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US-Vizepräsident Joe Biden und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara.

© dpa

USA und Erdogan: Die Türkei im Auge behalten

Die USA haben ihre liebe Not mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Indem sie ihn in Syrien unterstützen, halten sie ihn gleichzeitig in Schach.

Ein einfacher Partner war die Türkei für die USA noch nie. Doch in jüngster Zeit wird das Verhältnis immer stärker belastet: Washington ist wegen des Vorgehens von Staatschef Recep Tayyip Erdogan gegen seine innenpolitische Kritiker, den antiamerikanischen Verschwörungstheorien in Ankara und den lautstarken Forderungen nach Auslieferung des Geistlichen Fethullah Gülen zunehmend entnervt. Nun kommt auch noch die türkische Militärintervention in Syrien hinzu, die sich vor allem gegen die syrischen Kurden richtet – die wichtigsten amerikanischen Verbündeten in Syrien. Neue Turbulenzen im amerikanisch-türkischen Verhältnis sind abzusehen.

Wie schlecht es derzeit um die Beziehungen bestellt ist, zeigten die Sticheleien gegen US-Vizepräsident Joe Biden bei dessen Besuch in Ankara diese Woche. Biden wurde am Flughafen von türkischen Offiziellen aus der zweiten Reihe empfangen und musste sich von Erdogan vor laufenden Kameras kritisieren lassen, weil sich Washington weigert, den von Erdogan als Anführer des Putsches Mitte Juli beschuldigten Gülen auch ohne handfeste Beweise festzunehmen. Der US-Vizepräsident sah sich gezwungen, Erdogan auf rechtsstaatliche Prinzipien hinzuweisen. In den USA könne man „nicht einfach auf jemanden zeigen und sagen: ‚Das ist ein übler Bursche‘ “.

Erdogan sieht das offenbar anders. Viele Türken und möglicherweise auch der Präsident selbst haben die Amerikaner im Verdacht, den Aufstieg des Landes verhindern zu wollen. Ein Minister der türkischen Regierung warf der Regierung in Washington öffentlich vor, den Putschversuch im Juli organisiert zu haben. Nur eine schnelle Erfüllung der türkischen Forderung nach Auslieferung Gülens könnte diesen Eindruck aus der Welt schaffen. Doch das kommt für Washington nicht infrage.

Eine komplizierte Sache

Die Erdogan-treue Zeitung „Daily Sabah“ erklärte deshalb Bidens Besuch für gescheitert: Die Visite sei reine Zeitverschwendung gewesen.

Diese Art von Erpressungsversuch kommt nicht gut an in Washington. Für die USA ist die Türkei zwar ein wichtiger Partner im Nahen Osten und nicht zuletzt für die Projektion der amerikanischen Militärmacht im östlichen Mittelmeer von hoher Bedeutung. Aber einen „Blankoscheck“ für Erdogan dürfe es nicht geben, mahnte die „New York Times“. Die Obama-Regierung gehe schon jetzt in ihren Bemühungen, neuen Ärger mit dem streitlustigen türkischen Präsidenten zu vermeiden, viel zu weit, sagen Beobachter. Zwar sei es gut und richtig von Biden, mit Blick auf den Putschversuch die Solidarität mit der gewählten Regierung zu betonen, kommentierte Howard Eissenstat, ein Türkei-Experte an der St-Lawrence-Universität im Bundesstaat New York. Aber die Tatsache, dass Biden in Ankara die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei mit keinem Wort erwähnt habe, sei ein „Desaster“.

Trotz aller Vorbehalte gegen Erdogans Politik haben sich die USA nach der Intervention in Syrien erst einmal klar auf die Seite der Türkei gestellt. Biden forderte die syrischen Kurden öffentlich auf, sich wie von Ankara gewünscht auf das Ostufer des Euphrat zurückzuziehen. US-Geheimdienste und -Kampfjets unterstützten die Operation in der syrischen Grenzstadt Dscharablus, die offiziell gegen den „Islamischen Staat“ (IS) gerichtet ist. Dahinter stehen zwei Beweggründe: Erstens wollen die USA zeigen, dass sie im Kampf gegen den IS an der Seite der Türkei stehen. Zweitens wollen sie mithilfe ihrer Beteiligung die Türken im Auge behalten.

Das wird möglicherweise auch nötig sein, denn die Militäraktion in Dscharablus könnte sich zu einer dauerhaften türkischen Präsenz in Syrien entwickeln – was von Washington nicht gerne gesehen würde. Die Erdogan-treue türkische Zeitung „Yeni Safak“ meldete am Freitag, die Türkei wolle in dem in Syrien eroberten Gebiet bald Lager für syrische Flüchtlinge einrichten.

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