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Politik: Verdächtig gutes Timing

Kritiker in Moskau vermuten hinter dem Raketenschmuggel eine PR-Aktion der Geheimdienste

Von Elke Windisch, Moskau

und Ruth Ciesinger

Russlands Geheimdienste feiern sich. Als bisher ohne Beispiel in der Zusammenarbeit russischer und westlicher Dienste bezeichnete ein Sprecher des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB die Festnahme eines Waffenhändlers gemeinsam mit dem amerikanischen FBI und dem britischen M I5. Der Brite hatte in den USA eine tragbare Rakete des Typs „Igla“ verkaufen wollen, und war vor zwei Tagen festgenommen worden. Doch in Moskau werden kritische Stimmen laut, und auch in US-Medien kommt es zu widersprüchlichen Darstellungen.

FSB-Sprecher Vitalij Ignatenko verkündete auf einer Pressekonferenz, Russland habe zum ersten Mal seine Partner mit konkreten Informationen, einschließlich Hausnummer und Adresse, bedient. Der Sprecher der russischen Auslandsaufklärung, Boris Labusow, betonte, man habe vor dem Afghanistan-Krieg mit FBI und CIA informelle Kontakte unterhalten, bei Drogen- oder Waffenschmuggel bisher aber nie direkt zusammengearbeitet. Doch weiter ins Detail wollten die Geheimdienstmitarbeiter nicht gehen.

Die Tageszeitung „Nesawissimaja Gaseta“ hält den Raketenschmuggel denn auch für eine mäßig gelungene PR-Aktion der Geheimdienste. Kritische Beobachter argumentieren, Moskau wolle im Vorfeld des für September geplanten Gipfeltreffens zwischen Wladimir Putin und George W. Bush beweisen, dass der Schulterschluss der beiden Präsidenten durch den Irak-Krieg nicht gelitten hat. Zudem brauche man einen Erfolg im Hinblick auf die in Tschetschenien anstehenden Wahlen. Vor allem aber befürchten Beobachter, dass von der Tatsache abgelenkt werden solle, dass ein Waffenschmuggel dieser Art reale Erfolgschancen gehabt hätte.

Zudem sind die Meldungen über die Operation widersprüchlich. Während die „Washington Post“ berichtet, der 68-jährige Brite habe keine direkten Verbindungen zu Terroristen gehabt, berichtete der amerikanische Sender CNN, der Waffenhändler habe früher islamische Terroristen beliefert. Beide Meldungen berufen sich auf Geheimdienste. Eine weitere Frage ist, wie der Waffenhändler mit den Geheimdiensten in Kontakt gekommen ist. CNN berichtet, Geheimdienstagenten hätten erfahren, dass der Mann damit werbe, Raketen beschaffen zu können. CNN beruft sich auf US-Regierungskreise. Die „New York Times“ schreibt, zunächst seien russische Ermittler auf den Mann aufmerksam geworden – und will dies von amerikanischen Beamten erfahren haben. Zudem gibt es bei der Operation offenbar nur einen „echten“ Akteur: den Händler. Die Käufer in den USA und die Mittelsmänner, die in Russland die Rakete verkauften, arbeiteten für Geheimdienste. In Amerika reagiert man darauf nach Ansicht von Beobachtern eher „neutral“. Die „Washington Post“ und die „New York Times“ widmeten dem Thema große Berichte, in denen sie die Seriosität der Informationen nicht anzweifelten, aber auch keinen großen Schlag gegen den internationalen Terrorismus vermuteten.

Woran in Russland allerdings niemand zweifelt, ist, dass Waffen aus russischer Produktion über gefälschte Exportlizenzen und Mafiaverbindungen in die Hände von Waffenhändlern gelangen. Immerhin werden Raketen der Typen „Strela“ und „Igla“ auf dem Schwarzmarkt in GUS-Staaten gehandelt. Das russische Staatsfernsehen legte angesichts des laxen Umgangs mit Sicherheitsvorschriften auch größten Nachdruck auf die Feststellung, dem britischen Waffenhändler seien Ende Juli nur „angeblich korrupte“ russische Staatsdiener vorgeführt worden. Tatsächlich habe es sich um zwei Offiziere aus dem Inlandsgeheimdienst FSB gehandelt.

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