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Barack Obama wird derzeit heftig kritisiert. Nicht nur politische Gegner sprechen von einem Fehlstart in seine zweite Amtszeit als US-Präsident.

© AFP

USA: Zweifel am „Zauderer“ Obama

Der US-Präsident gerät in Erklärungsnöte. Mehrere Affären stellen sogar seine Handlungsfähigkeit infrage.

Der Präsident ist nicht mehr Herr der Agenda in Washington. Seine politischen Gegner jagen ihn, aber neuerdings auch viele Journalisten im White House Press Corps. Das fällt besonders auf, wenn Barack Obama außenpolitische Besucher empfängt und Pressekonferenzen mit ihnen gibt: Am Donnerstag war der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zu Gast, am Montag der britische Premierminister David Cameron.

Zu normalen Zeiten würden Fragen zu den bilateralen Beziehungen und gemeinsamen internationalen Herausforderungen im Zentrum stehen. Derzeit beschäftigt sich ein Großteil der Medienelite Amerikas jedoch nur mit einer Frage: Kann sich ihr Präsident aus der innenpolitischen Defensive befreien oder befindet er sich bereits im freien Fall, nur vier Monate nach der triumphalen Vereidigung für die zweite Amtszeit am 21. Januar?

Die White-House-Reporter interessieren sich kaum für Erdogan und Cameron. Für sie ist die sogenannte Pressekonferenz die Gelegenheit, Obama innenpolitisch zur Rede zu stellen. Da das Weiße Haus dies weiß, erlaubte es am Montag nur je eine Frage aus der amerikanischen Mediengruppe und der Begleitpresse des Gastes. So stellte die auserwählte US-Reporterin ihre Frage mit vier Unterfragen zu den drei innenpolitischen Affären, die Obamas Handlungsfähigkeit bedrohen, sowie zu Syrien. Am Donnerstag waren es dann wieder die üblichen zwei Fragen von jeder Seite. Die der beiden Amerikaner betrafen weiter die Innenpolitik.

In dem Kontext ist der Bürgerkrieg in Syrien nicht mehr eine strategische Herausforderung, bei der sorgfältig abzuwägen wäre, ob die Bewaffnung der Opposition oder ein militärisches Eingreifen der USA das Ende des Blutvergießens näherbringen oder den Konflikt verschärfen würde. Im Kern geht es auch hier um Obamas Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit. Er hat einen Chemiewaffeneinsatz als „rote Linie“ bezeichnet, bei deren Überschreiten sich sein strategisches Kalkül ändern würde und er mit ernsten Konsequenzen droht – im Klartext: militärische Intervention. Doch nun will er abwarten - und wiederholte dies während der Pressekonferenz mit Erdogan – zu welchem Ergebnis eine UN- Kommission kommt, die die Chemiewaffenvorwürfe untersuchen soll. Obama wie Erdogan forderten erneut den Rücktritt des syrischen Präsidenten Assad. Am Donnerstag waren neue Massaker in Syrien bekannt geworden. In einem Youtube-Video war die Hinrichtung von elf Gefangenen durch Assad-Gegner von der dschihadistischen Al-Nusra-Front zu sehen. Anfang Mai sollen regierungsnahe Kräfte bei Banias 145 Menschen getötet haben, darunter 34 Kinder.

Bis vor kurzem hatten viele Kommentatoren Obamas Abwarten als weise bewertet. Jetzt aber, da der Präsident wegen drei potenzieller Skandale unter Druck steht und die Republikaner ihm vorwerfen, er mauere und verzögere die Aufklärung, trifft derselbe Vorwurf seine Syrienpolitik: Obama, der Zauderer. Obama, der Entscheidungsschwache.

Obama geht in die Offensive

Beim Blick von außen ist nicht auf Anhieb erkennbar, worin Obamas Verfehlung bei den drei angeblichen Skandalen bestanden haben soll. Bisher gibt es keine Hinweise auf seine direkte Verwicklung. Am gefährlichsten wirkt derzeit die „IRS-Affäre“. Die Abteilung, die über die Steuerbefreiung politischer Organisationen in der Steuerverwaltung „Internal Revenue Service“ (IRS) entscheidet, soll die den Republikanern nahestehenden Tea- Party-Gruppen vor der Wahl 2012 besonders kritisch geprüft und die Bewilligung verzögert haben. Allerdings ist die Abteilung der politischen Aufsicht entzogen worden, eben damit es keine parteipolitische Beeinflussung aus der jeweiligen Regierung geben kann. Obama ging am Mittwochabend in die Offensive und zwang Abteilungsleiter Steven Miller zum Rücktritt. Miller hat in der IRS einen guten Ruf, ihm sind bisher keine persönlichen Verfehlungen nachgewiesen worden. Er hatte die interimistische Leitung erst im November 2012 übernommen, also nach dem fraglichen Zeitraum der möglichen Benachteiligung konservativer Gruppen.

Bei der „AP-Affäre“ geht es darum, ob das Justizministerium zu Recht die Telefonverbindungen von rund 20 Reportern der Nachrichtenagentur AP hat überprüfen lassen, um einen „Geheimnisverrat“ aufzuklären. Die AP hatte über einen verhinderten Terroranschlag berichtet – wobei nach Meinung des Justizministeriums Informationen öffentlich wurden, die im Dienst der Terrorabwehr geheim bleiben sollen. Weder Präsident Obama noch Justizminister Holder waren nach jetzigem Wissen in der Angelegenheit aktiv.

Die „Bengasi-Affäre“ betrifft die Informationspolitik nach der Ermordung von vier US-Diplomaten am 11. September 2012 beim Angriff islamischer Extremisten auf das US-Konsulat dort. Heute weiß man, dass dies ein gezielter Terroranschlag aus dem Umkreis von Al Qaida war. Damals war dies zunächst nicht so klar, weil es an dem Tag in mehreren arabischen Städten angeblich spontane Protestaktionen gegen ein muslimfeindliches Video aus den USA gegeben hatte.

Die Republikaner werfen Obama vor, seine Regierung habe die Öffentlichkeit getäuscht, um seine Wiederwahl nicht zu gefährden. Die Vorwürfe bekommen im Kontext der anderen Affären neues Gewicht. Obama veröffentlicht nun Emails, die zuvor geheim bleiben sollten.

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