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Politik: US-Wahlkampf: Bush vom Pech verfolgt

Kaum war die Häme über seine abfällige Bemerkung über einen New Yorker Journalisten verklungen, da sah sich George W. Bush diese Woche schon wieder mit einer Peinlichkeit konfrontiert.

Kaum war die Häme über seine abfällige Bemerkung über einen New Yorker Journalisten verklungen, da sah sich George W. Bush diese Woche schon wieder mit einer Peinlichkeit konfrontiert. In einem seiner Fernsehwerbespots tauchte einen Wimpernschlag lang das Wort "Ratten" auf, kurz bevor Vizepräsident Al Gore, sein Gegner im Rennen um das Weiße Haus, eingeblendet wurde. Arbeitet Bush im Wahlkampf neuerdings mit unterschwelligen Botschaften oder unterlief ihm nur eine neue Ungeschicklichkeit? Fest steht, dass die Kampagne des Texaners derzeit vom Pech verfolgt ist, und das macht seine Anhänger langsam nervös.

Der TV-Spot charakterisiert die Gesundheitspolitik des Vizepräsidenten mit den Worten "Bureaucrats Decide" (Bürokraten entscheiden). Die Worte tanzen über den Schirm, und für eine dreißigstel Sekunde ist in großen Lettern das Wort "rats" sichtbar, ein Fragment von "bureaucrats". Der 30-Sekunden-Spot kostete 2,5 Millionen Dollar und lief 4400 Mal im US-Fernsehen, bis er diese Woche abgesetzt wurde. Da war die vermeintliche Geheimbotschaft schon von einem adleräugigen Gore-Anhänger entdeckt und dutzende Male auf allen Kanälen seziert worden.

Produziert wurde der Film von Alex Castellanos, der bereits in der Vergangenheit umstrittene Werbefilme verantwortet hat. 1990 arbeitete er für Jesse Helms, den republikanischen Senator von North Carolina, der damals gegen einen schwarzen Demokraten antrat. Castellanos Spot für Helms zeigte ein Absage-Schreiben in den Händen eines weißen Amerikaners, in Anspielung auf die Minderheitenförderung bei der Vergabe von Studienplätzen und öffentlichen Aufträgen. Ein Fleck am Bildrand wurde von Zuschauern als schwarze Hand mit einer Waffe interpretiert.

Die Kommunikationswissenschaftlerin Kathleen Hall Jamieson nimmt Castellanos nicht ab, dass er schon zum zweiten Mal "aus Versehen" eine unterschwellige Botschaft zu platzieren suchte: "Das Problem hier ist ein Werbeberater, der schon einmal dasselbe getan hat." Ihrer Ansicht nach werden die Ratten zwar ebenso rasch wieder aus den Schlagzeilen verschwinden wie der Kraftausdruck "Riesenarschloch", mit dem Bush bei eingeschaltetem Mikrofon einen kritischen Reporter bedachte. Der Republikaner müsse jedoch damit leben, einen weiteren Tag lang von seiner eigentlichen Wahlkampfbotschaft abgelenkt worden zu sein.

"Es gehört einfach zum Rennen um das Weiße Haus, dass man Zeit nicht kaufen kann", meint auch der republikanische Wahlkampfberater und ehemalige Chef der religiösen Rechten, Scott Reed. "Bush kann es sich einfach nicht leisten, Zeit mit solchen dämlichen Fehlern zu verlieren." Bei Meinungsführern und Medien verhärtet sich der Eindruck, Bush habe seinen Wahlkampf nicht im Griff - eine ominöse Entwicklung für einen Politiker, dem schon früher der Ruf anhing, ihm fehlten Wissen und Erfahrung für das mächtigste Amt der Welt.

Spontane Auftritte des republikanischen Präsidentschaftskandidaten sind mit Verdrehern gespickt; vergangene Woche schlug er Gore als Objekt der Frotzeleien von Fernsehkomödianten um Längen. Schon sieht er sich gezwungen, zu dementieren, er leide an Dyslexie, einer Lernbehinderung, die sein Bruder Neil einst offen eingestand.

Fachleute wie der Politikwissenschaftler Jack Nagel von der Universität von Pennsylvania raten Bush, die internen Ursachen für die Wahlkampf-Peinlichkeiten so rasch wie möglich zu beheben. "Danach muss er tun, was er kann, um von seinen Schwächen abzulenken und seine Stärken anzuspielen."

Elly Junghans

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