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Am Freitag landeten in Wien eine russische und eine amerikanische Maschine (vorn), um mutmaßliche Agenten auszutauschen.

© dpa

Spionage: USA und Russland tauschen Agenten aus

Nicht die Glienicker Brücke bei Potsdam, sondern der Wiener Flughafen dient als Kulisse beim Austausch der Spione. Der Ort war nicht zufällig gewählt.

Da war noch einmal ein Hauch des Kalten Kriegs spürbar, herübergeweht in die neue Ära nach dem 11. September 2001. Diesmal geschah es nicht auf der Glienicker Brücke, die den englischen Spitznamen „Bridge of Spies“ trägt, weil sie damals als Schauplatz für Agentenaustausch diente. Amerikaner und Russen wählten Wien für das größte Gegengeschäft der Geheimdienste seit Ende des Ost-West-Konflikts.

Die dramatische Kulisse jener Zeit fehlte am Freitagvormittag: Zwei Flugzeuge landeten in Wien-Schwechat, das eine von Osten, das andere von Westen kommend – und hoben nach rund einer Stunde wieder ab: Neun Russen und eine peruanische Journalistin, die zwölf Tage zuvor in den USA festgenommen worden waren, flogen nach Moskau. Vier Männer, die seit Jahren unter dem Vorwurf der Spionage für den Westen im Straflager oder im Gefängnis in Russland saßen, reisten in die USA. Auch sie sind Russen.

Die Regierungen in Washington und Moskau hatten sich seit Tagen bemüht, die Agentenaffäre, die Ende Juni, direkt nach dem Besuch des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew im Weißen Haus, aufgeflogen war, möglichst konfliktfrei beizulegen. Der Agentenring in den USA bestand nach Angaben der Ermittler aus elf Personen. Ein Mann hatte sich dabei nach Zypern abgesetzt, das veranlasste das FBI zum Zugriff. Die Spione hatten unter dem Deckmantel eines amerikanischen Mittelklasselebens in Vororten von Boston, New York und Washington gewohnt.

Das FBI hatte seit Jahren beobachtet, wie sie mithilfe konspirativer Techniken Geld übergaben und Nachrichten austauschten. Bisher hatten sie keine Geheimnisse ausspioniert. Sie waren offenbar „Schläfer“, die in einflussreiche Positionen gelangen und Bekanntschaft mit wichtigen Persönlichkeiten schließen sollten, um später an sensible Informationen zu gelangen. Allem Anschein nach gingen sie dabei dilettantisch vor.

Zur Vorbereitung des Austauschs legten sie am Donnerstag vor US-Gerichten Geständnisse ab, wurden des Landes verwiesen und zum Flughafen New York gebracht. Bis auf zwei Frauen hatten sie in den USA falsche angelsächsische Namen wie Murphy, Mills und Foley benutzt. Vor Gericht gaben sie russische Namen als wahre Identität an. Die Ausnahmen waren Vicky Pelaez und Anna Chapman. Vicky Pelaez ist gebürtige Peruanerin, die als Kolumnistin von „El Diario“, der größten spanischen Zeitung in New York, keinen Hehl aus ihrer kommunistischen Haltung gemacht hatte. Anna Chapman ist Tochter eines russischen KGB-Offiziers, die in erster Ehe einen Briten geheiratet und diesen Namen nach Scheidung und Umzug in die USA beibehalten hatte. Viele Medien hatten die junge rothaarige Frau als „James-Bond-Girl“ oder neue „Mata Hari“ beschrieben, in Anlehnung an eine berühmte Spionin und Nackttänzerin im Ersten Weltkrieg.

Die vier Männer, die aus Russland freikamen, sind der Atomexperte Igor Sutjagin, die Ex-Geheimdienst-Obristen Sergej Skripal und Alexander Saporoschski sowie der Doppelagent Gennadi Wasilenko. Auch sie mussten Spionage-Geständnisse als Bedingung für den Austausch unterschreiben. Sutjagin hatte Zeitungsausschnitte über Atom-U-Boote und Raketentechnik für eine britische Firma gesammelt. Er saß seit elf Jahren in einem Straflager in Nordrussland und wurde Mitte der Woche nach Moskau gebracht. Nach der Einschätzung von US-Medien ist es ein Novum, dass Agenten ausgetauscht werden, die nicht eine gewisse Zeit im Gefängnis gesessen haben. Im Kalten Krieg hätte noch gegolten: Ein bisschen Strafe muss sein.

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