zum Hauptinhalt
Die Protestaktionen gegen Trumps Politik gehen weiter.

© AFP

USA: Maria - ein Flüchtlingsschicksal in Trumps Land

Maria ist eine von vielen Flüchtlingen, die sich illegal in den Vereinigten Staaten aufhalten. Sie kam, um einen Traum zu leben. Es könnte nun als Albtraum enden.

Maria schaut kein Fernsehen mehr. Die täglichen Nachrichten über Präsident Donald Trump und seine Flüchtlingspolitik schnüren ihr die Kehle zu vor Angst. Dabei hat die stämmige Frau aus El Salvador schon so einiges weggesteckt an Widrigkeiten in den vergangenen Jahren. Sie hat ihr Leben riskiert, um in die USA zu kommen, sie hat sich halb tot gearbeitet, um ihre vier Kinder nachholen zu können. Doch wenn Maria jetzt auf der Straße einen Polizisten sieht, will sie am liebsten nur noch wegrennen. Denn Maria hat keine Papiere, sie ist eine von rund elf Millionen illegalen Einwanderern in den USA. Trump will sie alle aus dem Land werfen. Und viele Amerikaner stimmen zu.

Das Schicksal der muslimischen Flüchtlinge, die Trump mit einem Einreiseverbot aus den USA fernhalten will, ist möglicherweise nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was den USA noch bevorsteht. Wenn Flüchtlinge wie Maria an der Reihe sind, werden sich die Szenen der Verzweiflung, die sich in den vergangenen Tagen an den amerikanischen Flughäfen abspielten, millionenfach wiederholen. Wird Trump ernst machen? Bei allen Protesten in den Metropolen bleibt es dabei, dass der neue Präsident für seine harte Flüchtlingspolitik viel Unterstützung erhält: Laut einer neuen Umfrage unterstützt jeder zweite Amerikaner den Muslim-Bann.

„Ich dachte, Amerika sei das Land, das dir eine Chance gibt“, sagt Maria, die in Wirklichkeit anders heißt. „Ich dachte, Amerika öffnet seine Arme für Flüchtlinge. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass Amerika so wird wie mein eigenes Land: unsicher, voller Leid, Armut und Angst.“ Mit ihrem Schal wischt sich die 43-Jährige mit dem streng zurückgekämmten schwarzen Haar die Tränen aus den Augen. „Ich bin doch kein Verbrecher.“

Ohne Arbeitsvertrag, ohne rechtliche Sicherung

Für Leute wie Maria ist die Krankenstation „La Clinica del Pueblo“ etwas außerhalb des Stadtzentrums von Washington so etwas wie ein schützender Hafen. Die Ärzte hier fragen nicht nach Papieren, sondern kümmern sich um Einwanderer wie sie, die sich keine Krankenversicherung leisten können und auch kein Geld für einen normalen Arztbesuch haben. In dem ocker gestrichenen Wartezimmer haben sich neben Maria noch rund ein Dutzend weitere Patienten eingefunden. Diabetes, Bluthochdruck und Depression zählen zu den häufigsten Beschwerden.

Viele hier sind Tagelöhner, die sich mit Jobs auf dem Bau oder in Restaurants durchschlagen, ohne Arbeitsvertrag, rechtliche Sicherung oder Gewerkschaft. Regelmäßig behandeln die Ärzte in der Klinik die Kopfverletzungen von Patienten, die am Zahltag ihren Lohn in bar erhalten und gleich darauf ausgeraubt werden. Zur Polizei geht keiner von ihnen. Die „Clinica del Pueblo“ ist staatlich anerkannt und erhält finanzielle Unterstützung der Behörden. Fast 1500 Patienten finden hier medizinische und psychologische Hilfe. Maria ist Patientin in einer Unterstützungsgruppe der Klinik für Opfer häuslicher Gewalt, denn sie wurde von ihrem Ehemann regelmäßig verprügelt.

Dreizehn Jahre ist es her, dass sich Maria in El Salvador auf den Weg ins gelobte Land Amerika machte. Zusammen mit anderen Flüchtlingen ließ sie sich von Schleppern durch Guatemala und Mexiko führen. Schließlich wanderte sie durch die Wüste über die mexikanisch-amerikanische Grenze, wo Trump jetzt seine Mauer bauen will. Mehrere tausend Dollar zahlte sie den Schleppern. In drei bis vier Jobs gleichzeitig schuftete sie anschließend als Putzfrau, als Handlangerin auf dem Bau und als Helferin in einem Baumarkt, um das Geld für die Flucht ihrer Kinder zusammenzukratzen. In einem Restaurant, in dem sie als Köchin anheuerte, wurde sie von ihrem Chef begrapscht.

