen Washingtons zu Moskau, die während Bushs Amtszeit auch durch amerikanische Alleingänge belastet wurden. Obama steht für einen weit moderateren Kurs gegenüber Russland als Bush oder als sein Konkurrent John McCain, der schon weit vor der Georgien-Krise ein hartes Vorgehen gegen die aufstrebende Macht verlangt hatte.

Auch beim Klimaschutz und bei den Bemühungen um Abrüstung setzt die deutsche Politik große Hoffnungen auf den neu Gewählten. So rechnet etwa SPD-Experte Klose wie viele andere damit, dass sich die Amerikaner anders als unter Präsident Bush „an einer Nachfolgeregelung für Kyoto beteiligen werden“.

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