zum Hauptinhalt

US-Wahlkampf: Welche Politik steht zur Wahl?

Nach dem letzten Fernsehduell und zwei Wochen vor den Wahlen ist das Rennen zwischen Barack Obama und Mitt Romney weiter offen. Der Republikaner wich in der Diskussion über Außenpolitik von einigen seiner vorherigen Aussagen ab - und näherte sich so Obamas Positionen. In anderen Politikfeldern allerdings streben die beiden Kontrahenten gegensätzliche Modelle an. Wer steht für was?

Äußeres und Sicherheit

Wahlen in westlichen Demokratien entscheiden sich meist an der gefühlten Lage im Portemonnaie und fast nie an der Außenpolitik. Und doch war die dritte Fernsehdebatte, die offiziell Amerikas Rolle in der Welt gewidmet war, ein Ohrenöffner. Der Republikaner Mitt Romney redete überraschend zahm und konterkarierte damit seine Wahlkampfrhetorik. Bisher war Obama für ihn ein schwacher Präsident, der die Schuld daran trage, dass die Bösewichter keinen Respekt mehr vor den USA haben und deren Militär nicht mehr fürchten. Obama entschuldige sich ständig für Amerikas angebliche Fehler und wolle den Verteidigungsetat bedrohlich kürzen. In der Nacht zu Dienstag warb der Republikaner für die mühsame Bildung von Allianzen, lobte die Vereinten Nationen und zeigte Verständnis für Pakistan. In der Außenpolitik wolle er nicht alles anders, aber vieles besser machen So hatte Obama wenig Gelegenheit, seinen Lieblingsangriff vorzutragen: Romney wolle zurück zu Bushs Außenpolitik.

Er konnte nur immer wieder betonen, dass Romney in der Debatte weichere Positionen vertrete als zuvor im Wahlkampf. Das Rededuell ergab wenig greifbare Unterschiede für die Außenpolitik der nächsten Jahre. Weder Romney noch Obama will in Syrien eingreifen. Gegen den Iran sollen Sanktionen helfen, Krieg sei nur das allerletzte Mittel. Beide nennen China einen Partner, keinen Gegner. Beide loben den Drohneneinsatz gegen Terroristen.

Immer wieder versuchten sie, die Debatte in die Innen- und Wirtschaftspolitik zu verlagern. Erstens interessiert das die Wähler mehr. Zweitens fühlt Romney sich dort wohler. Über weite Strecken war unüberhörbar: Der Präsident beherrscht nach vier Amtsjahren die Details und Nuancen; der Herausforderer muss sich erst einarbeiten. Drittens ist beiden bewusst, dass man ohne eine starke ökonomische Basis daheim weder eine starke Außenpolitik noch ein starkes Militär finanzieren kann. Amerikas Führungsrolle, argumentierten beide, lasse sich nur durch „Nation building at home“ garantieren. Die USA haben über zu viele Jahre zu viel Geld für Kriege im Ausland ausgegeben.

Alles in allem war Obama bei der letzten Debatte im Vorteil. Nach der CNN-Blitzumfrage hat er mit 48 zu 40 Prozent gewonnen. Im Durchschnitt aller Umfragen jedoch lag Romney zumindest vor dem Duell knapp vorne. Er hat den „Commander in Chief“-Test bestanden. Amerika muss sich nicht davor fürchten, dass er Präsident und Oberbefehlshaber wird.

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Konjunktur und Arbeitslosenrate sind Romneys stärkste Wahlkampfargumente. Die Lage bessert sich zwar allmählich, aber die Dynamik bleibt weit hinter den Erwartungen der meisten Wähler zurück. Obama hatte das Amt übernommen, kurz nachdem die Investmentbanken Bear Stearns und Lehman Brothers 2008 pleitegegangen waren und ihr Zusammenbruch eine Finanzkrise ausgelöst hatte, die von den USA auf andere Kontinente übergriff. Immer mehr Bürger verloren ihren Job, immer mehr Häuser wurden zwangsversteigert. Die Regierung investierte hunderte Milliarden Dollar, um Banken und Autokonzerne zu retten. Die Arbeitslosenrate stieg jedoch weiter, auf über zehn Prozent gegen Ende 2010. Seither sinkt sie, auf zuletzt 7,8 Prozent. Mitt Romney verweist darauf, dass er ein erfolgreicher Investmentmanager war. Er habe kriselnde Konzerne wie den Büroausstatter Staples und Stahlkonzerne vor dem Bankrott bewahrt und so viele Arbeitsplätze gerettet. Er wisse, wie man die Wirtschaft wieder zum Laufen bringe, das habe er bewiesen. Konkret wird er dabei nicht.

