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Khizr Khan sprach vergangene Woche bei Clintons Parteitag über seinen Sohn Humayun, der im Jahr 2004 als US-Soldat im Irak getötet worden war.

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US-Wahlkampf: Khizr Khan - US-Patriot, Muslim und echtes Problem für Trump

Noch vor zwei Wochen hatte sich Trump über einen Popularitätsschub nach dem republikanischen Parteitag freuen können. Doch dann kam Khizr Khan. Und seitdem ist alles anders.

Wenn sich Leute wie Mike Coffman von Donald Trump distanzieren, ist die Lage ernst für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Coffman, Parlamentsabgeordneter und Parteifreund von Trump, macht Wahlkampf in seiner Heimat im Bundesstaat Colorado, wo er einen für die Republikaner wichtigen Bezirk in der Gegend von Denver vertritt. Politiker wie Coffman sind potenziell wichtige Gehilfen für Trump in der amerikanischen Provinz – doch die öffentlichen Angriffe des eigenwilligen Kandidaten auf die Familie eines getöteten US-Soldaten stoßen den Ex-Marineinfanteristen Coffman ab: „Tief verletzt“ sei er von Trumps Attacken, sagte Coffman der „New York Times“.

Noch vor zwei Wochen hatte sich Trump über einen Popularitätsschub nach dem republikanischen Parteitag freuen können; zeitweise lag er in den Umfragen vor seiner demokratischen Rivalin Hillary Clinton.

Doch dann kam Khizr Khan. Und seitdem ist alles anders.

Der 65-jährige Jurist Khan sprach vergangene Woche bei Clintons Parteitag über seinen Sohn Humayun, der im Jahr 2004 als US-Soldat von einem Selbstmordattentäter im Irak getötet worden war. Humayun Khan starb bei der Inspektion eines verdächtigen Fahrzeugs; da sein Einsatz anderen Soldaten das Leben rettete, erhielt er posthum hohe Auszeichnungen.

Trump sei zu weit gegangen

Die Khans sind Muslime, verstehen sich aber als amerikanische Patrioten – und so wetterte Khizr Khan gegen die islamophoben Positionen von Trump. Dieser reagierte mit verächtlichen Bemerkungen über Khan und dessen Frau Ghazala, was ihm einen Sturm der Entrüstung über alle Parteigrenzen hinweg eingebracht hat. Auf eine Frage nach seiner Botschaft an die Eltern des Gefallenen sagte Trump, es gebe ein großes Problem mit islamistischem Terror.

Diesmal sei der für provokative Äußerungen bekannte Trump zu weit gegangen, sagten mehrere Wahlkampfstrategen der „Washington Post“ vom Dienstag. Wenn Trump über andere Politiker schimpfe, dann gefalle das den Wählern, erläuterte Frank Luntz, ein Meinungsforscher, der für die Republikaner arbeitet. „Aber sie mögen es nicht, wenn er die richtigen Leute attackiert, und sie wollen, dass er damit aufhört.“ Einige Umfragen legen nahe, dass Trumps öffentlicher Streit mit den Khans den Kandidaten einige Prozentpunkte an Popularität gekostet hat. Im Durchschnitt der Umfragen liegt Trump jetzt vier Prozentpunkte hinter Clinton; auch in einigen der besonders umkämpften Bundesstaaten hat sich die Lage für Clinton verbessert.

Entschuldigt hat sich Trump bei den Khans bisher nicht. Vielmehr präsentiert er sich als Opfer unfairer Angriffe und einer Verschwörung: Bei einer Wahlkampfveranstaltung und in einem Fernsehinterview sprach er vom Verdacht, die Präsidentenwahl am 8. November solle manipuliert werden.

Die Khan-Affäre ist gleich aus mehreren Gründen ein schwerer Schlag für Trump. So stehen die Khans für den amerikanischen Traum: Der aus Pakistan stammende Khan kam mit seiner Familie im Jahr 1980 in die USA, um Jura zu studieren. Sein später getöteter Sohn Humayun gab als Schüler behinderten Kindern Schwimmunterricht. Khan ist ein überzeugter Amerikaner, der stets eine Ausgabe der Verfassung bei sich trägt. Als Eltern eines im Krieg für das Land getöteten Soldaten genießen die Khans hohen Respekt. Doch Trump frotzelte, Ghazala Khan habe als Frau eines Muslims wohl nichts zu sagen.

Trump hat selbst keinen Wehrdienst geleistet

Der 70-jährige Immobilien-Milliardär hat selbst nie in der Armee gedient und sieht sich nun Vorwürfen gegenüber, sich im Vietnam-Krieg vor dem Wehrdienst gedrückt zu haben. Die „New York Times“ meldete am Dienstag, als junger Mann habe Trump insgesamt fünf Mal die anstehende Einberufung verhindern können. Er ist zwar nicht der einzige Amerikaner, der alles getan hat, um nicht nach Vietnam zu müssen – aber im Licht seiner eigenen Vergangenheit erscheint seine mangelnde Hochachtung vor den Khans als besonders verwerflich. Khizr Khan sagte, Trump habe noch nie ein Opfer für sein Land gebracht.

Politisch noch gefährlicher für Trump ist die Tatsache, dass er nicht der einzige Republikaner ist, der sich im November zur Wahl stellt. Am 8. November werden neben dem Präsidenten auch alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und ein Drittel der 100 Senatoren neu gewählt. Das bedeutet, dass derzeit viele Republikaner wie der Abgeordnete Coffman in Colorado im eigenen Wahlkampf stehen und schon aus Eigeninteresse den Trump-Kurs in der Auseinandersetzung mit den Khans ablehnen.

Angeführt wird das Lager der unzufriedenen Republikaner vom ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John McCain, der ohnehin noch ein Hühnchen mit Trump zu rupfen hat. Trump hatte sich verächtlich darüber geäußert, dass McCain im Vietnam-Krieg in Gefangenschaft geraten war. Trump habe kein Recht, „jene zu diffamieren, die zu den Besten unter uns zählen“, kritisierte McCain.

Auch andere Senatoren und Abgeordnete attackierten Trump, wenn auch keiner von ihnen die offizielle Wahlempfehlung für den Präsidentschaftskandidaten zurückzog, wie Präsident Barack Obama forderte. „Ja, der republikanische Kandidat ist nicht geeignet“, sagte Obama. „Da muss ein Punkt kommen, wo man sagt, wer solche Aussagen macht, der hat nicht die Urteilskraft und nicht den Charakter, die mächtigste Position der Welt auszuüben.“

Von der beim Republikaner-Parteitag von Cleveland Mitte Juli beschworenen Einheit der Partei ist nicht mehr viel zu sehen.

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