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In Trümmern: Die von Rebellen gehaltene syrische Stadt Douma östlich von Damaskus

© Abd Doumany/AFP

USA und Russland: Der Kalte Krieg kehrt zurück

Eine Waffenruhe in Syrien ist gescheitert, die gegenseitigen Beschuldigungen werden schärfer. Das Verhältnis zwischen den USA und Russland ist auf einem Tiefpunkt.

Abbruch der Gespräche über Syrien, Aufkündigung der Plutonium-Vereinbarung: Zwischen den USA und Russland werden Brücken abgebrochen, die eine Kooperation der beiden Großmächte nach dem Ende des Kalten Krieges sicherstellen sollten. Russland und die syrische Führung hätten die Diplomatie als Instrument der Konfliktlösung zurückgewiesen, sagte US-Außenminister John Kerry am Dienstag bei einem Besuch in Brüssel.

„Natürlich hoffe ich, dass es keinen neuen Kalten Krieg gibt“, sagt hingegen der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin. Die Spannungen zwischen beiden Ländern würden derzeit „über-dramatisiert“, fügte er hinzu.

Zumindest in Syrien ist die Lage aber auch ohne „Über-Dramatisierung“ gefährlich genug. In der ersten Auslandsstationierung dieser Art überhaupt verlegt Russland derzeit das moderne Raketenabwehrsystem SA-23 in das Bürgerkriegsland. Wie der US-Sender Fox unter Berufung auf amerikanische Regierungskreise meldet, kamen Elemente des Systems jetzt in Syrien an. Da die Gegner der russischen Luftwaffe in Syrien – die diversen Rebellengruppen, die gegen den Moskauer Partner Baschar al Assad kämpfen – keine Raketen besitzen, liegt der Schluss nahe, dass mit dem Abwehrsystem mögliche amerikanische Lenkflugkörper abgefangen werden sollen.

Alle Bemühungen zur Zusammenarbeit in Syrien, wie zuletzt bei den Gesprächen über eine Waffenruhe und einen gemeinsamen Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) und andere extremistische Gruppen in Syrien, sind gescheitert. US-Beobachter sehen in der vor fast genau einem Jahr gestarteten Syrien-Intervention Russlands den Versuch, sich im Nahen Osten als neue Ordnungsmacht zu etablieren. Die USA scheuen nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan ein erneutes militärisches Engagement in dieser Weltgegend und überlassen Moskau das Feld, sagen Kritiker.

Unterdessen kommen sich Putin und Erdogan näher

Auch die Wiederannäherung zwischen dem Nato-Partner Türkei und Russland passt in dieses Bild eines russischen Auftrumpfens in einer Region, in denen die USA lange Zeit die dominierende Macht waren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan lobt seinen russischen Kollege Wladimir Putin für dessen schnelle und unmissverständliche Zurückweisung des Putschversuchs in der Türkei Mitte Juli. Gleichzeitig kritisiert Erdogan den Westen, weil dieser recht lange brauchte, um Solidarität mit der Führung in Ankara zu demonstrieren.

Außerhalb des Syrien-Konfliktes kollidieren die Interessen der beiden ehemaligen Gegner des Kalten Krieges ebenfalls. Washington beklagt die russische Aggression in der Ukraine und auf der Krim, während Moskau die Stationierung von Nato-Truppen in den baltischen Staaten als Bedrohung empfindet.

Hinzu kommen Spannungen auf anderen Feldern. US-Politiker lassen sich seit Wochen in den Medien mit der Einschätzung zitieren, die russische Regierung stecke hinter Cyber-Angriffen, die angeblich das Ziel haben, die Präsidentschaftswahl am 8. November zu beeinflussen. In russischen Zeitungen ist von der Möglichkeit einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Russland und den USA die Rede, wie der Moskauer BBC-Korrespondent Steve Rosenberg berichtete.

Putin stoppt Vernichtung von waffenfähigem Plutonium

Bisher galt zwischen Washington und Russland, dass die verschiedenen Streitpunkte nicht auf das grundsätzliche gemeinsame Interesse beispielsweise bei der nuklearen Abrüstung ausstrahlen sollen. Dieses Prinzip ist nun durch Putins Entscheidung, die Vereinbarung über die Vernichtung von jeweils 34 Tonnen waffenfähigem Plutonium aufzukündigen, ins Wanken geraten. Der Kreml folge nicht dem Argument des gemeinsamen Interesses beider Länder, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter der „New York Times“.

Nicht in allen Aspekten des russisch-amerikanischen Verhältnisses sieht es so düster aus. Nach wie vor arbeiten russische und amerikanische Militärs in Syrien zusammen, um eine ungewollte Konfrontation zwischen ihren Kampfflugzeugen über dem Bürgerkriegsland zu verhindern. Der IS bleibt eine Bedrohung für beide Länder: Washington befürchtet Terroranschläge durch IS-Anhänger auf amerikanischem Boden, während sich Moskau wegen der Rückkehr radikalisierter IS-Kämpfer aus Syrien sorgt.

Kerry betonte in seiner Rede am Dienstag, sein Land und Russland redeten im größeren Kreis weiter über Möglichkeiten einer Friedenslösung für Syrien. Auch die Zusammenarbeit bei der Durchsetzung des internationalen Abkommens zur Einschränkung des iranischen Atomprogramms geht zumindest vorerst weiter. Allerdings ist nicht erkennbar, wie sich beide Seiten in Syrien erneut zusammenraufen könnten.

Was Obama nie wollte: Es wird weniger statt mehr miteinander gesprochen

Am Ende seiner Präsidentschaft steht Barack Obama genau da, wo er nie sein wollte: an einem Punkt, an dem weniger – nicht mehr – miteinander gesprochen wird.

Nach der US-Wahl am 8. November wird die neue Regierung in Washington vor der Frage stehen, wie es mit Russland weitergehen soll. Der Republikaner Donald Trump bekennt sich offen zu seiner Sympathie für Putins Führungsqualitäten und spricht von einer amerikanisch-russischen Kooperation gegen den IS in Syrien. Allerdings betont Trump auch, er werde sich von Putin nicht über den Tisch ziehen lassen.

Trumps Rivalin im Kampf um das Weiße Haus, Hillary Clinton, gilt als Vertreterin einer harten außenpolitischen Linie. Sie würde möglicherweise die von Obama an den Tag gelegte Zurückhaltung in Syrien aufgeben - was neue Spannungen mit Russland zur Folge haben könnte.

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