Auch Marias Kinder sind illegal hier

Auch Marias inzwischen erwachsene Kinder sind illegal hier. Immerhin konnten sie in Washington zur Schule gehen – dort fragte niemand nach ihrem Aufenthaltsstatus. Jetzt träumen sie den amerikanischen Traum von der großen Karriere, die allen winkt, die bereit sind, hart dafür zu arbeiten. Marias Tochter will Psychologin werden, einer ihrer Söhne Ingenieur. Doch sie hat Angst, dass Trump schneller sein wird.

Washington zählt zu den sogenannten „Zufluchtsstädten“ in den USA, die illegale Einwanderer in Ruhe lassen und vor der Deportation schützen wollen. Trotzdem machen in jüngster Zeit immer wieder Gerüchte über Razzien der Polizei gegen Ausländer die Runde. Die Patienten der Klinik machen sich auf das Schlimmste gefasst.

Madeline Frucht Wilks, die ärztliche Leiterin der „Clinica“, berichtet von einer Patientin, die vor ein paar Tagen bei einem Routinetermin um einen Dreimonatsvorrat ihres Medikaments bat: Die Frau will sich so wenig wie möglich in der Apotheke zeigen, weil sie Angst hat, der Apotheker könnte sie bei den Behörden verpfeifen. Auch die Kinder der Frau drängen ihre Mutter, bis auf Weiteres nicht mehr aus dem Haus zu gehen: Sie selbst sind zwar in den USA geboren und damit automatisch amerikanische Staatsbürger und vor Abschiebung geschützt. Doch ihre Mutter ist illegal.

Auch Maria lebt in ständiger Furcht. „Mit einem einzigen Federstrich kann er all unsere Träume töten“, sagt sie über Trump. Nur wenige Tage nach seiner Vereidigung hat der neue Präsident ein Dekret unterschrieben, das der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE mehr Befugnisse und mehr Personal verspricht. Trumps Erlass stärkt die Vollmacht von ICE-Beamten bei der Festnahme und Abschiebung von Flüchtlingen – künftig könnten auch illegale Einwanderer wie Maria, die seit Jahren unbescholten im Land leben, ins nächste Flugzeug gesetzt werden, sagen Experten.

Harte Arbeit

Trump selbst schwankt zwischen Härte und Milde. So sagt er einerseits, er wolle eine behutsame Lösung für Flüchtlinge, die als Minderjährige in die USA kamen und die bisher einen speziellen Schutz vor Abschiebung genießen. Doch andererseits erwähnt sein Dekret diese Menschen nicht einmal. Ihm gehe es um die „bösen Burschen“ unter den Flüchtlingen, betont der Präsident. Doch bei seinen bisherigen Entscheidungen als Staatschef unterscheidet er nicht zwischen einem Drogenhändler und einem Flüchtling wie Maria. Laut Medienberichten arbeitet das Weiße Haus an einem neuen Dekret, das die Abschiebung von Einwanderern erleichtern soll, die staatliche Unterstützung auf Steuerzahlerkosten erhalten.

Kein Wunder also, dass Ärztin Frucht Wilks in der „Clinica“ in jüngster Zeit vermehrt Angstzustände und Stress-Symptome zu behandeln hat. Die Leute fangen an, sich Notfallpläne für den Fall zurechtzulegen, dass sie abgeschoben werden und ihre Kinder in den USA zurückbleiben. Bei manchen ist es schon zu spät. Unter den Patienten von Frucht Wilks sind Frauen, die ihren Kindern keine anständige Mahlzeit mehr bieten können, weil ihre Männer abgeschoben wurden und die Ersparnisse aufgebraucht sind. Sogar einige Angestellte der Klinik sind von der Abschiebung bedroht. Frucht Wilks ist nicht sicher, ob Trump die staatliche Hilfe für die „Clinica“ fortsetzen wird.

Marias Besuch in der Klinik ist beendet. Sie wickelt sich ihren Schal um den Hals, zieht die Jacke an und setzt die Pudelmütze auf. Doch eines muss sie noch loswerden. Was sie besonders aufregt an Trumps Flüchtlingspolitik, ist der unausgesprochene Vorwurf, dass hart arbeitende Flüchtlinge wie sie, die weder Kranken- noch Urlaubstage kennen, dem Land schaden. „Ich nehme niemandem etwas weg“, sagt sie. Dann geht sie in den Washingtoner Wintertag hinaus.

Zur Startseite