Nur so viel: Obamas Rezepte jedenfalls hätten nicht funktioniert. Der Präsident hält es ähnlich. Auch er verrät nicht im Detail, wie die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in seiner zweiten Amtszeit aussehen könnte. Er warnt davor, dass Romney zu der Bush-Ideologie zurückwolle, und die habe das Land bekanntlich in die Krise gestürzt.

Finanzen und Steuern

In der Wirtschaftskrise ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte dramatisch gestiegen. Trotz sinkender Einnahmen wurden die Ausgaben nicht verringert. Die Bundesregierung ist inzwischen mit mehr als 16 Billionen Dollar verschuldet; das entspricht über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), mehr als der Durchschnitt der Euro-Zone. Zählt man die Schulden der Einzelstaaten und Kommunen hinzu, nähern sich die USA griechischen Verhältnissen – mit einem wichtigen Unterschied. Die US-Wirtschaft ist im Prinzip leistungsfähig, die Finanzmärkte haben Vertrauen in den Dollar und die Zahlungsfähigkeit Amerikas. Auch auf diesem Gebiet operieren Obama und Romney vor allem mit Schuldzuweisungen. Für die Republikaner hat das Elend mit Obama begonnen, für die Demokraten gehört es zu Bushs Erbe. Beide behaupten, sie hätten Pläne für den Abbau des laufenden Budgetdefizits – in den jüngsten Jahren jeweils über eine Billion Dollar, rund 30 Prozent des Haushalts – und für den langfristigen Schuldenabbau.

Sie geizen jedoch mit konkreten Auskünften. Die Republikaner wollen mit einer Senkung der Steuerraten die Wirtschaft ankurbeln; das führe zu höheren Einnahmen. Obama setzt auf Wachstum, Steuererhöhungen für die Reichen und Kürzungen in allen Etats. Wenn Experten die Vorschläge in ein Zahlenwerk umsetzen, geht die Rechnung nicht auf.

Reformprojekte

Die Polarisierung der Lager hat zugenommen. Republikaner und Demokraten nutzen ihre jeweilige Machtstellung im Parlament häufiger zur Blockade als zum Kompromiss. Obama bekam für seine Reformen so gut wie keine Zustimmung aus den konservativen Reihen, abgesehen von ein, zwei oder auch mal drei Abweichlern. So ist Amerika ein Land im Reformstau. Überfällige Vorhaben sind eine Reform des Einwanderungsrechts und die Energiewende. Obama konnte sie nicht mehr verfolgen, ehe er Ende 2010 die Parlamentsmehrheit verlor. Auch ein Präsident Romney muss sich um die Probleme an der Südgrenze und eine Lösung für die schätzungsweise zwölf Millionen illegalen Migranten im Land kümmern. Eine Reform der Energiepolitik soll eine neue Balance zwischen klassischen Trägern wie Öl und Gas sowie erneuerbaren Energien finden. Um eine parteiübergreifende Mehrheit zu ermöglichen, würde die ursprünglich angestrebte Beteiligung am Kohlendioxidhandel vermutlich gestrichen.

Darüber hinaus drohen die Republikaner, die unter Obama verabschiedeten Reformen – Gesundheitswesen, Finanzmarktaufsicht, Umgang mit Homosexuellen im Militär – wieder rückgängig zu machen, wenn sie die nötigen Machtpositionen dafür erringen. Das hängt nicht nur vom Ausgang der Präsidentenwahl, sondern auch von der parallelen Kongresswahl ab. Es ist wahrscheinlich, dass die Republikaner ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus verteidigen; eventuell erobern sie die Mehrheit in der zweiten Kammer, dem Senat.

Nach einer raschen Lösung verlangt die Konjunkturkrise. Die USA erreichen bald erneut die Schuldenobergrenze. Der Streit um die letzte Erhöhung 2011 hätte beinahe zur Schließung der Regierung geführt. Zum Jahresbeginn droht nun ein riesiger Verlust an Kaufkraft im Markt, falls bereits beschlossene Maßnahmen gleichzeitig in Kraft treten: das Auslaufen der ermäßigten Steuersätze, die Bush mit zeitlicher Begrenzung eingeführt hatte, nimmt den Bürgern Geld. Zudem werden die Betriebe belastet, wenn die reduzierten Sozialabgaben enden, die der Kongress auf Obamas Bitte zur Ankurbelung der Konjunktur verfügt hatte. Und auch der Staat gibt weniger aus, weil sich der Kongress als Ausgleich für die Erhöhung der Schuldenobergrenze auf Kürzungen beim Militär und im Sozialbereich geeinigt hatte. Alles zusammen würde der Wirtschaft rund 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entziehen und eine Rezession auslösen. Deshalb erwartet man, dass der Kongress diese Automatismen noch vor Jahresende stoppt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false