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Politik: USA: Saddam nicht im Hungerstreik

Auch ein Jahr nach der Festnahme des Ex-Diktators kann im Irak von Sicherheit keine Rede sein

Wenn Kriege enden, ein Diktator besiegt wurde oder eine Revolution geschah, ist ein Jahr später das Chaos noch immer mit Händen zu greifen. Das wissen die Deutschen aus eigener Erfahrung. Im Mai 1946 war das Land geteilt, besetzt und das Volk ausschließlich damit befasst, seinen Alltag wieder in den Griff zu bekommen.

Im Irak ist das nicht anders. Am 14. Dezember 2003 war Saddam Hussein aus seinem Versteck – einem Erdloch in der Nähe seiner Heimatstadt Tikrit – gezogen worden. Der Diktator war gefasst. Auf ersten Bildern war ein verwirrter, unrasierter Mann zu sehen, der von einem US-Arzt medizinisch untersucht wurde. Der Mythos war zum wehrlosen Patienten degradiert worden. Noch am selben Tag bekam Hussein Besuch. Paul Bremer, damals der oberste amerikanische Zivilverwalter im Irak, Ricardo Sanchez, der Oberkommandierende der alliierten Truppen, und vier Iraker gingen in seine Zelle. Die Iraker fragten nach Ermordeten, Massengräbern und Giftgaseinsätzen, Hussein antwortete mit sarkastischen Bemerkungen.

Die Begegnung – Details darüber standen vor einigen Monaten im Magazin der „New York Times“ – muss gespenstisch gewesen sein. Eine halbe Stunde dauerte sie. Dann wollten die Besucher gehen. In diesem Moment änderte sich Husseins Stimmung. Plötzlich schien er irritiert, fast ängstlich. Er schaute auf und fragte: „Was? Das soll alles gewesen sein? Nichts weiter?“ Offenbar hatte er erwartet, jetzt gefoltert und hingerichtet zu werden. Das war seine Vorstellung von Gerechtigkeit.

An die Verhaftung Husseins knüpfte sich die Erwartung, der Widerstand der Rebellen werde gebrochen. Das hat sich nicht erfüllt. Auch gestern detonierten im Irak wieder Bomben, in Bagdad wurde ein Selbstmord-Attentat verübt, bei Kämpfen kamen mehrere US-Soldaten ums Leben, in Falludscha schlugen erneut Raketen ein. Die Sicherheitslage im sunnitischen Dreieck ist nach wie vor labil. Die Gefahr einer weiteren Eskalation, bis hin zum Bürgerkrieg, ist nicht gebannt.

Nur wenige Informationen dringen indes über den Gefangenen Ex-Diktator an die Öffentlichkeit. Ein Bericht vom Wochenende, wonach Hussein in den Hungerstreik getreten sei, wurde von der US-Armee inzwischen dementiert. Allerdings räumten die Militärs am Montag ein, dass acht seiner einstigen Mitstreiter die Nahrungsaufnahme verweigerten. Weil die Betroffenen aber Flüssigkeit zu sich nähmen, machten sich die Behörden keine Sorgen um deren Gesundheitszustand. Auch diese Mitarbeiter haben am Montagabend ihren Hungerstreik beendet.

Der irakische Präsident Ghasi al Jawar kritisierte die USA und Großbritannien unterdessen scharf wegen ihrer Besatzungspolitik. Die Auflösung der irakischen Ministerien für Verteidigung und Inneres sowie der Armee unmittelbar nach dem Krieg sei ein „großer Fehler“ gewesen, weil ein Sicherheitsvakuum entstanden sei, sagte Jawar in einem BBC-Interview. Bewaffnete Rebellen hätten das für ihren Kampf gegen die ausländischen Truppen ausgenutzt. Die Lage werde sich nicht bessern, solange die irakischen Streitkräfte nicht wieder „zu hundert Prozent effektiv“ seien.mit AFP/rtr

Als Saddam Hussein noch an der Macht war, gab er sich unbezwingbar. Für viele Iraker war es daher ein Schock , als vor einem Jahr die ersten Bilder des gefangenen Diktators im Fernsehen gezeigt wurden. Bei seiner Anhörung vor Gericht im Juli präsentierte sich der frühere Herrscher schon wieder angriffslustig . uls

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