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Politik: US-Wahl entschieden?: "Es bleibt eine Narbe"

Knud Krakau (66) ist Jurist und Historiker am Kennedy-Institut für Nordamerikastudien in Berlin.Wie beurteilen Sie die historische Bedeutung des Richterspruchs?

Knud Krakau (66) ist Jurist und Historiker am Kennedy-Institut für Nordamerikastudien in Berlin.

Wie beurteilen Sie die historische Bedeutung des Richterspruchs?

Was die Präsidentschaft angeht, sind die Amerikaner zunächst einfach froh, dass die lange Politikkomödie - oder -tragödie - zu Ende ist. Was den Supreme Court angeht, wird das Bild bleiben, das das Gericht praktisch das Zählen von Stimmen verboten hat - und das in einem System, in dem jede Stimme als demokratisches Urrecht gesehen wird. Das wird dem Gericht nachhängen.

Wird auch das Ansehen des neuen Präsidenten unter den Ereignissen der vergangenen Wochen leiden?

Nein. Sein Ansehen in der Zukunft wird weniger von den Ereignissen der vergangenen fünf Wochen geprägt sein, als viel mehr von seiner künftigen Politik.

Gibt es in der Geschichte ähnliche Fälle, in denen Richter Politik so stark beeinflussten?

Ja. Der amerikanische Supreme Court löst in der heutigen Zeit fast ausschließlich Verfassungsfragen - die natürlich immer auch politische Fragen sind. So das Urteil zur Festlegung der Rassentrennung 1896 und dessen Aufhebung 1954. Oder die Entscheidungen zur Abtreibung, zum Wahlrecht und die "one man - on vote"-Entscheidung von 1962. Das waren immer extrem politische Entscheidungen. Aber es gibt keinen Fall, wo der Supreme Court in vergleichbarer Weise in die Präsidentenwahl eingegriffen hat.

Wie werden die vergangenen Wochen in die US-Geschichte eingehen: Als Sieg von Demokratie und Rechtsstaat - oder als dessen Erschütterung?

Wenn man die inhaltliche Substanz der Demokratie betrachtet, den Respekt des Wählerwillens, dann bleibt eine Narbe, weil das Gericht die Berücksichtigung von Stimmen verbietet. Wenn man aber den prozedualen Aspekt von Demokratie betrachtet, also Verfahrensgerechtigkeit, dann kann man in der Entscheidung durchaus eine Bestätigung des demokratischen Systems sehen.

Welche Langzeitfolgen hat die Auseinandersetzung für das politische System und für die Gesellschaft der USA?

Für die Gesellschaft wird sie keine großen Folgen haben. Es bestehen zwischen den beiden Kandidaten und ihren Positionen zu geringe Unterschiede, um dauerhafte gesellschaftspolitische Konflikte auszulösen. Es wird aber darüber nachgedacht werden, ob die indirekte Wahl des Präsidenten über das anachronistische Wahlmännerkollegium noch zeitgemäß ist. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass das wirklich geändert wird. Ich vermute, dass 2004 die Wahl wieder nach dem selben Modus stattfindet.

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