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Carlos Chavez

© AFP

Venezuela: Duell auf spanisch

Erst maßregelte Spaniens König Venezuelas Staatschef Chavez – jetzt droht der mit Wirtschaftsboykott.

Zunächst klopften sich die Spanier vor Freude auf die Schenkel, dass endlich mal jemand Venezuelas großmäuligen Staatschef Hugo Chavez die Meinung gegeigt hatte. „Warum hältst du nicht dein Maul“, hatte Spaniens König Juan Carlos dem vorlauten Populisten Chavez auf dem iberoamerikanischen Gipfel in Santiago de Chile an den Kopf geworfen.

Chavez hatte sich die königliche Wut zugezogen, weil er den früheren spanischen Regierungschef Jose Maria Aznar wiederholt als „Faschisten“ bezeichnet hatte. Sogar Schlangen seien menschlicher als Faschisten, hatte Chavez in seiner bekannt blumigen Ausdrucksweise fabuliert und war Spaniens Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero mehrmals ins Wort gefallen, als dieser seinen Vorgänger gegen die Vorwürfe in Schutz nahm.

Chavez warf daraufhin Zapatero zudem vor, der spanische Unternehmerverband habe einen Putschversuch gegen ihn im April 2002 unterstützt. Klar, dass auch Aznar in seinen Augen ein „Putschist“ ist.

Den Zwischenfall von Santiago fanden die Spanier so lustig, dass sie den royalen Wutausbruch umgehend zum Zitat des Jahres machten und dieses in ihre tägliche zwischenmenschliche Kommunikation einbauten. „Warum hältst du nicht dein Maul“, grüßt nun auf vielen Anrufbeantwortern und Mobilboxen die Stimme des Königs, die man sich im Internet herunterladen kann.

Millionen Nutzer schauten sich im Internet den Gipfel-Streit zwischen Juan Carlos und Chavez an. Allein die Videoplattform Youtube hatte rund 300 Videos in mindestens 50 Versionen im Angebot. Ein Echo fand der Ausspruch auch im Showbusiness. Bei einer Pressekonferenz in Bogota sagte der spanische Liedermacher Joaquin Sabina zu seinem Musikerkollegen Joan Manuel Serrat scherzhaft „Und du, warum hältst du nicht den Mund?“, als dieser ihm ins Wort fiel.

Spaniens Diplomaten und Wirtschaftsbossen dagegen ist das Lachen schnell vergangen. Nicht nur, weil sich die Lachnummer zu einem handfesten diplomatischen Krieg zwischen Spanien und Venezuela ausgewachsen hat. Sondern auch, weil sich die Stimmen jener mehren, die meinen, auch König Juan Carlos hätte besser den Mund gehalten und vornehme diplomatische Zurückhaltung geübt.

Hugo Chavez fordert derweil eine „Entschuldigung“ vom „Herrn König“ und droht unverhohlen mit Konsequenzen für die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Spanien. „Mit einem König, der versucht, die Würde eines Volkes anzugreifen, ist es schwierig, gute Beziehungen zu unterhalten“, deklamierte er. Er werde die Geschäfte spanischer Großkonzerne, die in Venezuela Millionen verdienen, unter die Lupe nehmen. Und er erinnerte daran, dass die frühere Kolonialmacht Spanien bereits „vor 500 Jahren“ versucht habe, die lateinamerikanischen Indios zum Schweigen zu bringen – „indem sie ihnen die Kehle durchschnitten“.

Spaniens Diplomaten versuchen derweil hinter den Kulissen, das zerdepperte Porzellan wieder zu kitten und nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Immerhin leben gut 300 000 Spanier in Venezuela. Und spanische Banken, Rohstoff- und Telekommunikationsriesen haben Milliarden in dem südamerikanischen Staat investiert. Mit Stirnkräuseln wird auch wahrgenommen, dass Chavez derweil mit Spaniens Nachbarn und Wirtschaftkonkurrenten Frankreich kokettiert, dem er kommende Woche sogar einen Staatsbesuch abstattet. Er wolle die Beziehungen mit Paris „stärken“, sagt Chavez triumphierend, was die Franzosen natürlich gerne hören. Sie wollen die Gunst der Stunde nutzen und zu den USA und Spanien aufschließen, die bisher die größten Wirtschaftspartner Venezuelas sind.

Ralph Schulze[Madrid]

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