zum Hauptinhalt

Politik: V wie verloren

Der Prozess gegen die NPD steht vor dem Aus – weil sich wichtige Zeugen als Spitzel entpuppt haben

Von Frank Jansen

Die Situation ist paradox: Nach Ansicht von Sicherheitsexperten nehmen die Gründe für ein Verbot der NPD zu, dennoch droht ein Scheitern des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht. Das V-Mann-Problem überlagert die von der Partei ausgehende Gefahr, die gerade jetzt wieder sichtbar zu werden scheint.

NPD-Chef Udo Voigt steht in Stralsund vor einem Gericht, weil er im Bundestagswahlkampf 1998 jugendliche Zuhörer zum bewaffneten Kampf aufgefordert haben soll. Und Horst Mahler, Prozessbevollmächtigter der NPD für das Verbotsverfahren und ehemaliger RAF-Terrorist, muss sich auch in Stralsund und außerdem in Mainz Verfahren stellen, weil er die Terroranschläge vom 11. September 2001 bejubelt haben soll. In Mainz beantragte die Staatsanwaltschaft sogar, Mahlers Geisteszustand untersuchen zu lassen. Indirekt, aber doch deutlich hat Bundesinnenminister Otto Schily gerade erst im Januar demonstriert, dass er ein Verbot der NPD für dringend geboten hält. Schily löste die deutsche Filiale der islamistischen Vereinigung „Hisb-ut-Tahrir“ auf. In der Verbotsverfügung erwähnt der Innenminister offenbar demonstrativ die Teilnahme des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt und von Horst Mahler an einer Veranstaltung der Hisb-ut-Tahrir in Berlin. „Voigt solidarisierte sich mit den Islamisten gegen die USA“, heißt es in der Verfügung. Ein Wink in Richtung Karlsruhe – den das Bundesverfassungsgericht ignoriert?

Das V-Mann-Thema erschien zunächst wenig problematisch. Das Bundesverfassungsgericht eröffnete im Oktober 2001 das Verbotsverfahren gegen die NPD – obwohl da bereits ein in den Verbotsanträgen genannter Rechtsextremist als Spitzel aufgeflogen war.

Der Thüringer Neonazi und ehemalige NPD-Spitzenfunktionär Tino Brandt wird in den Anträgen von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat als eine Art Symbolfigur für die enge Verbindung der rechtsextremen Partei zur gewaltbereiten Kameradschaftsszene erwähnt. Brandt war von 1994 bis Januar 2001 für den Thüringer Verfassungsschutz tätig, vier Monate später deckte die Presse seine V-Mann-Tätigkeit auf. Da lagen die Verbotsanträge bereits in Karlsruhe vor, doch das Gericht reagierte nicht.

Zum Eklat kam es erst, als die Richter in Karlsruhe sich übertölpelt fühlten. Im Januar 2002 teilte das Bundesinnenministerium eher beiläufig dem Gericht mit, der Verfassungsschutz habe den früheren Vizechef der NPD in Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Frenz, 34 Jahre als V-Mann geführt. In den Verbotsanträgen werden ausführlich antijüdische Parolen zitiert, die Frenz von sich gegeben hatte – allerdings erst nach der „Abschaltung“ durch den Nachrichtendienst im Jahr 1995.

Der Rechtsextremist ist für die Karlsruher Richter von ganz besonderer Bedeutung: Er steht nämlich auf einer Liste von 14 „Auskunftspersonen“, die das Gericht im Februar 2002 in der mündlichen Verhandlung des Verbotsverfahrens hören wollte. Daraus wurde nichts: Irritiert und verärgert wegen der Causa Frenz sagte der Zweite Senat die fünf Termine ab.

Dann ging es Schlag auf Schlag: Noch im Januar wurde Udo Holtmann, Vorsitzender der nordrhein-westfälischen NPD und langjähriges Mitglied des Bundesvorstands der Partei, auch als V-Mann enttarnt. Und es folgten weitere Spitzel.

Doch der Fall Holtmann wird vermutlich den Ausschlag geben, sollte das Verbotsverfahren scheitern. Rechtsexperten skizzieren das Dilemma: Der Verfassungsschutz könnte von Holtmann erfahren haben, welche Prozess-Strategie die NPD in Karlsruhe einschlagen will. Damit wäre für die Partei ein faires Verfahren unmöglich.

Zur Startseite