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US-Wahl: Kein Ort für Verlierer

Vor vier Jahren wurde die US-Wahl in Ohio entschieden – auch diesmal ist der Bundesstaat hart umkämpft.

Matthew Damschroder ist sichtlich stolz, wenn er von seinem Wahlbezirk spricht. „Das hier ist ein Swing County in einem Swing State.“ Damschroder ist Direktor des Wahlvorstandes in Franklin County im US-Bundesstaat Ohio. Seinem Bezirk kommt im Kleinen die Rolle zu, die im Großen der Staat Ohio als Ganzes spielt. Beide haben das Potenzial, zum Zünglein an der Waage zu werden. So war es zuletzt 2004, als George W. Bush nur deshalb noch einmal zum Präsidenten gewählt wurde, weil er die 20 Wahlmännerstimmen des Staates Ohio knapp gewann. Sein Abstand zum damaligen Gegenkandidaten John F. Kerry betrug auf der Ebene des Staates nur 110 000 Stimmen. Hätten sich also rund 55 000 Wähler – zum Beispiel unter den 1,1 Millionen Einwohnern von Franklin County – anders entschieden, hätte die Welt in den vergangenen vier Jahren einen anderen US-Präsidenten erlebt.

Auch diesmal wird Franklin County (zu dem auch die Hauptstadt Columbus gehört) den Trend vorgeben, da ist sich Wahlleiter Damschroder sicher. Und das entscheidende Kennzeichen dieser Wahl glaubt er bereits ausgemacht zu haben. Das Engagement der Wähler erreiche Ausmaße, die in der jüngeren Geschichte der USA unbekannt seien. In großem Umfang ließen sich Bürger in den Wählerlisten registrieren, die vorher noch nie an einer Wahl teilgenommen hätten. Dabei gehe es vor allem um jüngere Leute und Afroamerikaner.

Damschroder rechnet in seinem Bezirk mit einer Wahlbeteiligung von rund 80 Prozent – bei der Wahl 2004 waren es noch 67 Prozent. Um den Andrang am eigentlichen Wahltag, dem 4. November, zu reduzieren, sind in Ohio schon seit Tagen einige Wahllokale geöffnet. Dort liegt dann auch ein Muster des Stimmzettels aus, der insgesamt sechs eng bedruckte Seiten umfasst – in Ohio wird nämlich nicht nur über den Präsidenten, sondern auch über mehrere Dutzend lokale Ämter und verschiedene Bürgerbegehren abgestimmt. Obwohl die Stimmabgabe geheim ist, verrät Damschroder eines: „Viele Leute füllen nur die erste Frage aus – die nach dem Präsidenten. Es sind Leute, die allein deshalb kommen, weil sie Obama wählen möchten.“

Tatsächlich setzen die Demokraten so ziemlich alles daran, dass in Ohio, das wegen seiner Bevölkerungsstruktur oft als verkleinerte USA gesehen wird, diesmal nichts schiefgeht. 77 Büros hat Barack Obama in dem Elf-Millionen-Staat einrichten lassen, 300 bezahlte Mitarbeiter erledigen für ihn Hausbesuche und Anrufe, dazu kommen hunderte Freiwillige. Am Donnerstag und Freitag kamen sogar Hillary und Bill Clinton zu getrennten Veranstaltungen nach Ohio, um Wahlkampf für den früheren Rivalen Obama zu machen.

Das alles unterstreicht die Bedeutung des Staates für die nationale Wahl: Seit 1882 gab es nur zwei Präsidentschaftskandidaten, die hier verloren haben, aber trotzdem den Einzug ins Weiße Haus geschafft haben. „Wenn Barack Obama Ohio gewinnt, ist er auch Präsident der USA“, prophezeit Gregory Haas, einst Kampagnenmanager für Bill Clinton in Ohio und Sprecher des Vizepräsidentschaftskandidaten Joe Biden. Selbst wenn es im Moment nach den Umfragen so aussehe, als sei Obama nicht zwingend auf den Gewinn Ohios angewiesen, bleibe Ohio der am härtesten umkämpfte Schauplatz bis zum 4. November. „Ohio ist ein pragmatischer Staat und nicht besonders ideologisch geprägt“, sagt Haas. Das eröffne gute Chancen für die Demokraten, auch wenn die Republikaner auf dem Land und im Süden des Staates sehr stark seien. Der wirtschaftliche Niedergang schlage in Ohio mit seinen krisengeplagten Städten wie Cincinnati und Cleveland besonders hart durch. 2004 sei die Wahl dagegen noch vom Thema Terror und Sicherheit geprägt gewesen. Davon habe George W. Bush profitieren können. „Die Leute in Ohio haben Angst vor der Welt – obwohl sie mitten in den USA leben, weit weg von den Küsten“, sagt Haas.

In den aktuellen Umfragen in Ohio liegt Obama mit 49 zu 46 Prozent gegenüber John McCain in Führung. McCain wird noch einige Male in den Bundesstaat reisen, um persönlich für sich zu werben. Allerdings gibt es Republikaner in Ohio, die offen darüber reden, dass sie die Wahl schon jetzt für verloren halten. „McCain hat die amerikanische Öffentlichkeit nicht davon überzeugt, dass er die Wirtschaft beleben kann“, sagt zum Beispiel Bill Harris, Präsident des Senats von Ohio und damit ranghöchster Republikaner des Staats.

Dass die Nervosität im republikanischen Lager recht groß ist, verdeutlichte auch ein Auftritt der Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin am Freitag in der Nähe von Cincinnati. Darin warf sie Obama vor, in Verbindung mit der Freiwilligenorganisation Acorn zu stehen, die Wählern bei der Registrierung hilft. Acorn habe Adressen doppelt und dreifach verwendet oder sogar gefälscht, lautet der Vorwurf. Ein Großteil der angeblich gefälschten Unterlagen soll in Ohio aufgetaucht sein. Doch der Supreme Court in Washington lehnte am Freitagabend eine Verschärfung der Regeln ab. Für Matthew Damschroder ist das Problem nicht neu, er hält es aber auch für nicht so gravierend: Vor vier Jahren seien schon einmal verdächtige Registrierungskarten von Acorn aufgetaucht. Es sei nur um 200 von 45000 Karten gegangen. Damals habe eine Kommission von Demokraten und Republikanern über die Gültigkeit abgestimmt. Zumindest in einem Fall war dabei eine genauere Prüfung wohl nicht notwendig – beim Wähler mit dem angeblichen Namen „Mickey Mouse“.

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