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Politik: USA gehen im Streit um Raketenschild auf Russland zu

Washington will Moskau eine umfassende Zusammenarbeit anbieten / Reaktion auf Kritik von europäischen Verbündeten

Berlin - Nach massiver Kritik an dem von den USA geplanten Raketenabwehrsystem in Osteuropa will die Regierung in Washington Russland nun eine umfassende Zusammenarbeit anbieten. Die USA wollten Russland vorschlagen, die Raketenabwehrsysteme beider Länder miteinander zu vernetzen, wie die „New York Times“ am Samstag unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter und Militärs berichtete.

Außerdem sieht das US-Angebot vor, dass beide Länder Geheimdienstinformationen über gemeinsame Bedrohungen austauschen und zusammen an der Entwicklung von Verteidigungstechnologie arbeiten. Die Initiative sei zumindest teilweise auf Druck der europäischen Verbündeten zustande gekommen, sagten US-Regierungsbeamte nach Angaben der Zeitung. Der Vorstoß wird aber auch als Eingeständnis der Regierung von US-Präsident George W. Bush gewertet, nicht genug getan zu haben, um Russland einzubinden. Besonders Deutschland hatte an die US-Regierung appelliert, Russland in die Planungen für ein Raketenabwehrsystem einzubeziehen und das Projekt außerdem im Rahmen der Nato zu diskutieren. SPD-Chef Kurt Beck ging noch weiter und sprach sich gegen den Raketenschild aus, weil sonst ein neues Wettrüsten drohe.

Washington plant, bis 2012 eine Radaranlage in Tschechien und zehn Abfangraketen in Polen zu stationieren. Die USA wollen damit sich selbst und große Teile Europas gegen Raketen, beispielsweise aus dem Iran, schützen. Washington hat immer wieder betont, dass sich das System nicht gegen Russland richte.

Die USA wollten der russischen Regierung ihr Angebot in den kommenden Wochen erläutern, hieß es. Am Montag wird US-Verteidigungsminister Robert Gates zu Gesprächen in Moskau erwartet. Auch Außenministerin Condoleezza Rice wird bei ihren russischen Gesprächspartnern für das Angebot werben. Sollte Moskau auf die US-Vorschläge eingehen, wäre es die bisher umfassendste Zusammenarbeit beider Länder im militärischen Bereich.

US-Regierungsvertreter gestehen aber auch ein, dass das Werben um Russland vergleichsweise spät kommt. Es gab zwar bereits mehrere bilaterale Treffen, und das Thema kam auch beim Nato-Russland-Rat zur Sprache. Doch Moskau hat bisher keinerlei Bereitschaft zum Einlenken erkennen lassen. Im Gegenteil: Der Kreml hat die ohnehin geplante massive Aufrüstung auch mit der US-Raketenabwehr begründet – und den Ländern, die sich an dem Projekt beteiligen, mit Gegenmaßnahmen gedroht. Die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar war nur das deutlichste Beispiel dafür, wie tief die Gräben zwischen den USA und Russland derzeit sind.

Erst am Donnerstag hatte der stellvertretende russische Regierungschef Sergej Iwanow einer Zusammenarbeit mit den USA eine klare Absage erteilt: „Ich sehe ehrlich gesagt keinen Grund für eine strategische Kooperation bei einer Raketenabwehr“, sagte Iwanow, der als enger Vertrauter Putins gilt und als möglicher Nachfolger des Präsidenten gehandelt wird.

Russland sieht es als Provokation an, dass in Ländern, die es zumindest früher zu seinem Einflussbereich zählte, die USA nun dauerhaft militärisch präsent sind. Die Ankündigung der USA, möglicherweise auch ein Land im Kaukasus in die Planungen einzubeziehen, hat die Befürchtungen in Moskau eher noch bestätigt. Die USA müssen ihre russischen Gesprächspartner erst noch davon überzeugen, dass es ihnen nicht um eine Einkreisung Russlands geht. Unklar ist nun, ob das neue US-Angebot zur Zusammenarbeit die tief sitzenden Vorbehalte in Moskau ausräumen kann.

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