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Politik: US-Wahl: Jagd auf Insider-Zahlen

Als Jimmy Carter 1980 gegen Ronald Reagan verlor, räumte der Demokrat seine Niederlage ein, als die Wahllokale in den US-Bundesstaaten der Westküste noch gar nicht geschlossen hatten. Carters örtliche Parteifreunde waren ziemlich sauer auf den scheidenden Präsidenten.

Als Jimmy Carter 1980 gegen Ronald Reagan verlor, räumte der Demokrat seine Niederlage ein, als die Wahllokale in den US-Bundesstaaten der Westküste noch gar nicht geschlossen hatten. Carters örtliche Parteifreunde waren ziemlich sauer auf den scheidenden Präsidenten. Das Weiße Haus hätte er zwar auch mit Siegen in Oregon und Washington nicht retten können. Doch immerhin wären demokratische Wähler nicht so enttäuscht worden, dass sie den Gang in die Wahlkabinen ausfallen ließen und damit zugleich mehreren Kongressabgeordneten die Sitze stahlen.

Am Dienstag fand das selbe Spiel statt: Wer hat wann welche Zahlen, verkündet sie wie und beeinflusst damit wen? Seit den späten sechziger Jahren gibt es in den USA den "Voter News Service", ursprünglich ein Konsortium der wichtigsten Fernsehsender und der Nachrichtenagentur AP. Der "Voter News Service" ist für die "exit polls" zuständig, die Nachfrage bei Wählern während des Verlassens der Wahllokale, wie sie sich denn nun entschieden haben.

Auf diesen Zahlen beruhen die Prognosen. Die Mitarbeiter des "Voter News Service" befragen die Wähler während der Mittagspause und am frühen Nachmittag. Statistisch erwischen sie damit einen repräsentativen Teil der Wählerschaft - Berufstätige und Rentner. Die Ergebnisse der "exit polls" versendet der "Voter News Service" gegen 15 Uhr amerikanischer Ortszeit an seine rund 100 Abonnenten, die für diesen Dienst tief in die Tasche greifen müssen.

Offiziell sind die Daten der Prognosen dann unter Verschluss, bis im jeweiligen Bundesstaat die Wahllokale schließen. Nur ein paar ausgesuchte US-Chefredakteure wissen also schon am Nachmittag, wie das Ergebnis in "Schaukelstaaten" wie Florida oder Pennsylvania aussehen könnte. Die Lager beider Präsidentschaftskandidaten tappen als Nicht-Abonnenten derweil noch im Dunkeln. Traditionsgemäß machen sich die Großen der US-Medienkonzerne einen Spaß daraus, Freund Al oder Kumpel George anzurufen und erste Reaktionen einzuholen.

Dieses Spiel unter Insidern haben bei den diesjährigen Vorwahlen drei Internet-Publikationen durchbrochen. Slate, National Review Online und der "Drudge Report" haben sich die "Voter News Service"-Zahlen auf Umwegen besorgt und sofort veröffentlicht. Für den 7. November hatten zwei der drei Missetäter beteuert, sich diesmal an die Sperrfristen halten zu wollen. "Ich werde den Zorn des Establishments riskieren", verkündete Matt Drudge dagegen selbstbewusst.

Der Besitzer von Slate, Microsoft, hat Angst vor Copyright-Prozessen. Auch der CNN.com-Konkurrent FoxNews.com hat sich im Vorfeld der Wahl verpflichtet, keine vorzeitigen Prognosen zu veröffentlichen. Chefredakteur Scott Norvell meint: "Falls ich Gore unterstütze und höre, dass der einen Staat entweder sicher oder schon verloren hat, gehe ich doch nicht mehr wählen. Das behagt mir nicht!"

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