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US-Wahl: Obama liegt vorn – und McCain auch

Je nachdem, wer befragt wird, ändern sich im amerikanischen Wahlkampf die Umfrageergebnisse. Wer öfter im Fernsehen ist, hat einen kleinen Vorsprung.

Barack Obama wollte mit seiner zehntägigen Weltreise mitten im Wahlkampf sein Ansehen als Außenpolitiker unter Wählern steigern. Ist ihm das gelungen? John McCain greift in den jüngsten Tagen vermehrt zu Charakterangriffen auf Obama. Erzielt er damit Wirkung? Und welcher Kandidat liegt eigentlich vorn?

Antworten auf solche Fragen suchen die Medien möglichst sofort, in der Annahme, dass auch Leser, Radiohörer und Fernsehzuschauer es wissen wollen. Sie bedienen sich bei Umfrageinstituten. Doch für eine seriöse Erhebung zu so detaillierten Fragen brauchen die Demoskopen Zeit. Und sie kosten Geld. Also behelfen sich die Medien meist mit einer Notlösung. Sie zitieren aus generellen Meinungsumfragen und setzen die Zahlen in Beziehung zu aktuellen Ereignissen.

Zu Wochenbeginn führte das zu kuriosen Nachrichten. Obama habe dank seiner Weltreise seinen Vorsprung ausgebaut, vermeldeten die Nachrichtenagenturen – um kurz darauf das genaue Gegenteil zu berichten. Erstmals seit Mai liege McCain vorn. Das Erstaunen wuchs noch, wenn man die Quellen verglich: in beiden Fällen Gallup, in beiden Fällen Erhebungen von Freitag, 25. Juli, bis Sonntag, 27. Juli, direkt nach Obamas Rückkehr.

Bei genauem Hinsehen erklärt sich der Widerspruch. Gallup hatte unterschiedliche Gruppen untersucht und verschiedene Fragen gestellt. Für die Tageszeitung „USA Today“ befragte Gallup Bürger, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wählen gehen. Das Institut fragte die Meinung zu Sachthemen wie Energiepolitik ab und maß in diesem Zusammenhang die Zustimmung zu beiden Kandidaten. Ergebnis: McCain führt mit 49 zu 45 Prozent. Er lag damit bei Gallup erstmals seit Mai vorn. In der anderen Umfrage führte Obama mit 48 zu 40 Prozent. In dieser „Tracking Poll“ fragt Gallup täglich mindestens tausend Bürger, die sich als Anhänger einer Partei registriert haben, nach ihrer Vorliebe und nimmt als Resultat den Schnitt der letzten drei Tage. Inzwischen ist Obamas Vorsprung dort auf 45 zu 44 Prozent geschrumpft.

Die Demoskopen geben dafür eine simple Erklärung: Während seiner Reise waren Obamas Besuche in Afghanistan, dem Irak, Israel und Europa die Hauptnachricht des Tages. So schnellten seine Werte nach oben. Seit er wieder in den USA ist, erscheint er nicht mehr so oft im Fernsehen und auf den Titelseiten der Zeitungen. Deshalb sinken die Werte wieder. Die Zahlen beantworten nicht die Frage, ob sein außenpolitisches Ansehen gestiegen ist und ob McCains Angriffe Erfolg haben.

Professionelle Politikbeobachter in den USA raten: Nicht auf einzelne Umfragen schauen, sondern den Schnitt aller Erhebungen im Auge behalten. Einen Überblick bietet zum Beispiel der Internetdienst www.realclearpolitics.com. Dort führt Obama im Schnitt der Umfragen mit drei Prozentpunkten.

Ein wiederum ganz anderes Bild zeichnen die Kommentatoren in diesen Tagen. Sie interpretieren die Negativwerbung, die McCain jetzt gegen Obama schalten lässt, als Verzweiflungstat, weil McCain sehe, dass er den Kampf um die besseren Bilder und Redeauftritte verliere. Im jüngsten Video schneiden seine Medienprofis Szenen aus Obamas Auftritt in Berlin mit Bildern von Hotelerbin Paris Hilton und Sängerin Britney Spears zusammen. Obama, soll das heißen, sei ein seichter Typ, ohne politisches Gewicht, nur ein Unterhaltungsphänomen.

Wer hat das richtige Gespür – Demoskopen oder Kommentatoren, mutmaßliche oder registrierte Wähler? Eines ist sicher: Das Rennen verläuft eng, viel enger, als es sich die meisten Europäer angesichts der Enttäuschung über den amtierenden Präsidenten vorstellen können.

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