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US-Wahl: Pakt gegen Finanzkrise

Der US-Wahlkampf soll kurz ruhen. Doch hinter den Kulissen geht er weiter: Obama und McCain streiten um Absage ihrer ersten TV-Debatte.

Unter dem Eindruck der internationalen Finanzkrise und seines gravierenden Ansehensverfalls in den Umfragen hat der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain am Mittwoch alle Politiker aufgerufen, den Wahlkampf zu unterbrechen. Er und sein demokratischer Rivale Barack Obama hätten sich geeinigt, nach Washington zurückzukehren und das Land gemeinsam mit dem Kongress aus der Finanzkrise zu retten, sagte McCain im Fernsehen.

Jetzt sei die Stunde für Patriotismus statt für Parteienstreit. Wenn alle mittun, könne die Politik sich auf einen Rettungsplan verständigen, "ehe am Montag früh die Börse öffnet“. Bisher zeichnet sich keine Einigung im Parlament über das 700 Milliarden Dollar teure Paket der Regierung ab. Viele Republikaner sind prinzipiell gegen staatliche Intervention. Die Demokraten machen ihre Zustimmung von Auflagen für Finanzinstitute abhängig.

McCain verlangt auch, die erste der drei Fernsehdebatten der beiden Kandidaten am Freitagabend abzusagen. Etwas Vergleichbares hat es in der jüngeren Geschichte der USA nicht gegeben.

Obama trat 40 Minuten später vor die Kameras und stellte klar, die Initiative zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Finanzkrise sei von ihm ausgegangen. Er habe den Kontakt am Morgen gesucht, McCain habe ihn erst am Nachmittag zurückgerufen. Auch Obama betonte die Notwendigkeit überparteilichen Vorgehens ohne Beeinträchtigung durch den Wahlkampf. Er sehe aber keine Notwendigkeit, die TV-Debatte abzusagen.

Der Mittwoch hatte mit einem Schock für McCains Lager begonnen. Nach einer neuen Umfrage der "Washington Post“ und des TV-Senders ABC hat die Bankenkrise Obama einen steilen Sprung in den Umfragen beschert: Er liegt danach 52 zu 43 Prozent vorn. Vor zwei Wochen, nach dem Parteitag der Konservativen und der Nominierung von Sarah Palin als Vizekandidatin, hatte McCain 49 zu 47 geführt. Die Umfrage ist die erste, die einen so klaren Vorsprung misst. Im Schnitt aller Erhebungen führt Obama mit 2,8 Prozentpunkten – 47,9 zu 45,1 Prozent. Auch die anderen Umfragen zeigen eine Verschiebung um mehrere Prozentpunkte zugunsten Obamas. Vor den Wahlen 2000 und 2004 kamen die demokratischen Kandidaten Al Gore und John Kerry nie über 50 Prozent Zustimmung.

Die Wirtschaftskrise hat laut "Washington Post“ den Wandel ausgelöst. Nur neun Prozent der Befragten sagen, die ökonomische Lage sei gut. Zuletzt wurde ein so niedriger Wert 1992 gemessen, als Bill Clinton die Wahl gewann. Die Wirtschaftskrise ist jetzt das mit Abstand wichtigste Thema: 50 Prozent der Befragten nennen es, danach folgen der Irak (9), Terrorismus (7) und das Gesundheitswesen mit fünf Prozent. Bei der Frage nach der Kompetenz im Umgang mit der Wirtschaftskrise hat Obama 14 Prozentpunkte Vorsprung vor McCain, 53 zu 39 Prozent.

McCain hatte eine schärfere Aufsicht über den Finanzsektor, wie sie nun als zwingend erscheint, jahrelang abgelehnt. Er sprach sich anfangs auch gegen die staatliche Rettung taumelnder Banken und Versicherungen aus. Erst in den vergangenen Tagen hat er seine Haltung geändert. Die Anhänger beider Lager haben völlig unterschiedliche Bilder von der Krise: 70 Prozent der Obama-Unterstützer fürchten einen lang anhaltenden Niedergang der Wirtschaft. 66 Prozent der Anhänger McCains meinen, es handele sich nur um eine zyklische Schwäche.

Christoph von Marshall

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