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Neuauflage. Eine Szene aus der NPD-Verhandlung 2002. Fünf Jahre später übersandten die Richter eine Stellungnahme zu möglichen Änderungen im Verbotsverfahren. Foto: dpa

© dpa

Verbot der NPD: Verfassungsgericht fordert eindeutige Beweislage

Bereits das mit dem Antrag eingereichte Material muss klar ergeben, dass eine Partei verfassungswidrig ist. Dies geht aus einer Stellungnahme der Richter an das Justizministerium aus dem Jahr 2007 hervor. Der Bundesrat muss sich nun Mühe geben, um die hohen Hürden zu nehmen.

Berlin - Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern haben sich einige Mühe gegeben und im Hinblick auf ein mögliches NPD-Verbotsverfahren auf mehr als 1000 Seiten Beweise zusammengetragen. Masse macht’s aber nicht bei diesem politisch wie juristisch umstrittenen Projekt – es ist die „Deutlichkeit“, mit der die Partei im Widerspruch zum Grundgesetz steht. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat darauf in einer Stellungnahme hingewiesen.

Die Verfassungswidrigkeit einer Partei müsse sich bereits klar aus dem eingereichten Material ergeben, fordern die Richter in dem Schreiben an das Bundesjustizministerium aus dem Jahr 2007. Es sei eine „Fehlvorstellung“, dass das Verfahren durch Ermittlungen in der Art eines strafrechtlichen Indizienprozesses geprägt würde. Sollte sich der Erfolg nicht bereits aus den vorgelegten Unterlagen ergeben, sei es wahrscheinlich, dass der Verbotsantrag nicht über das gesetzliche Vorverfahren hinausgelange, heißt es weiter. Die 47-seitigen Stellungnahme ist die letzte offizielle gerichtliche Äußerung zu Kriterien eines Parteiverbots, nachdem das erste Verfahren gegen die NPD 2003 in Karlsruhe eingestellt worden war.

Die Richter kritisieren darin ferner, in der Vergangenheit sei bei Parteiverboten umfangreiches Material „vielfach ohne vorherige Aufarbeitung oder Systematisierung“ eingereicht worden. Dabei könnten die Antragsteller die Sichtung und Ordnung ebenso gut selbst vornehmen, sie müssten sich ja ohnehin einen entsprechenden Überblick über das Material verschaffen.

An der Stellungnahme mitgearbeitet hat unter anderem Verfassungsrichter Michael Gerhardt, der im Zweiten Senat des Gerichts auch für das erwartete neue Verfahren als Berichterstatter zuständig ist. Verfasst hat sie Rudolf Mellinghoff, damals Richter im Zweiten Senat und heute Präsident des Bundesfinanzhofs in München. Das aus den beiden Senaten des Gerichts bestehende Plenum hat sie verabschiedet und im Juli vor sechs Jahren an die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) übersandt.

Zypries hatte nach dem gescheiterten NPD-Verfahren Gesetzesänderungen prüfen lassen, um Verbote künftig zu erleichtern. Umgesetzt wurden sie nicht – auch, weil das Gericht sie fast durchweg ablehnte und teils als „Missgriff“ kritisierte. Eine „derartige Ad-hoc-Regelung“ wurde zudem wegen ihrer zeitlichen Nähe zum NPD-Verfahren als „verfassungspolitisch höchst bedenklich“ eingestuft. Äußerungen des Gerichtsplenums zu rechtspolitischen Vorhaben sind selten, die letzte stammt aus dem Jahr 2010.

Insgesamt erwecken die Richter in dem Papier den Eindruck, ein solches Verfahren problemlos bearbeiten zu können. Parteiverbote gehörten zum „Kernbereich“ ihrer Aufgaben. Sie seien „kein Fremdkörper im System der freiheitlichen Demokratie“ und ein „ausgewogenes Instrument“, um die demokratische Grundordnung zu verteidigen. Nach den Erfahrungen, die man mit dem NPD-Verfahren gemacht habe, sei es „sehr wahrscheinlich“, dass die Arbeit „nicht zu einer Überlastung führt“.

Bekräftigt hat das Gericht die hohen Hürden für eine Verurteilung der Partei als verfassungswidrig. Es komme nicht darauf an, ob eine Partei einzelne Bestimmungen oder Institutionen des Grundgesetzes ablehne, sie müsse vielmehr, wie es das Urteil zum KPD-Verbot von 1956 bestimme, „die obersten Werte der Verfassungsordnung verwerfen“. Auch hierzu werden die Richter präziser, als sie es in dem bis heute maßgeblichen Verbotsurteil von damals wurden: „Wichtig ist insofern, dass tatsächlich eine Tätigkeit der Partei entfaltet wird; allein eine verfassungswidrige Gesinnung einer Partei kann nicht zu einem Verbot führen.“

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