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Politik: USA: Jetzt erst recht

Wenn es das Gesetz nicht gäbe, wäre für Linda Chavez in wenigen Wochen ein Traum in Erfüllung gegangen: Sie wäre amerikanische Arbeitsministerin geworden. Denn für George W.

Wenn es das Gesetz nicht gäbe, wäre für Linda Chavez in wenigen Wochen ein Traum in Erfüllung gegangen: Sie wäre amerikanische Arbeitsministerin geworden. Denn für George W. Bush war sie stets das Musterbeispiel einer "mitfühlenden Konservativen". Aufgewachsen ist die heute 53-Jährige in einem bescheidenen Arbeiterhaushalt. Die Familie des Vaters kam aus Mexiko, die der Mutter aus Irland. Das Leben war nicht einfach. Und wegen ihres mitfühlenden Wesens stand Linda Chavez zunächst ziemlich weit links. Sie wählte die Demokraten und arbeitete jahrelang für verschiedene Gewerkschaftsorganisationen. 1980 jedoch wählte sie zum ersten Mal rechts - Ronald Reagan.

Und in der Folge verhärteten sich ihre Ansichten Jahr um Jahr: Quoten für Minderheiten seien Quatsch, ein gesetzlich festgeschriebener Mindestlohn verstoße gegen die Regeln des freien Marktes. Als Zeitungs-Kolumnistin und aufstrebende Politikerin wetterte Chavez gegen "marxistisch-feministische" Ansichten. Damit punktete sie auf der Rechten. Weil sie außerdem dafür stritt, Englisch zur einzigen offiziellen Landessprache zu machen, überwarf sie sich sogar mit der hispanischen Minderheit.

Am Dienstag gab Linda Chavez auf. George W. Bush, der kommende US-Präsident, hatte sie zur Arbeitsministerin machen wollen, doch der Sturm, den diese Nominierung ausgelöst hat, fegte die kämpferische, eloquente Frau hinweg. Die einen feierten das als ersten Erfolg, die anderen waren etwas krampfhaft bemüht, zur Tagesordnung überzugehen.

Das Fass zum Überlaufen hatte eine Episode gebracht, die zehn Jahre zurückliegt. Linda Chavez hatte damals eine illegale Immigrantin aus Guatemala, Marta Mercado, bei sich zu Hause aufgenommen. Es war weder das erste noch das letzte Mal, dass Chavez Menschen half, die in Bedrängnis geraten waren. Auf ihrer Rücktritts-Pressekonferenz am Dienstagabend standen gleich mehrere Personen hinter ihr, die bezeugten, wie gut Chavez zu ihnen gewesen war - darunter ein Flüchtling aus Vietnam, der bei ihr gelebt hatte, und eine allein erziehende Mutter aus Puerto Rico, die sagte, Chavez habe viele Jahre lang das Schulgeld für ihre beiden Kinder bezahlt.

Doch der Fall Mercado lag anders. Mercado bekam regelmäßig Geld und verrichtete Haushaltstätigkeiten. Hatte Chavez also wissentlich eine illegale Einwanderin bei sich beschäftigt? "Ich würde es immer wieder tun", sagte Chavez am Dienstag. Dann beschrieb sie ihre eigene Kindheit, kein Geld im Haus, der Vater trank. "Mir haben Freunde geholfen, sie haben mich unterstützt, und ich habe sie gebraucht. Damals habe ich mir geschworen, in Zukunft immer für andere da zu sein - für Menschen, denen es schlechter geht als mir." Die Kampagne, die in den letzten Tagen gegen sie losgetreten worden sei, sei unfair und werfe ein schlechtes Licht auf die amerikanische Gesellschaft. Ihre Person habe "zerstört" werden sollen.

Bush selbst hat sich auffallend zurückgehalten, als es darum ging, Chavez den Rücken zu stärken. Enge Mitarbeiter von ihm sollen ihr den Schritt schließlich nahe gelegt haben. Mitfühlend und konservativ allein reicht nämlich nicht, um sich die Gunst des 43. US-Präsidenten zu sichern. Am wichtigsten ist Loyalität. Obwohl sie von Bush und dessen Team ausführlich nach möglichen Angriffspunkten befragt worden war, hatte Chavez die Mercado-Episode zunächst verschwiegen und dann in ihrer Bedeutung heruntergespielt.

Jetzt sind es nur noch zwei Nominierungen, gegen die das linksliberale Establishment kämpft: Justizminister John Ashcroft und Innenministerin Gale Norton. Gegen Ashcroft, einen strikten Abtreibungsgegner, formiert sich gerade ein großes Bündnis, das insbesondere aus Bürgerrechtsorganisationen besteht. Die Anhörungen durch den Senat, der die Nominierungen bestätigen muss, beginnen am kommenden Dienstag. Im Senat halten sich Demokraten und Republikaner die Waage, die ausschlaggebende Stimme hält der künftige Vizepräsident Dick Cheney. John Kyl, ein Senator aus Arizona und enger Freund von Ashcroft, bleibt dennoch optimistisch: "Alle Republikaner und mindestens drei Demokraten werden für Ashcroft stimmen", glaubt er. "Jetzt erst recht", heißt die Devise.

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