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Alte Dame hinter einem Mikrophon

© AFP

USA: Die Homoehe ist nicht mehr aufzuhalten

Langsam ist die Stimmung in den USA zugunsten der Gleichstellung von Schwulen und Lesben gekippt. Nach der Entscheidung des obersten Gerichtshofs ist die Homoehe überall nur noch eine Frage der Zeit.

Amerikas neueste Heldin hat schlohweißes Haar über ihren wachen Augen, sie trägt eine helles Jackett und eine Perlenkette. Edith Windsor ist 84 Jahre alt und lesbisch und hat gerade vor dem Supreme Court den wichtigsten Prozess einer Generation gewonnen – nicht unbedingt ihrer eigenen.

Dass Edith Windsor im hohen Alter zur Aktivistin wurde, war nicht geplant. Sie konnte nur nicht anders. Als 2009 ihre Partnerin Thea Speyer starb, mit der sie 44 Jahre lang zusammen gelebt hatte und seit zwei Jahren verheiratet war, saß sie plötzlich auf einer Rechnung von mehr als 360 000 Dollar – die Erbschaftssteuer, die eigentlich unter Eheleuten nicht anfällt. Wenn die Eheleute Mann und Frau sind. Esther Windsor zog bis vor das höchste amerikanische Gericht. Da fiel in dieser Woche der Hammer zu ihren Gunsten: der einst von Bill Clinton unterzeichnete „Defense of Marriage Act“, der die Ehe exklusiv als Beziehung zwischen Mann und Frau beschreibt und gleichgeschlechtlichen Paaren keine gesetzliche Gleichstellung gab, wurde als verfassungswidrig abgestempelt und ist Vergangenheit.

Für Schwule und Lesben in den USA ist das Urteil ein historischer Sieg. Fast 50 Jahre nach den Stonewall-Unruhen in Manhattan ist die Bewegung am Ziel angekommen. Der Supreme Court beendete mit einem Hammerschlag ein ereignisreiches Jahr, das der amerikanische Vizepräsident Joe Biden – etwas unfreiwillig – im Mai 2012 eingeläutet hatte. Damals bekannte er sich im US-Politmagazin „Meet the Press“zur Homo-Ehe und brachte seinen Chef in Zugzwang. Drei Tage später erklärte Präsident Barack Obama, dass er hinter der totalen Gleichberechtigung für Homosexuelle stehe – Ehe eingeschlossen.

Das Timing war prekär: Erst am Vortag hatte South Carolina sowohl die Homo-Ehe als auch gesetzlich gleichgestellte Lebensgemeinschaften per Verfassungsbeschluss verboten. Sechs Monate vor der Wahl riskierte Obama den endgültigen Bruch mit den konservativen Wählern – nicht nur in den Südstaaten. Und doch war der Zeitpunkt nicht ganz ungünstig: Zeitgleich mit dem Bekenntnis der beiden ranghöchsten US-Politiker kam die erste Wählerbefragung, bei der sich 50 Prozent der Amerikaner für die Homo-Ehe aussprachen. Seither ist die Stimmung endgültig gekippt: In jüngsten Umfragen sind 53 Prozent der Amerikaner für die Homo-Ehe, nur noch 40 Prozent strikt dagegen. In den liberalen Städten vor allem an den US-Küsten ist die Akzeptanz noch höher, ebenso unter jungen Leuten. Entschiedene Gegner finden sich heute vor allem in den religiös geprägten Landesteilen.

Seit die Stimmung im Land gekippt ist, ging es in den USA Schlag auf Schlag: Zuerst viel das umstrittene Schwulenverbot im Militär. Dann stellte sich Außenministerin Hillary Clinton in einem fünfminütigen Video hinter die Homo-Ehe – für zahlreiche Experten ein klarer Hinweis darauf, dass die frühere First Lady 2016 noch einmal ins Weiße Haus einziehen will. Nach Clinton fiel ein Demokrat nach dem anderen ins progressive Lager, auch einige führende Republikaner haben ihren Widerstand offen aufgegeben. Die politische Landkarte der USA wurde Homosexuellen gegenüber immer freundlicher. In immer mehr Bundesstaaten wurde die Homo-Ehe erlaubt – jetzt ist das Thema ein für allemal durch.

Im politischen Diskurs wird die Gleichberechtigung von Homosexuellen längst mit historischen Errungenschaften verglichen: der gesetzlichen Gleichstellung von Schwarzen und Frauen etwa. Die Parallelen sind deutlich. Immerhin waren gemischte Ehen zumindest im südlichen Teil der USA bis 1967 nicht erlaubt – bis heute sind sie nicht selbstverständlich, wie ein Vater in Virginia Ende Mai erfahren musste. Der Sicherheitsdienst des lokalen Wal-Mart hatte die Polizei informiert, dass ein weißer Mann mit drei schwarzen Mädchen im Laden sei. Man tippte auf eine Entführung. Der Mann ist seit zehn Jahren mit einer schwarzen Frau verheiratet. Das Ehepaar erklärte lokalen Medien, man habe seither immer wieder mit Rassismus zu kämpfen, aber noch nie zuvor mit dem Vorwurf der Kindesentführung

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