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Barack Obama.

© dpa

USA: Ein Hauch von Fatalismus

In den USA sinkt die Erwartung, dass ein Kompromiss zur Vermeidung von höheren Steuern und Ausgabenkürzungen gelingt. Finanzminister Geithner kündigt Umschichtungen an, die einen Spielraum für weitere Verhandlungen geben. Können sie verhindern, dass die USA über die "Fiskalklippe" rutschen?

Im Kalender bleiben noch fünf Tage: In der Theorie ist das genug Zeit, um den USA den Sturz in den Abgrund und der Welt einen Börsencrash zu ersparen. Präsident und Parlament müssen einen Kompromiss ausarbeiten, wie sie die „Rezessions-Bombe“ entschärfen, die an Neujahr droht. Bleibt es bei der bisherigen Beschlusslage, steigen für alle Bürger die Steuersätze. Parallel kürzt der Staat seine Ausgaben empfindlich. Und die Betriebe führen höhere Sozialabgaben ab. Am Mittwoch legte sich jedoch ein Hauch von Fatalismus über die Hauptstadt, die vom ersten Schnee des Jahres eingehüllt wurde. Die Aussichten auf eine rasche Lösung sinken. Man hofft, dass die Finanzmärkte nicht mit Kursstürzen reagieren und der US-Politik mehr Zeit lassen.

Aber auch die von Finanzminister Timothy Geithner am Mittwoch angekündigten Schritte, die einen Manövrierraum im Umfang von 200 Milliarden Dollar schaffen sollen, damit die USA noch etwas länger ihre Rechnungen bezahlen können, scheinen wenig erfolgversprechend. Denn während normalerweise solche Maßnahmen - gemeint sind damit finanzielle Umschichtungen im Rahmen des Etats - ungefähr zwei Monate Atemraum ließen, sei das diesmal nicht sicher, warnte der Finanzminister selbst.

Alle drei Änderungen waren einst aus gutem Grund beschlossen worden. Um die rasant steigende Verschuldung zu bremsen, ist der Staat auf höhere Einnahmen und geringere Ausgaben angewiesen. Wenn nun aber alle drei Maßnahmen gleichzeitig in Kraft treten, werden der Wirtschaft, je nach Schätzung, drei bis fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Kaufkraft entzogen. Das Land erlebt eine Rezession.

Gesucht wird nach einem goldenen Schnitt, wie Amerika kurzfristig die Rezession vermeidet und zugleich auf glaubwürdige Weise den langfristigen Schuldenabbau einleitet. Nach außen betonen Demokraten und Republikaner ihren Einigungswillen. Präsident Obama brach seinen Weihnachtsurlaub in Hawaii nach vier Tagen ab und flog in der Nacht zu Donnerstag nach Washington zurück. Es ist das vierte Mal in Folge, dass er den Winterurlaub auf seiner Geburtsinsel verkürzen musste, weil das Parlament durch Lagerspaltung blockiert ist und seine Kernaufgaben, deren vornehmste das Haushaltsrecht ist, nicht fristgerecht erledigt.

Obama ist nicht der Einzige, der seinen Urlaub abbricht

Auch der Kongress kehrte in die Hauptstadt zurück, um die Beratungen, die kurz vor Weihnachten gescheitert waren, wieder aufzunehmen. Die US-Medien rechnen aber nicht mehr mit einer Einigung vor Jahresende. Als Haupthindernis gilt die republikanische Mehrheitsfraktion im Abgeordnetenhaus, die jede Steuererhöhung prinzipiell ablehnt, auch für Spitzenverdiener. Obama macht umgekehrt die Anhebung des Höchststeuersatzes zur Bedingung für eine Einigung.

Unklar ist, wer jetzt die Initiative übernehmen soll. Vor Weihnachten waren die Verhandlungen zwischen dem republikanischen Speaker des Abgeordnetenhauses, John Boehner, und dem Weißen Haus geführt worden. Am vorigen Donnerstag hatten die Konservativen Boehner jedoch empfindlich geschwächt, als sie ihm die Unterstützung verweigerten. Nach seinem Vorschlag soll der Steuersatz für Jahreseinkommen ab einer Million Dollar steigen. Obama will ihn ab 250 000 Dollar anheben. Seit Boehners Niederlage in seiner eigenen Fraktion steht in Frage, ob er am 3. Januar, wenn sich der neu gewählte Kongress konstituiert, erneut zum Speaker gewählt wird.

Alternativ könnte der neue Anlauf vom Senat ausgehen. In dieser zweiten Kammer des Kongresses ist die Atmosphäre zwischen Demokraten und Republikanern kollegialer. Dort haben die Demokraten die Mehrheit. Ihr Anführer Harry Reid möchte jedoch erst aktiv werden, wenn eine größere Zahl von Republikanern im Abgeordnetenhaus die prinzipielle Ablehnung jeder Steuererhöhung aufgibt. Jeder Lösungsvorschlag des Senats muss auch vom Abgeordnetenhaus gebilligt werden, ehe er dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden kann. Manche setzen auf Vermittlung des Chefs der republikanischen Minderheitsfraktion im Senat, Mitch McConnell.

Zur Manövriermasse bei der Kompromisssuche zählen Beobachter die Frage, ab welchem Jahreseinkommen der Spitzensteuersatz erhöht wird, die zeitliche Streckung der Ausgabenkürzungen und die vorzeitige Einigung auf die Bedingungen für die nächste Anhebung der Schuldenobergrenze, die im Februar ansteht. Republikaner verlangen zudem Zusagen für eine umfassende Reform des Steuersystems und der Sozialprogramme. In einer Umfrage der „Washington Post“ bewerten nur 53 Prozent die Aussichten für das neue Jahr optimistisch. 44 Prozent äußern Furcht vor der Zukunft. (mit dpa)

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