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USA: Obama: ''Die Zeit der Spielchen ist vorbei''

Nach seiner überzeugenden Rede zur Gesundheitsreform kann US-Präsident Obama wieder auf das Gelingen seines Projektes hoffen.

Washington - Natürlich kann Barack Obama noch begeistern. Mit „Bravo“-Rufen und Ovationen wurde der US-Präsident am Mittwochabend im Kongress begrüßt. Als er dann im Kampf um die Gesundheitsreform die Ideale Amerikas beschwor, Senatoren und Abgeordnete drängte, gemeinsam „den historischen Test“ zu bestehen, riss es viele Liberale von den Stühlen. Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi stand aufgewühlt hinter dem Präsidenten, heftig klatschend. Aber all der Jubel der Demokraten konnte nicht verdecken, dass sich Obama in der Defensive befindet, die Skepsis vieler Republikaner geblieben ist.

Die Entgleisung des Abgeordneten Joe Wilson, der Obama einen „Lügner“ schimpfte, war zwar für den US-Kongress sehr ungewöhnlich; aber der Vorfall brachte einen Hauch der aufgewühlten Stimmung ins ehrwürdige Parlament, die in den vergangenen Wochen auf manchen Bürgerversammlungen im ganzen Land geherrscht hat. Obama geißelte denn auch Angstmacherei und Zynismus mancher Ideologen der Rechten. Die Behauptung, die Regierung plane „Gremien von Bürokraten, die die Macht haben, ältere Mitbürger umzubringen“, sei einfach lächerlich. „Es ist eine Lüge, schlicht und einfach.“

Mit einer umfassenden Reform des Gesundheitswesens zielt Obama auch darauf, die explodierenden Kosten einzudämmen. „Wir zahlen anderthalb Mal mehr pro Person für die Gesundheitsversorgung als jedes andere Land, aber wir sind dafür nicht gesünder.“ Die Ausgaben verschlingen nach seinen Worten ein Sechstel der gesamten US-Wirtschaftsleistung. Bürger, die schon eine Krankenversicherung haben, sollen mehr Schutz bekommen. Die Republikaner lehnen die Reform ab, weil sie aus ihrer Sicht enorme Kosten für den Staat – und damit den Steuerzahler – verursachen würde. Zudem warnen sie davor, mit einer staatlichen Krankenversicherung den privaten Versicherern Konkurrenz zu machen; dies würde mit der Zeit zur völligen Verstaatlichung des Gesundheitswesens führen, argumentieren viele Konservative.

Allerdings signalisierte Obama in der Sache Kompromissbereitschaft. Wer mit konstruktiven Vorschlägen komme, werde angehört, lockte er die Konservativen. „Meine Tür ist immer offen“, sagte Obama. Keineswegs strebe er eine staatliche Gesundheitsversorgung an, die die privaten Kassen verdrängen würde.

„Ich weiß, dass viele in diesem Land sehr skeptisch sind, wenn die Regierung sich um sie kümmern will“, sagte Obama. Auch er denke, „dass die Regierung nicht alle Probleme lösen sollte“. Dies widerspreche dem Freiheitsideal der Gründungsväter. Aber es gebe auch Gefahren, wenn der Staat sich zu wenig um die Menschen kümmere. Deshalb brauche es auch staatliche Versicherungsangebote.

Obama ist sich bewusst, dass er seinen Plan, den es so gar nicht gibt, da es sich dabei um eher grundlegende Gedanken handelt, nur umsetzen kann, wenn er auf die Mehrheiten seiner Partei im Kongress setzt – die aber im Senat äußerst knapp scheinen. Dann aber muss er den von ihm so oft beschworenen überparteilichen Ansatz für die Reform aufgeben. Oder aber er stößt die starke Parteilinke vor den Kopf und verzichtet weitgehend auf ein staatliches Versicherungssystem.

Obama droht bereits nach acht Monaten seiner Präsidentschaft ein herber und folgenreicher Dämpfer: Schafft er es nicht, eine Gesundheitsreform durchzusetzen, ist sein erklärtermaßen wichtigstes innenpolitisches Projekt gescheitert. Damit wäre seine Glaubwürdigkeit angeschlagen, sein Versprechen auf „Wandel“ früh infrage gestellt. Aber mit seiner 43-minütigen, leidenschaftlichen Rede vor dem Kongress hat er erst einmal seinen „Einsatz verdoppelt“, wie das „Wall Street Journal“ mit einem Begriff aus dem Pokerspiel kommentierte. dpa

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