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Auf der Suche nach einem Weg zu 270 Wahlmännern: Donald Trump.

© dpa

US-Wahlkampf ab dem Labor Day: Trump hat gegen Clinton kaum noch eine Chance

Im Rennen um das Weiße Haus liegt der Republikaner weit zurück. Die Mexiko-Reise nützt ihm wenig. Er braucht die sprichwörtliche "October Surprise". Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Jetzt geht’s los. Das Labor-Day-Wochenende Anfang September markiert das Ende der Sommerpause in den USA – und in Wahljahren den Beginn der heißen Phase. Trotz Vorwahlen beginnen viele US-Bürger jetzt erst, sich dafür zu interessieren, wer nächster Präsident werden könnte. In den Sommerferien wollten sie unbehelligt bleiben von der Politik. In den nächsten Wochen können sie dem Wahlkampf kaum noch entgehen. Das eröffnet beiden Lagern die Chance, die Dynamik des Rennens zu verändern.

Vor allem Donald Trump muss das versuchen. Wenn es so weitergeht wie bislang, wird er die Wahl hoch verlieren. Die Neigung der Medien in den USA wie im Ausland, bevorzugt über ihn zu berichten, lenkt davon ab, dass Hillary Clinton die Auseinandersetzung dominiert.

Seit über einem Jahr führt sie kontinuierlich in den Umfragen – mit zwei kurzen Ausnahmen, die jeweils nur wenige Tage dauerten: Ende Mai 2016, als Trump seine Delegiertenmehrheit bereits sicher hatte, sie aber noch nicht; und Ende Juli, als der republikanische Parteitag ihm den üblichen „Convention Bump“ gab, ehe sie diesen Effekt mit ihrem Parteitag kompensierte und in Führung ging, zwischenzeitlich mit sieben Prozentpunkten. Seither ist ihr Vorsprung leicht geschrumpft: auf komfortable fünf Prozentpunkte.

Legt man die Charttechnik von Anlageberatern an, benötigt Trump einen „Game Changer“. Clintons Zustimmungskurve verläuft zwischen 44 und 52 Prozent, zumeist um die 47 Prozent. Er ist nur einmal kurz über 45 Prozent gekommen und war ansonsten im Korridor zwischen 42 und 44 Prozent „gedeckelt“. Die Wetten in den USA stehen derzeit 80 zu 20 für einen Clinton-Sieg.

Wer kommt wie auf 270 Wahlmänner?

Ihr Vorsprung fällt noch eindrucksvoller aus, wenn man auf die entscheidenden Faktoren im US-Wahlsystem schaut: das Abschneiden in den „Swing States“, die mal für die Demokraten, mal für die Republikaner stimmen. Landesweite Umfragen sind nur Hinweise auf die generelle Stimmung. Präsident wird aber nicht, wer die meisten Stimmen erzielt, sondern wer durch Siege in einer ausreichenden Kombination der 50 Bundesstaaten mindestens 270 Wahlmänner gewinnt.

Nach der aktuellen Projektion hat Clinton bereits ohne die umkämpften „Swing States“ 272 Wahlmänner sicher, Trump 154. In den derzeit acht Staaten mit 112 Wahlmännern, in denen keiner von beiden dominiert, führt sie zumeist knapp. Falls die Wahlergebnisse am 8. November so ausfallen, wie es die Umfragen heute nahelegen, würde sie mit 362 zu 176 Wahlmännern triumphieren – deutlicher als Obama 2008.

Wie kann Trump diese für ihn ziemlich aussichtslos erscheinende Dynamik ändern? Er hofft, erstens, dass es eine „Schweigespirale“ gibt und viele ihn wählen werden, die sich nicht trauen, das den Demoskopen offen zu sagen.

Hoffen auf Clintons Patzer in den TV-Debatten

Zweitens mäßigt er seine Rhetorik bisweilen, um zu testen, ob er so Wähler in der Mitte gewinnt, ohne am rechten Rand zu verlieren. Zum Beispiel jetzt mit seiner Mexiko-Reise und der Rede zur Einwanderungspolitik. Aber kann er vergessen machen, dass er Zuwanderer aus dem Süden pauschal als Vergewaltiger, Kriminelle und Drogendealer beschrieben hat, Millionen Illegale „deportieren“ und eine Mauer bauen wollte? Wie viele glauben ihm, wenn er jetzt anders redet? Wie viele, die ihn wegen seiner harten Worte bewunderten, wenden sich nun ab? Und gibt es überhaupt genug frustrierte weiße Männer, um sein schlechtes Abschneiden bei Latinos, Schwarzen und Frauen mit höherer Bildung auszugleichen?

Drittens glaubt Trump, dass er Clinton in den drei TV-Debatten am 26. September, 9. und 19. Oktober in die Enge treiben kann. Und nicht sie ihn als Dampfplauderer vorführt, der von den Sachfragen wenig Ahnung hat und auch nicht bereit ist, dazu zu lernen.

Entscheidend sind nicht solche generellen Strategien, sondern, ob sie in den Staaten verfangen, die Trump benötigt, um auf 270 Wahlmänner zu kommen. Er muss die Staaten halten, die die Republikaner 2008 und 2012 gewannen und den Demokraten weitere abnehmen.

Er setzt auf frustrierte Weiße aus der Unterschicht im "Rust Belt" mit ökonomischen Strukturproblemen: Pennsylvania, Michigan, Ohio, Wisconsin. In diesen Staaten führt Clinton jedoch, zum Teil hoch. Schlimmer noch: Sie wird ihm in Staaten gefährlich, die als sicher republikanisch galten wie Georgia und Arizona.

Welche Überraschung kann Trump noch retten - Putin?

Clinton hat die Wahl noch nicht gewonnen. Aber Trump braucht die sprichwörtliche „October Surprise“: ein überraschendes Ereignis kurz vor der Wahl von ausreichender Bedeutung, um der Dynamik eine neue Richtung zu geben. Vielleicht hilft ihm ja Wladimir Putin.

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