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Politik: US-Wahl: Die Glückwunschmaschine

Sein Sieg stand noch nicht fest, da hielt George W. Bush bereits Glückwunschschreiben aus aller Welt in der Hand.

Sein Sieg stand noch nicht fest, da hielt George W. Bush bereits Glückwunschschreiben aus aller Welt in der Hand. Kaum konnte man im US-Nachrichtensender CNN verfolgen, wie Al Gore seinem Kontrahenten zum Sieg gratuliert, lief weltweit die Pressemaschinerie an. Dieses öffentliche Eingeständnis der Niederlage gilt normalerweise als sicheres Zeichen dafür, dass die Entscheidung gefallen ist. Und nun wollte jeder unter den ersten Gratulanten sein. Bundespräsident Rau hätte es fast geschafft. "Wir kennen Sie als guten Freund unseres Landes und freuen uns auf die Fortsetzung der engen Freundschaft unserer Völker während ihrer Amtszeit", schrieb er an den Republikaner. Kurze Zeit später ging das Schreiben auch an die Presse, wurde aber nach einer Dreiviertelstunde zurückgezogen mit dem Hinweis: "Den Glückwunsch des Bundespräsidenten an George W. Bush bitte noch nicht veröffentlichen!!!" Das Fax nach Texas konnte gerade noch gestoppt werden. Das Rennen auf das Weiße Haus ging in eine neue Runde. In Florida mussten die Wählerstimmen neu ausgezählt werden.

Auch die PDS-Vorsitzende Gabriele Zimmer konnte es nicht mehr abwarten. Schon am Mittwochmorgen mutmaßte sie, Bush habe nur wegen seiner hohen Wahlkampfausgaben gewonnen. Kurze Zeit später wollte sie die Erklärung gar nicht mehr abgegeben haben. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, konnte seine Freude nicht zurückhalten. Übereilt verkündete er siegesgewiss: "Der Wahlsieg von Gouverneur Bush bei den Präsidentschaftswahlen in den USA setzt ein klares Signal: Er stoppt den Linkstrend in den westlichen Demokratien."

Noch schneller als die deutschen Gratulanten war der französische Staatspräsident Jacques Chirac. Er faxte an Bush, dass er sich auf die Zusammenarbeit freue, "um das französisch-amerikanische Einvernehmen zu verstärken". Außerdem rühmte der Franzose Bushs besondere Fähigkeit "zum Dialog und zum Zuhören". Chirac und seine Mitarbeiter waren am Mittwochvormittag offensichtlich derart in ihre Amtsgeschäfte vertieft, dass sie ihren Fauxpas gar nicht bemerkten. Bis zum frühen Nachmittag hatten sie ihre Erklärung nicht zurückgenommen. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua verbreitete nach den ersten Meldungen über einen Sieg Bushs eine kurze Notiz mit "Glückwünschen". Das Presseamt der russischen Regierung äußerte sich zuversichtlich, dass die bilateralen Beziehungen unter Bush "zum gegenseitigen Nutzen" auf der Grundlage der "positiven Erfahrungen" der Vergangenheit weitergeführt würden. Ein paar Stunden später wurde Bush nicht mehr namentlich erwähnt. Moskau sprach allgemein vom Willen zu einem "aktiven Dialog".

Als wahrer Diplomat entpuppte sich Großbritanniens Außenminister Robin Cook. Mit feiner englischer Zurückhaltung formulierte er seinen Glückwunsch: "Ich gratuliere George Bush, falls sich bestätigt, dass er gewonnen hat. Wir wollen mit ihm zusammenarbeiten und Großbritannien als einzigartige Brücke zwischen Amerika und Eruopa aufrecht erhalten." Diese Erklärung kann stehen bleiben, selbst wenn doch noch Al Gore zum Sieger gekürt werden sollte.

Bundeskanzler Schröder und Bundesaußenminister Joschka Fischer hielten sich ebenfalls zurück. Schröder wollte sich ursprünglich schon vor Beginn der Kabinettsitzung um 9 Uhr 15 zum Wahlausgang äußern. Nach den Zweifeln am Wahlergebnis verschoben er und Fischer ihre Stellungnahmen.

Dass es keine vorgefertigten Phrasen oder Textbausteine für Glückwunschschreiben gebe, war den Fraktionen aller Parteien wichtig zu versichern. Jeder Glückwunsch werde persönlich auf den Empfänger zugeschnitten. Bei der FDP sogar von Wolfgang Gerhardt persönlich. "Der Gerhardt, der kann das. Der ist flexibel", hieß es aus der liberalen Fraktion.

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